Trotz Standortschwächen

Maschinenbaupräsident hält nichts von Untergangsdebatten

Die deutschen Industrieverbände sind mit den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa noch lange nicht zufrieden, wie auf der Hannover Messe erneut deutlich wurde. Untergangsdebatten sind aus Sicht von VDMA-Präsident Karl Haeusgen aber auch "fehl am Platz".

Maschinenbaupräsident hält nichts von Untergangsdebatten

Industrie fordert Reformen

Maschinenbaupräsident hält nichts von Untergangsdebatten – Konjunktureller „Silberstreif“ am Horizont

kro Frankfurt

Vor der im Juni anstehenden Europawahl werden aus der deutschen Industrie Rufe nach mehr Konstruktivität in den Diskursen um die hiesige Standortattraktivität laut. „Das wirtschaftliche und politische Umfeld ist aktuell wirklich sehr, sehr herausfordernd“, sagte der Präsident des deutschen Maschinenbauverbands VDMA, Karl Haeusgen, auf der Hannover Messe. Untergangsdebatten seien aber "sicherlich fehl am Platz“. Für die Politik in Berlin und Brüssel gehe es nun darum, die Bedingungen so zu gestalten, dass wieder mehr Investitionen in Deutschland und Europa getätigt werden.

Um das zu erreichen, müsse laut BDI-Präsident Siegfried Russwurm an drei konkreten Punkten angesetzt werden, bei denen derzeit ein besonderer industriepolitischer Reformbedarf bestehe. „Wir brauchen wettbewerbsfähige und vor allem langfristig planbare Energiepreise“, benannte der ehemalige Siemens-Vorstand den ersten Punkt und forderte in dem Zusammenhang eine Konkretisierung der angekündigten Wasserstoff- und Kraftwerksstrategie.

Gleichzeitig müsse die Bundesregierung Stromnetzentgelte deutlich senken, damit die Stromkosten für Unternehmen insgesamt zurückgehen. „Die gesunkenen Börsenstrompreise für die Erzeugung dürfen allein nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Systemkosten für den Strom auf absehbare Zeit hoch bleiben werden“, sagte Russwurm. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte seinerseits auf der Eröffnungsfeier der Hannover Messe erklärt, dass der Bund bereits milliardenschwere Entlastungen für energieintensive Unternehmen auf den Weg gebracht habe. „Aktuell sprechen wir in der Bundesregierung darüber, wie wir diese Entlastungen fortschreiben können“, sagte Scholz.

Handlungsbedarf besteht aus Sicht der Industrie darüber hinaus auch noch in Sachen Bürokratie und Steuerbelastung. Das Bürokratieentlastungsgesetz IV sei kein „überfälliger Befreiungsschlag für Unternehmen“, konstatierte Russwurm. Es brauche daher ein Folgegesetz, „das dann wirklich signifikante Verbesserungen bringen muss“. Die in Deutschland geltende Unternehmensbesteuerung von knapp 30% müsse zudem dem EU-Durchschnitt von rund 21% zumindest angenähert – also wenigstens auf 25% gesenkt werden. Der bisherige Satz sei ein „negativer Standortfaktor“.

Keine kurzfristige Erholung erwartet

Als Schwarzmalerei will Russwurm seine Ausführungen zwar nicht verstanden wissen. Es sei aber ein „realistisches Eingehen auf die Fakten“, die, so der BDI-Präsident, „sind ,wie sie sind“. Demnach sei auch im laufenden Jahr mit einem neuerlichen Rückgang der deutschen Industrieproduktion von 1,5% im Vergleich zum Vorjahr zu rechnen. 2023 belief sich das Minus bereits auf 0,5%. Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung, die Industrieproduktion und das Exportgeschäft dürften sich nach Einschätzung des Verbands erst ab dem kommenden Jahr wieder etwas festigen. Niedrigere Zinsen seien zudem schon für das zweite Halbjahr 2024 zu erwarten. „Es gibt so einen Silberstreif am Horizont“, sagte Russwurm.

Produktionsminus erwartet

In der Maschinenbaubranche, dem größten industriellen Arbeitgeber Deutschlands, wird für das laufende Jahr ein noch deutlicheres Produktionsminus erwartet als in der Gesamtindustrie. Der VDMA prognostiziert hier weiter einen Rückgang von 4% zum Vorjahr. Im Zuge der weltweiten konjunkturellen Flaute und Investitionsunsicherheit waren die Auftragseingänge in der Branche 2023 insgesamt um 12% zurückgegangen und damit nochmal deutlich stärker als schon im Vorjahr, wo sich das Minus auf 4% belief.

„Die Belastungsfaktoren sind unverändert spürbar“, sagte Haeusgen. „Insbesondere die große Verunsicherung unserer Kunden verhindert mehr Investitionen und damit mehr Aufträge für den Maschinen- und Anlagenbau.“ Zumindest bei den Auslandsbestellungen scheine die Talsohle aber erreicht zu sein, da Frühindikatoren ein Ende der Talfahrt des internationalen Industriezyklus signalisieren würden.

EU setzt auf mehr Partnerschaften und Abkommen

Mit Blick auf die Europawahl erinnerte Haeusgen daran, wie stark Deutschland und Europa von einem EU-Binnenmarkt profitiert hätten, „der auf festen demokratischen Werten beruht“. Es gehe nun darum, „diese demokratische freiheitliche Ordnung an der Wahlurne zu verteidigen“. Der wachsende Rechtspopulismus in Deutschland mache ihm zudem Sorgen, da damit „das gesamte Erfolgsmodell Europas und damit auch der Industrie in Frage gestellt“ werde.

Dem Problem chinesischer Subventionspraktiken, die das Erfolgsmodell Europas in bestimmten Zukunftsbereichen wie Solartechnik, Elektroautos oder Windenergie ebenfalls in Frage stellen, will man auf EU-Ebene künftig mit einer härteren wettbewerbsrechtlichen Gangart begegnen. „Wir werden gegenüber unseren Partnern stärker als früher auf faire Wettbewerbsbedingungen für unsere Unternehmen drängen“, versprach EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Wo wir Missbrauch sehen, werden wir nicht zögern, unsere Abwehrinstrumente einzusetzen.“

Die EU habe einen offenen Ansatz beim Handel und 74 Handelsabkommen mit aller Welt abgeschlossen. „Zugleich sehen wir die Wolken am Horizont. Zum Beispiel, dass massive Subventionen an Hersteller von Elektrofahrzeugen in China fließen“, fügte sie hinzu. „Und, dass sich andere Märkte bereits dagegen abschotten, beispielsweise die USA, Mexiko oder die Türkei.“ Die Kommissionspräsidentin bekannte sich in dem Zusammenhang zum Abschluss weiterer Handelsabkommen und Partnerschaften. Ziel sei es, die Versorgung der EU etwa bei kritischen Rohstoffen oder sauberem Wasserstoff zu diversifizieren.


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