Übernahme

RWE behält trotz Krise die Strategie im Blick

Ein „perfect match“ ist RWE mit der Übernahme von Con Edison Clean Energy gelungen. Dafür erhält der Energiekonzern den Corporate Finance Award in der Kategorie M&A.

RWE behält trotz Krise die Strategie im Blick

Von Annette Becker, Düsseldorf

Krise hin oder her – mit der Übernahme des Geschäfts mit erneuerbaren Energien von Con Edison ist RWE strategisch ein großer Wurf gelungen. Auf einen Schlag haben sich die Deutschen zum viertgrößten Stromerzeuger aus Wind- und Solarenergie in den USA gemausert. „Wir wollten in unseren drei Kernmärkten eine marktführende Position einnehmen. In Großbritannien und der Europäischen Union hatten wir das, in den USA rangierten wir bislang aber zwischen Platz fünf und zehn“, erläutert RWE-Chef Markus Krebber im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Doch nicht nur regional ist RWE mit der 6,8 Mrd. Dollar schweren Übernahme die Diversifizierung des Portfolios gelungen. Auch technologisch ist der Mix im US-Geschäft nun ausgewogener. Die auf Solarenergie spezialisierte Con Edison Clean Energy lässt den Fotovoltaik-Anteil am RWE-Erzeugungsportfolio jenseits des Atlantiks von 3 % auf 40 % hochschnellen, umgekehrt verringert sich der Windanteil von 96 % auf 59 %. Hinzu kommt, dass RWE nun alle für das Unternehmen relevanten US-Bundesstaaten abdeckt.

Last but not least lockt in Übersee das Förderprogramm für die Energiewende, auch wenn das kein Impulsgeber für die Transaktion war. „Der Inflation Reduction Act – er wurde beschlossen als die Due Diligence schon lief – hat die Transaktion noch attraktiver gemacht“, verdeutlicht Krebber.

Das Förderprogramm zeichnet sich durch Schlichtheit und Pragmatismus aus. Also genau jene Punkte, die in Europa und Deutschland quer durch alle Branchen dringend angemahnt werden. „Die richtige Schlussfolgerung aus dem IRA ist nicht, dass wir noch mehr Förderung brauchen. Es muss stattdessen schneller und einfacher gehen“, bringt es der RWE-Chef auf den Punkt.

Dass im IRA auf Steuerbegünstigungen gesetzt wird, ist keineswegs neu. Neu ist aber die mit zehn Jahren lange Laufzeit des Programms, die für die viel beschworene Investitionssicherheit sorgt. Denn die bisherigen US-Programme zur Förderung von erneuerbaren Erzeugungskapazitäten hatten in der Regel nur Laufzeiten von zwei Jahren und niemand wusste, ob es anschließend eine Verlängerung gibt. Bei Infrastrukturinvestitionen mit mehrjährigen Vorlaufzeiten ist das besonders misslich. Die US-Regierung hat das Problem erkannt und gehandelt. Das Förderprogramm läuft jetzt nach zehn Jahren aus oder wenn der Stromsektor im Vergleich zu 2022 um 75 % dekarbonisiert ist.

Wetterfühlig

Gerade im Geschäft mit erneuerbaren Energien kommt der Ausgewogenheit des Portfolios eine besondere Bedeutung zu, da die klimatischen Bedingungen von Region zu Region variieren und kein Landstrich vor Extremwetter gefeit ist. Das hatte RWE erst 2021 schmerzhaft zu spüren bekommen als ein Eissturm in Texas gleich zu Jahresbeginn die Prognose sprichwörtlich verhagelte.

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Größe hat nach Einschätzung des RWE-Chefs aber auch einen Wert an sich, weil sie „Vorteile im Einkauf“ bringt. Ob Wind- oder Solarpark, alle Bauteile einer Anlage kauft RWE extern und zumeist lokal ein. Wer mehr bestellt, bekommt in der Regel bessere Stückpreise. Von Protektionismus, der im IRA angelegt sei, will Krebber in diesem Zusammenhang jedoch nichts wissen: „Wir Europäer tun uns keinen Gefallen, wenn wir sagen, die Amerikaner versuchen uns mit dem Inflation Reduction Act unfairen Wettbewerb zu machen. Jede Region muss massiv investieren, jede Region wird davon in Form zusätzlicher Arbeitsplätze profitieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass aufgrund des IRA plötzlich massiv Solarpanels und Batteriemodule aus den USA nach Europa importiert werden. Die braucht Amerika selbst.“

Investition on Top

Nun ist es eine Sache, sich strategisch breiter aufstellen zu wollen. Eine andere ist es, den passenden Zeitpunkt zu erwischen. In dieser Hinsicht war 2022 alles andere als perfekt, bestimmte doch die mit dem Krieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise das Geschehen. „Uns war 2022 sehr wichtig, trotz des Krisenmanagements die Kernstrategie nicht aus den Augen zu verlieren“, begründet der einstige McKinsey-Berater die Kaufentscheidung.

Wird weithin befürchtet, dass der IRA die USA im Wettbewerb der Regionen nach vorne katapultiert, weil Investitionen aus Europa in die USA verlagert werden, spielten derartige Erwägungen für RWE keine Rolle. Im Gegenteil: „Wir wollten unseren europäischen Stakeholdern zu verstehen geben, dass wir keine Investitionsmittel in die USA verlagern, sondern dass wir das zusätzlich machen und dafür frisches Eigenkapital in die Hand nehmen“, verdeutlicht Krebber und erklärt, warum RWE trotz Nettokasseposition auch frisches Eigenkapital zur Finanzierung heranzog: „Wenn man das Unternehmen vergrößern will, kann man nicht nur auf Fremdkapital setzen.“

Allerdings luden die Rahmenbedingungen am Kapitalmarkt im Krisenjahr 2022 nicht gerade zu großvolumigen Kapitalmaßnahmen ein. RWE machte aus der Not eine Tugend und setzte von Anfang an darauf, den Kauf und die Finanzierung zeitlich zu synchronisieren. „Die Finanzierungsseite bei der Ankündigung offenzulassen, hätte uns einem zu großen Risiko ausgesetzt“, verdeutlicht der RWE-Chef.

Suche in Katar erfolgreich

Von daher machten sich die Essener beizeiten auf die Suche nach ein oder zwei Investoren, die bereit wären, die 2,4 Mrd. Euro schwere Kapitalerhöhung alleine zu stemmen. Fündig wurde RWE in Katar. Es bedurfte wohl keiner besonderen Überredungskünste, um den Staatsfonds Qatar Investment Authority (QIA) vom Einstieg zu überzeugen. Umgekehrt hatte sich RWE zuvor bei befreundeten Unternehmen schlaugemacht, wie sich die QIA als Investor verhält. Das Feedback sei durchweg positiv gewesen.

Ein beschleunigtes Bookbuilding-Verfahren kam nicht in Frage, da eine Kapitalerhöhung ohne konkreten Investitionszweck bei den Investoren zu viele Fragen aufwirft, die nicht beantwortet werden können. Wird die Kapitalmaßnahme dagegen zusammen mit der Kaufabsicht annonciert, schlägt die Aktie den Weg nach Süden ein.

Im Fall Con Edison war das anders: „Das ist die einzige Kapitalerhöhung, die ich in meiner Karriere realisiert habe, bei der der Aktienkurs gestiegen ist“, freut sich Krebber noch heute. Dass bei der Finanzierung der Umweg über eine Pflichtwandelanleihe genommen wurde, war einzig der Tatsache geschuldet, dass es um eine Transaktion in den USA ging und die Hauptbeteiligten mit RWE und QIA zwei nicht US-amerikanische Parteien waren, die folglich grünes Licht von dem für Investitionskontrollen zuständigen Ausschuss CFIUS benötigten. Mit der Freigabe in den USA tauschte die QIA den Mandatory am 15. März dieses Jahres in 67,6 Millionen Aktien, entsprechend einem Anteil am Grundkapital von 9,1 %. Wenige Tage zuvor, am 1. März, hatte RWE die Übernahme nur fünf Monate nach der Ankündigung abgeschlossen.

Kritik zurückgewiesen

Kritik am Investor QIA lässt Krebber nicht gelten, unabhängig davon, dass Katar in eine Korruptionsaffäre im EU-Parlament verstrickt ist. Dieser Fall müsse politisch aufgearbeitet werden, meint der RWE-Chef und fügt an, dass der Staatsfonds ein höchst seriöser Investor sei. Nicht nur in Deutschland sind die QIA und ihre Tochtergesellschaften an Deutsche Bank, Volkswagen, Porsche, Hapag-Lloyd u.a. beteiligt, auch in Großbritannien, Italien oder Frankreich sind die Kataris ein gern gesehener Investor. „Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass wir Europäer in Katar viel Geld ausgeben, um Energie einzukaufen, es aber befremdlich finden, wenn dieses Geld zur Finanzierung der Energiewende an uns zurückfließt“, argumentiert Krebber.

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