Sieben magere Jahre

Stiftungsvermögen auch im Niedrigzinsumfeld sicher, ertragsorientiert und nachhaltig anlegen

Sieben magere Jahre

Bernhard MatthesLeiter Portfoliomanagement der Bank für Kirche und Caritas (BKC)In Deutschland gibt es laut Bundesverband Deutscher Stiftungen fast 23000 rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts, deren überwiegende Mehrheit einen gemeinnützigen Zweck verfolgt. Sie engagieren sich vorwiegend im sozialen Bereich, aber auch in Wissenschaft und Forschung, Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur sowie im Umweltschutz. Durch die Niedrig- und Nullzinspolitik der Notenbanken, insbesondere der EZB, sind die meisten gemeinnützigen Stiftungen in einer schwierigen, teils gar existenzbedrohenden Lage. Laut dem aktuellen Stiftungspanel des Bundesverbands Deutscher Stiftungen erwarten knapp 40 % der Stiftungen eine Rendite unterhalb der Inflationsrate. Dies macht es ihnen schwer, die Erträge zu erzielen, die sie zur Erfüllung ihres Stiftungszwecks benötigen – wenn sie ihre Anlagestrategie nicht anpassen. Nach vielen Jahren auskömmlicher Renditen am Kapitalmarkt haben nun vermutlich die “sieben mageren Jahre” begonnen. Die Ertragslage bei für Stiftungen üblichen Asset-Klassen – festverzinsliche, langlaufende Wertpapiere oder Cash-Positionen – ist bei weitem nicht mehr ausreichend. Der Kapitalerhalt wird vielfach schwierig bis unmöglich. Stiftungen mit bislang geringer Risikoaffinität benötigen jetzt eine neue Anlagestrategie, um handlungsfähig zu bleiben. Wesentlich ist die Entwicklung eines breiteren Anlagespektrums, welches das spezifische Risikoprofil und den langen Anlagehorizont von Stiftungen beachtet und gleichzeitig das Gebot des Kapitalerhalts und die Ertragsorientierung berücksichtigt. Die mageren Ertragsaussichten erfordern eine aktivere Bewirtschaftung des Portfolios. Im Aktienbereich kann man mit konsequenter Value-Disziplin in generell teuren Märkten in der zweiten oder dritten Reihe noch werthaltige Investitionen aufspüren, die mit stabilen Dividenden zum Gesamtertrag beisteuern. Insgesamt werden jedoch die traditionellen Risikoarten, sprich Zins- und Aktienrisiko – mit hoher Korrelation untereinander – am stärksten unter notwendigen Bewertungskorrekturen leiden, sollte eine Normalisierung der Geldpolitik bzw. eine Rückabwicklung der ultraexpansiven Maßnahmen der letzten Jahre erfolgen. Besser gerüstet für die zu erwartenden Unbilden ­einer geldpolitischen Wende dürften Stiftungen mit marktunabhängigen Risikoprämien sein. Alternative Anlagen wie beispielsweise Edelmetalle, Absolute-Return-Strategien, Mikrofinanzen oder ILS (Insurance Linked Securities) können zu Portfoliobausteinen zählen, mit denen sich die zu erwartende Ertragsdürre besser überbrücken lässt. Zwar belasten einige dieser Strategiealternativen das Ausschüttungspotenzial zunächst zusätzlich. Eine intelligente Einbindung in die Gesamtportfoliosteuerung kann jedoch risikoadjustiert stabilere Renditepfade ermöglichen, gerade wenn traditionelle Portfoliobausteine simultan unter Druck geraten. Immer wieder als Vorbild angeführt werden in diesem Kontext die Investmentportfolien der Stiftungsfonds großer US-Universitäten. Das unorthodoxe Anlageverhalten der Investmentmanager von Harvard oder Yale konnte beachtliche Erfolge erzielen, wobei gerade auch der lange Anlagehorizont die Vereinnahmung von Illiquiditätsprämien erlaubt.Für Möglichkeiten eines höheren laufenden Ertrags im Zinsbereich sollten Stiftungen den Blick auch auf außereuropäische Märkte richten. Entgegen der allgemeinen Wahrnehmung, Schwellenländer seien per se risikoreicher, muss eine sorgfältige Analyse vielfach zum Schluss kommen, dass einige Länder heute ökonomisch, fiskalisch und ihrer institutionellen Qualität nach deutlich zukunftsfähiger aufgestellt sind als manch hoch verschuldeter Staat der Eurozone. Viele dieser Länder haben aus den Krisen der 1980er und 90er Jahre die richtigen Konsequenzen gezogen und ambitionierte Strukturreformen umgesetzt, die heute Wirkung zeigen. Auch sind Währung und Zins seltener Markteingriffen der Notenbanken ausgesetzt, sodass man vielfach schon von freieren Märkten sprechen muss. Die Verschuldung ist oft tragfähiger und wichtige Rahmenbedingungen haben sich weiter verbessert. Viele Schwellenländer sind mit verbesserten Leistungsbilanzen auch krisenresistenter geworden. Eine geringere Markttiefe und immer noch hohe Anfälligkeit für internationale Kapitalflüsse führen in Krisenphasen gewiss noch immer zu einer höheren Schwankungsanfälligkeit, wie zuletzt über den Sommer 2018. Für langfristig orientierte Anleger wie Stiftungen, die eine erhöhte Toleranz gegenüber kurzfristigen Schwankungen aufweisen, bieten sich aber gerade dann günstige Einstiegsgelegenheiten in qualitativ bessere Märkte. Grundsätzlich sollte die Investmentstrategie gemeinnütziger Stiftungen deren ethische, konfessionelle oder weltanschauliche Grundhaltung widerspiegeln. Die treuhänderische Sorgfaltspflicht wertorientierter Investoren gebietet es ihnen, Nachhaltigkeitsanforderungen in sinnvolle ethisch-nachhaltige Anlagekriterien zu transformieren. Mit einer ethisch-nachhaltigen Anlagestrategie vermindern Stiftungen ihre Reputationsrisiken und vermeiden Konflikte zwischen dem formulierten Stiftungszweck und der Mittelerwirtschaftung. Darüber hinaus führt die Einbeziehung von Nachhaltigkeits- und Entwicklungsindikatoren in den Investmentprozess zu robusteren Anlageentscheidungen. Im Rentenbereich helfen ESG-Kriterien, Staaten mit gesunden Institutionen sowie hohen regulatorischen und rechtsstaatlichen Standards zu identifizieren. Für die Auswahl investierbarer Unternehmen ist es sinnvoll, neben Ausschlusskriterien (z.B. die Herstellung von Rüstungsgütern oder Atomwaffen, die Duldung bzw. Förderung von Zwangs- und Kinderarbeit) zusätzlich Positiv- und Negativkriterien anzuwenden. Hierzu gehören beispielsweise der faire Umgang mit Stakeholdern, anerkannte Sozial- und Arbeitsstandards, wirksame Umweltmanagementsysteme sowie die Beachtung von Ethikkodizes und transparente Berichterstattung. Aus den Positiv- und Negativkriterien ergibt sich ein Nachhaltigkeitsranking, das darlegt, wie nachhaltig oder nicht nachhaltig sich ein Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenz verhält. Das Aussortieren der schwächsten Unternehmen kann im Ergebnis eine Risikominimierung zur Folge haben.