KommentarBig Tech

EU kämpft mit den Krallen eines Papiertigers

Mit ihrer neuen Offensive gegen Big Tech muss die EU zeigen, dass die jüngsten Digitalgesetze brauchbar sind, sonst droht der Verlust der Glaubwürdigkeit.

EU kämpft mit den Krallen eines Papiertigers

Big Tech

Krallen eines
Papiertigers

Von Heidi Rohde

Über Jahre haben sich die EU-Behörden im Kampf gegen Marktmacht und Machtmissbrauch der Technologieriesen abgemüht, ohne mit den überkommenen Instrumenten eines vordigitalen Zeitalters wirklich viel ausrichten zu können. Sie waren oft nicht nur inadäquat – wie etwa im Übernahmerecht, das sich klassischerweise an Umsatz- und Gewinnmarktanteilen orientiert und damit der Bedeutung von vermeintlichen Mini-Deals angesichts der Kombination von innovativen Start-ups mit der globalen Skalierungspower von Big Tech nicht gerecht werden kann. Sie waren auch unwirksam aufgrund ihres konzeptionell angelegten Nachteils von langen Ermittlungsverfahren und im buchstäblichen Sinne Ex-post-Eingriffen, die die Folgen von Wettbewerbsverzerrungen oft gar nicht mehr eindämmen konnten.

Um hier endlich das Heft des Handels wiederzuerlangen, hat die Gemeinschaft zwei umfassende digitale Gesetze, den Digital Markets Act (DMA) und den Digital Services Act (DSA), verabschiedet. Mit ihrem Verfahren, das mit Apple, Alphabet und Meta gleich drei Technologieschwergewichte aufs Korn nimmt und damit zugleich eine ganze Reihe von Verfehlungen mit Blick auf den DMA adressiert, zeigt die Kommission, dass sie gewillt ist, das seit Anfang März geltende Gesetz umgehend mit Leben zu erfüllen.

Selbst hohe Geldstrafen entfalten wenig Abschreckung

Damit fährt sie indes zunächst nur die Krallen eines neuen Papiertigers aus. Ob das neue Gesetz dazu taugt, Big Tech tatsächlich in die Schranken zu weisen, wird sich vor allem an zwei Dingen entscheiden: zum einen an der Frage, ob die Bestimmungen so präzise sind, dass die Behörden einen Verstoß in vertretbarer Zeit abklopfen können. Zum anderen daran, dass die Beurteilung der Kommission vor Gericht standhält. Auch daran hat es in den vergangenen Jahren wiederholt gemangelt. Nach endlosen Verfahren wurden Verstöße mit hohen Geldstrafen geahndet, die dann noch später vor Gericht wieder kassiert wurden.

Darüber hinaus ist seit langem offensichtlich, dass ein primär finanzielles Sanktionsinstrument, auch in vermeintlich empfindlicher Höhe gemessen am Umsatz, angesichts milliardenschwer gefüllter Kassen bei den Technologieriesen ohnehin wenig Abschreckung entfaltet. Um dem DMA wirklich Schlagkraft zu verleihen und einen Verlust an Glaubwürdigkeit zu vermeiden, muss die EU auch hier neue Wege gehen.

Mit ihrer neuen Offensive gegen Big Tech muss die EU zeigen, dass die jüngsten Digitalgesetze brauchbar sind, sonst droht der Verlust der Glaubwürdigkeit.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.