Notiert inFrankfurt

Ursache und Wirkung

Hausbesetzer, Bahnstreik, Wutbauern: Diverse Interessengruppen nutzen die Frankfurter City in jüngster Zeit als Bühne für ihre Proteste. Deren Wirkung fällt allerdings höchst unterschiedlich aus.

Ursache und Wirkung

Notiert in Frankfurt

Ursache und Wirkung

Von Lutz Knappmann

Eine der einfachsten mathematischen Grundregeln lautet: Minus mal Minus ergibt Plus. So gesehen haben sich die negativen Vorzeichen für viele Berufspendler in der Mainmetropole an diesem Donnerstag offenbar gegenseitig aufgehoben. Merke: Lokführerstreiks mal Bauernproteste gleich: erstaunliche Ruhe – mal abgesehen vom kurzfristigen Hupkonzert. Wer angesichts von Bahn-Tarifstreit, Bauern-Demo und Traktor-Sternfahrt die Verkehrsapokalypse voraussah, hat die Rechnung offenbar ohne die moderne und pragmatische Homeoffice-Kultur gemacht.

Angesichts absehbarer logistischer Hürden entschieden sich viele Beschäftigte für das nervenschonende Büro daheim, statt den potenziell beschwerlichen Weg in ihre Innenstadtbüros anzutreten. Selten waren die Straßen an einem Donnerstagmittag im Herzen der Finanzmetropole ruhiger, die Kreuzungen stauärmer und die Fußgänger-Übergänge leerer als am größten Protesttag des noch jungen Jahres.

An jedem Einkaufssamstag sorgen die shoppingaffinen Frankfurter mit ihren Autokolonnen und Parkhausschlangen für größeres Chaos. Jeder Zentimeter Neuschnee löst downtown größere Verzögerungen im Betriebsablauf aus. Wenn Wutbauern und Lokomotivbremser bei der Frankfurter Arbeitsbevölkerung mit ausgeprägter Emotionalität oder gar Solidarität gerechnet hatten, erlebten sie eine Enttäuschung. Am Ende haben sich die beiden Großproteste an diesem Tag gegenseitig nivelliert.

Noch bis Anfang April zeigt das Historische Museum in Frankfurt Bilder der Fotografin Barbara Klemm. Ein wunderbarer und anekdotenreicher Blick in die politisch überaus bewegte Vergangenheit der Stadt. Einige Fotos zeigen Szenen aus den Zeiten des Frankfurter Häuserkampfes in den frühen 70er Jahren, als die Hausbesetzerszene im Protest gegen rasant steigende Mieten ihre Hochzeit erlebte.

Wie eine Zeitreise fühlte sich dementsprechend die Szenerie an jenem Dezembermorgen 2023 an, als die Polizei im Stadtteil Bockenheim damit begann, die von Aktivisten besetzte Druckerei Dondorf zu räumen. Vor der glitzernden Silhouette der Frankfurter Bürotürme und angesichts allen Realitäten rettungslos enteilter Mietpreise ist diese Form des Protests in der deutschen Finanzhauptstadt mittlerweile alles andere als alltäglich.

Das historische Druckereigebäude am Rande der Frankfurter Universität sollte einem Neubau der Max-Planck-Gesellschaft weichen. Die Pläne für das Institut für empirische Ästhetik lösten aber massiven Widerstand bei Aktivisten aus, die das Backsteingebäude erhalten und als Kulturzentrum nutzen wollen. Tagelang hielten sie das Haus besetzt, harrten in Winternächten auf dem Dach aus, umstellt von Polizisten – bis diese das Gelände schließlich räumten.

Doch der Protest zeigte Wirkung: Diese Woche hat die Max-Planck-Gesellschaft bekannt gegeben, dass sie ihre Pläne an dieser Adresse aufgibt – und für das neue Institut einen neuen Standort sucht. Es gebe kein finanzierbares Szenario für einen Erhalt des alten Hauses, argumentierte die Wissenschaftsgesellschaft.

Ein Abriss und Neubau jedoch sei „aufgrund der von verschiedenen Interessensgruppen daran, teils auch äußerst aggressiv, geäußerten Kritik“ nicht sinnvoll. Derart schnellen Erfolg erlebten die Hausbesetzer in den 70ern selten.