Teilzeitbeschäftigung steigt

Gegenläufige Kräfte am Arbeitsmarkt

Die Idee, dem steigenden Fachkräftemangel mit einer Ausweitung des Arbeitsvolumens Teilzeitbeschäftigter entgegenzuwirken hat einen Denkfehler. Diesen zeigt die Statistik. Frühbarometer geben derweil gemischte Signale für die weitere Entwicklung am deutschen Jobmarkt.

Gegenläufige Kräfte am Arbeitsmarkt

Gegenläufige Kräfte am Jobmarkt

Potenzial aus zunehmender Teilzeitarbeit kann Fachkräftemangel nur bedingt entgegenwirken

ba Frankfurt

Am deutschen Jobmarkt treffen derzeit eine rückläufige Arbeitskräftenachfrage infolge der Konjunkturflaute sowie der zunehmende Fachkräftemangel aufeinander. Während Frühbarometer gemischte Signale senden und der seit 2013 zu beobachtende Trend zu mehr Teilzeitarbeit anhält, zeigen Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis), dass nicht in sämtlichen Mangelberufen dem Fachkräftemangel mit einer Ausweitung des Arbeitsvolumens von Teilzeitkräften begegnet werden kann, so wie es oftmals empfohlen wird. So ist etwa die Teilzeitquote in der Energietechnik sowie im Bereich Klempnerei, Heizung-, Sanitär- und Klimatechnik, wo Fachkräfte zur Umsetzung der Energiewende gebraucht werden, mit jeweils gut 5% bereits „sehr niedrig“, wie die Statistiker berichten.

„Der Auftragsmangel bremst bei einigen Unternehmen die Neueinstellungen aus“, erklärt Ifo-Experte Klaus Wohlrabe zum Rückgang des Ifo-Beschäftigungsbarometers im April um 0,3 auf 96,0 Punkte. „Bei den Dienstleistern gibt es Branchen, wie Datenverarbeitung oder Tourismus, in denen eingestellt wird.“ Im Handel und in der − vor allem in der energieintensiven − Industrie soll der Personalbestand verkleinert werden. Auf dem Bau ist der Indikator zwar gestiegen, doch zwinge die schlechte Auftragslage, insbesondere im Hochbau, einige Firmen dazu, Jobs abzubauen.

Ökonomen erwarten, dass die saisonbereinigte Arbeitslosigkeit im April zwar um 9.000 Personen zugenommen hat, die Arbeitslosenquote aber bei 5,9% verharrt. Am Dienstag wird die Bundesagentur für Arbeit (BA) die aktuelle Statistik vorstellen.

Das IAB-Arbeitsmarktbarometer wiederum setzte seine im November 2023 begonnene tendenzielle Verbesserung fort. Der Frühindikator des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) stieg im April um 0,2 auf 100,7 Punkte. Beide Teilbarometer zu Beschäftigung und Arbeitslosigkeit legten zu. „Die Arbeitsagenturen erwarten trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation einen stabilen Aufwärtstrend bei der Beschäftigung“, resümierte IAB-Experte Enzo Weber. Auch wenn bis zum Abbau der Arbeitslosigkeit noch ein Stück zu gehen sei: „Aber der Ausblick verbessert sich.“

Ebenso festigte sich das European Labour Market Barometer und verzeichnet im April den dritten Anstieg in Folge um 0,2 auf 100,5 Zähler. Hier legten ebenfalls beide Komponenten zu. „Die Wirtschaft in Europa kämpft sich aus der Flaute. Die Stimmung unter den europäischen Arbeitsmarktservices ist auf dem Weg nach oben“, erklärt Weber. 2023 war die Erwerbstätigkeit in der EU bereits auf einen Rekordwert gestiegen: Mit 195,3 Millionen waren mehr als 75% der 20- bis 64-Jährigen erwerbstätig. Das ist der höchste Anteil seit 2009, seit das Statistikamt Eurostat die Zeitreihe erhebt. Nach dem Rückgang auf 72% im Jahr 2020 infolge der Corona-Pandemie ist die Erwerbstätigkeit konstant gestiegen.

Die höchsten Beschäftigungsquoten unter den 27 Mitgliedstaaten der Europäischen Union verzeichneten die Niederlande (84%), Schweden (83%) und Estland (82%). Die niedrigsten Raten meldeten hingegen Italien (66%), Griechenland (67%) und Rumänien (69%).

Frauen gelten im Übrigen stärker als überqualifiziert als die Männer, das heißt, sie arbeiten häufiger mit Hochschulabschluss in Berufen, die kein so hohes Bildungsniveau erfordern. 2023 lag die Überqualifizierungsquote in der EU bei 22%, davon 21% bei Männern und 23% bei Frauen.

Am höchsten war die Überqualifizierungsquote in Spanien (36%), gefolgt von Griechenland (31%) und Zypern (30%). Am geringsten war sie in Luxemburg (5%), Dänemark und Tschechien (je 13%).

Ein Ungleichgewicht besteht auch hinsichtlich der Arbeitszeit: 2023 arbeiteten 31% der Angestellten hierzulande in Teilzeit, im Jahr zuvor waren es 30%, wie Destatis mitteilte. Während jede zweite Frau einer Teilzeitbeschäftigung nachging, waren es lediglich 13% der Männer.

Wenig überraschend führt bei Frauen oft die Geburt des eigenen Kindes zur Reduktion der Arbeitszeit. So waren 67% aller Mütter mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren teilzeitbeschäftigt, aber nur 9% aller Väter. Bei Beschäftigten ohne Kinder hingegen sind die Unterschiede weniger deutlich: Hier lag die Teilzeitquote von Frauen bei 39% und bei Männern bei 16%.

Bei den vielfältigen Gründen für Teilzeitbeschäftigung machen die Statistiker ebenfalls große Geschlechterunterschiede aus. Denn während 27% der teilzeitbeschäftigten Frauen die Betreuung von Kindern als Grund für die reduzierte Arbeitszeit angaben, traf dies bei Männern lediglich auf knapp 6% zu. Hingegen nannten 24% der teilzeitbeschäftigten Männer eine Aus- oder Fortbildung beziehungsweise ein Studium als ursächlich für die Teilzeitbeschäftigung, wohingegen es bei Frauen 8% waren. „Auch Krankheit oder das fehlende Angebot von Vollzeitjobs können Gründe für Teilzeitarbeit sein“, ergänzten die Statistiker.

Mehr als ein Viertel (27%) der insgesamt 12,2 Millionen Teilzeitbeschäftigten würden allerdings einfach auf eigenen Wunsch weniger arbeiten, ohne dass die genannten Gründe – gesundheitliche Einschränkungen oder andere familiäre Verpflichtungen – eine Rolle spielten. Dabei war hier der Anteil unter Frauen mit 29% etwas höher als unter Männern mit 23%.

Die Wiesbadener Statistiker weisen zudem darauf hin, dass im Kampf gegen den Fachkräftemangel zwar eine Steigerung des Arbeitsvolumens über die Aktivierung von Teilzeitkräften eine gute Idee sein kann, aufgrund der Umstände in den Berufsfeldern aber nicht immer möglich ist. Denn 2023 „wiesen die meisten Mangelberufe für nichtakademische Fachkräfte einen stark unterdurchschnittlichen Teilzeitanteil auf“. Eine Ausnahme bildete der Bereich der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Altenpflege, wo die Teilzeitanteile mit 39% und 43% deutlich über dem Durchschnitt aller Erwerbstätigen (31%) lagen. Gründe hierfür sind laut Destatis nicht nur der sehr hohe Anteil weiblicher Arbeitskräfte, sondern auch die außerordentliche Arbeitsbelastung im Pflegebereich.

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