Disput mit Stellantis

Giorgia Meloni schaltet auf Angriff

Italiens Premierministerin Giorgia Meloni schaltet auf Angriff gegenüber Stellantis-CEO Carlos Tavares. Sie kritisiert, dass neue Modelle nicht mehr in Italien gebaut werden, obwohl Rom der Branche mit Hilfen unter die Arme greift.

Giorgia Meloni schaltet auf Angriff

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bl Mailand

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bl Mailand
Von Gerhard Bläske, Mailand

Der Streit zwischen der italienischen Regierung und dem französisch dominierten Autokonzern Stellantis eskaliert zusehends. Bereits vor einigen Tagen hatte die italienische Premierministerin Giorgia Meloni (47) heftige Kritik an der Familie Elkann/Agnelli, die über die Holding Exor Großaktionär von Stellantis ist, geübt. Sie warf den früheren Fiat-Eignern den Ausverkauf von Fiat Chrysler an die Franzosen vor. Nun legte sie im Parlament nach: Die angebliche Fusion von Peugeot Citroën Opel und Fiat Chrysler sei in Wirklichkeit eine Übernahme durch die Franzosen gewesen. Der ehemalige Fiat-Konzern sei Teil des ökonomischen Erbes und der Industriegeschichte Italiens. Man müsse den Mut haben, die Entscheidungen des Managements zu hinterfragen, wenn diese den Interessen Italiens widersprächen. Meloni kritisierte die Verlegung des Steuersitzes von Stellantis ins Ausland (in die Niederlande). Angesichts der Präsenz des französischen Staates als Aktionär und im Verwaltungsrat sei es kein Zufall, dass französische Interessen Vorrang gegenüber italienischen hätten.

Meloni versucht, mit nationalistischen Parolen bei ihren Anhängern zu punkten. Fakt ist jedoch, dass die Autoproduktion in Italien in den letzten Jahren massiv gesunken ist. Das Fass zum Überlaufen brachte aus italienischer Sicht, dass der geplante Elektro-Panda in Serbien, der neue Fiat 600 in Polen, der Fiat Topolino in Marokko und ein neuer Alfa-Romeo-SUV ebenfalls in Polen und nicht in Italien gebaut werden. Seit der Übernahme 2021 sind in Italien 7.500 Arbeitsplätze weggefallen. Weitere 10.000 bis 15.000 sollen gestrichen werden. Ende 2023 wurde das Werk in Turin-Grugliasco geschlossen.

Millionenkredite in der Coronakrise

Der Ärger in Italien ist auch deshalb so groß, weil Rom Fiat Chrysler in der Coronakrise mit Milliardenkrediten aus der Klemme half. Und von den bisherigen Anreizen zum Kauf schadstoffarmer oder lokal schadstofffreier Fahrzeuge profitierten vor allem Modelle, die nicht in Italien produziert worden sind. Allerdings gibt es nur wenige Hybrid- und Elektroautos aus Italien.

Industrieminister Adolfo Urso verhandelt seit vielen Monaten mit Stellantis über eine Erhöhung der Produktion in Italien auf über eine Million Pkw und leichte Nutzfahrzeuge pro Jahr bis 2030. 2023 waren es 752.000 Einheiten, immerhin 9,6% mehr als 2022. Doch Stellantis plant nach Ursos Informationen weitere Produktionsverlagerungen nach Marokko. Dabei hat Rom die Kaufanreize für Elektro- und Hybridfahrzeuge nicht zuletzt auf Wunsch von Stellantis deutlich erhöht, um die Produktion in Italien zu verstärken.

Stellantis-CEO Carlos Tavares ging das alles viel zu langsam. Er beklagt, dass Rom dafür neun Monate brauchte, „verlorene Zeit“, wie er findet. Er verweist auf Investitionen etwa im Werk Atessa in den Abruzzen, wo leichte Nutzfahrzeuge der Marken Peugeot, Fiat, Citroën und Opel produziert werden, und eine geplante Batteriefabrik im süditalienischen Termoli. Deren Bau ist aber bisher offiziell nicht bestätigt. Die Stimmung dürfte angespannt bleiben.