LeitartikelSchweizer Bankenregulierung

Eine Frage der Gewinnverteilung

Die Schweizer Regierung hat ihre Lehren aus dem Credit-Suisse-Debakel gezogen und eine Lex UBS vorgelegt, die es in sich hat. Deren Schärfe und Präzision erschließt sich dem Publikum allerdings erst auf den zweiten Blick.

Eine Frage der Gewinnverteilung

Lex UBS

Eine Frage der Gewinnverteilung

Die Schärfe und Präzision der UBS-Regulierung erschließt sich dem Publikum erst auf den zweiten Blick.

Von Daniel Zulauf

Seit zehn Tagen liegt ein Vorschlag der Schweizer Regierung auf dem Tisch, wie das Land die Regulierung systemrelevanter Banken nachbessern kann. Aus naheliegenden Gründen baut der Vorschlag stark auf den Erfahrungen mit Credit Suisse auf. Das ist vernünftig, denn der Niedergang der Bank hat die regulatorischen Lücken schonungslos aufgezeigt.

Der Finanzmarkt ahnte was

Lange bevor die Credit-Suisse-Kunden in Scharen damit begannen, ihr Geld aus der Bank abzuziehen, ahnte der Finanzmarkt, dass sich die Bank auf dem Weg zur Insolvenz befinden könnte. Als das letzte Management-Aufgebot den finalen Versuch unternahm, die Bank endlich in die Gewinnzone zu manövrieren, war der Aktienkurs schon so tief gefallen, dass die Ausgabe neuer Aktien nur noch mit einem Abschlag von 30% auf den letzten Kurs möglich war.

Der vorliegende Bericht der Schweizer Regierung zeigt warum: Zu Recht legt er den Fokus nicht auf die Liquidität, sondern auf die schwache Kapitalausstattung der Bank und insbesondere auf deren Stammhaus. Dieses betrieb unterhalb der Konzernholding eigene Bankgeschäfte, vor allem aber hielt es Beteiligungen an Tochtergesellschaften im In- und Ausland, namentlich an den Investmentbanken in den USA und in Großbritannien, deren hohe Bewertung sich als fatal erweisen sollte.

Kein Fokus auf der Kapitalausstattung

Die Kapitalausstattung des Stammhauses stand mindestens in der Zeit, als eine Eskalation der Krise noch nicht absehbar war, weder für die Finanzmarktteilnehmer noch für den Regulator im Vordergrund. Deren Augenmerk galt ganz der Kapitalausstattung des Bankkonzerns auf Gruppenebene, die auch die maßgebende Vergleichsgröße im internationalen Wettbewerb darstellte.

Mit dem Wettbewerbsargument erwirkte die Schweizer Großbank 2019 bei der Finanzmarktaufsicht denn auch eine wesentliche Erleichterung bei der Eigenmittelausstattung. Konkret erlaubte die Finma, dass die Stammhäuser die von ihnen gehaltenen Beteiligungen nur zu 60% der von diesen Beteiligungen selbst ausgewiesenen Eigenmittel unterlegen müssen. Der Rabatt verhindert in einer konsolidierten Gruppenbetrachtung zwar ein regulatorisches Überschießen der Eigenmittelanforderung. Er führt in der gleichen Betrachtung aber auch dazu, dass die Eigenmittel des Stammhauses für den Fall einer Bewertungskorrektur der Beteiligungen nicht ausreichend sein könnten.

Große Abschreibungen wären erforderlich gewesen

Genau dieser Fall war mit der notorisch defizitären Investmentbank der Credit Suisse eingetreten. Die Credit Suisse hätte für eine Schließung oder für einen Verkauf ihrer Investmentbank große Abschreibungen auf ihrem Eigenkapital vornehmen müssen, für die es im Stammhaus aber nicht die nötigen Puffer gab. Die Folge war eine notgedrungene Verschleppung der Sanierung, die letztlich zum Untergang der Bank führte.

Dass die Schweizer Regierung diese Lücke nun schließen und der UBS den Eigenmittelrabatt im Stammhaus vollständig oder mindestens teilweise entziehen will, ist die wichtigste und beste Lehre, die sie aus dem Credit-Suisse-Debakel ziehen konnte. Die Maßnahme wurde in der Schweizer Öffentlichkeit und in der Politik anfänglich als pfleglicher, chirurgischer Eingriff kritisiert. Sie dürfte in ihrer ganzen Dimension zunehmend besser verstanden werden. Zur Entfernung von (regulatorischen) Geschwüren ist das Skalpell ein taugliches Instrument.

15 bis 25 Milliarden Dollar

Immerhin ist inzwischen von 15 Mrd. bis 25 Mrd. Dollar die Rede, welche die UBS an zusätzlichen Eigenmitteln beibringen muss. Das ist ein Vielfaches der jährlichen Ausschüttungen, die sie ihren Aktionären bereits in Aussicht gestellt hat. Damit ändert sich nichts an der Tatsache, dass die UBS ihre ewige Rivalin zu einem Schnäppchenpreis erwerben konnte. Der Regulierungsvorschlag verändert nur die Verteilung dieses Übernahmegewinns zugunsten der Schweiz und ihrer Steuerzahlenden. Zu Recht: Letztlich waren es die Steuerzahlenden, die den Deal möglich gemacht haben. Sie sind nun auch die Ersten, die den besten Schutz vor der nächsten Krise erwarten dürfen.

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