LeitartikelGeldmarktfonds

Flüchtige Cash-Reserven

Die Rekord-Assets von Geldmarktfonds bilden eine weniger sichere Stütze für die Märkte als vielfach angenommen. Sowohl auf den Markt für US-Staatsanleihen als auch auf jenen für Commercial Papers rollen gewaltige Herausforderungen zu.

Flüchtige Cash-Reserven

Geldmarktfonds

Flüchtiges Cash

Die Rekord-Assets von Geldmarktfonds bilden eine weniger sichere Stütze für die Märkte als vielfach angenommen.

Von Alex Wehnert

Investoren, die sich auf das vielbesungene „Cash on the Sidelines“ verlassen, droht im laufenden Jahr noch ein böses Erwachen. Denn dass die rekordhohen in Geldmarktfonds geparkten Mittel – laut dem Branchenverband Investment Company Institute belaufen sie sich derzeit auf rund 6 Bill. Dollar – wirklich anhaltend eine Stütze für die globalen Finanzmärkte bilden, ist weitaus weniger sicher, als viele Anleger wahrhaben wollen.

So ist die Teilnahme an der Overnight Reverse Repurchase Facility (ON RRP) der Federal Reserve eingebrochen. Beliefen sich die täglichen Transaktionsvolumina in dem Programm, das dem amerikanischen Staat eine Begrenzung seiner Finanzierungskosten ermöglicht, Mitte 2023 noch auf mehr als 2 Bill. Dollar, sind sie zuletzt auf deutlich unter 500 Mrd. Dollar abgesackt. Die New Yorker Vertretung der DZ Bank rechnet damit, dass die Beteiligung nun gegen null tendiert. Damit fällt ein Liquiditätspolster weg, das den Märkten zuletzt geholfen hat, Rekordemissionen an US-Treasuries zu verdauen. Denn Geldmarktfonds als größte Teilnehmer der ON RRP finden inzwischen in anderen Marktsegmenten attraktivere Gelegenheiten – in der Folge drohen nun höhere Zinsen und eine steigende Volatilität bei US-Staatsanleihen.

Neue Liquiditätsregeln für Fonds

Über die Zinsentwicklung im Gesamtmarkt hat dies auch Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung. Emittenten von Commercial Papers steuern indes auf zusätzliche Herausforderungen zu. Denn die US-Wertpapieraufsicht SEC hat neue Liquiditätsregeln für institutionelle Prime-Geldmarktfonds beschlossen, die im Oktober in Kraft treten sollen. So sollen Investoren künftig eine Pflichtgebühr bezahlen, wenn sie in Marktphasen Mittel aus diesen Vehikeln abziehen, in denen das Volumen der täglichen Auszahlungen 5% der jeweiligen Gesamt-Assets überschreitet. Die Option, Rücknahmen von Anteilen temporär auszusetzen, besitzen die Prime-Fonds dann nicht mehr.

Mit den neuen Regeln will die SEC Runs wie in den Anfangstagen der Corona-Pandemie verhindern – damals mussten Geldmarktfonds nach heftigen Mittelabflüssen in großem Stil Assets unter Wert verkaufen, was den verbleibenden Investoren hohe Verluste bescherte. Doch die Aufsicht, die sich auch bei Regulierungsprojekten in anderen Assetklassen mit blindem Aktionismus hervortut, hat wieder einmal zu kurz gedacht.

Anbieter machen Vehikel dicht

Denn durch die Reform wird das Segment der institutionellen Prime-Geldmarktfonds mitnichten liquider. Im Gegenteil: Weil es für Cash-Manager infolge der neuen Zwangsgebühren auf Rücknahmen deutlich komplizierter und langfristig kostenintensiver wird, die Vehikel zu betreiben, wollen sich viele Anbieter zurückziehen. Zuletzt haben Adressen wie Vanguard bereits angekündigt, ihre Prime-Produkte dichtzumachen oder in Fonds anderer Klassen umzuwandeln. Betroffen sind bisher Vehikel mit einem Gesamtvolumen von mehr als 220 Mrd. Dollar – also rund ein Drittel des Marktsegments. Bank of America geht davon aus, dass dies noch nicht das Ende der Welle darstellt.

Damit schrumpft eine zentrale Käufergruppe im amerikanischen Markt für kurzlaufende unbesicherte Inhaberschuldverschreibungen. Der resultierende Nachfragerückgang dürfte Finanzinstituten, Industrie- und Handelsunternehmen der höchsten Bonitätsstufe – also den Hauptemittenten von Commercial Papers – die Finanzierung erschweren und die Kosten hochtreiben.

Hoher Refinanzierungsdruck

Dies ist insofern besonders bedenklich, als das Vertrauen in die Kreditqualität im gesamten amerikanischen Finanzmarkt bedeutend gelitten hat. Das Corporate-Bond-Segment steuert beispielsweise auf eine „Wall of Worry“ zu, ab dem laufenden Jahr müssen Anleihen im Billionenwert zu höheren Zinsen refinanziert werden. Die Hoffnungen der Marktteilnehmer ruhen darauf, dass sich genügend Cash in der Hinterhand befindet, um den Bedarf zu stemmen. Ob sich dies erfüllt, dürfte allerdings entscheidend von der Konjunktur abhängen. Die US-Wirtschaft ist im ersten Quartal bereits deutlich langsamer gewachsen als zuletzt. Lässt der Optimismus noch nach, dürfte das Cash dort bleiben, wo es ist – „on the Sidelines“.

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