Vor CEO-Wechsel

SGL-Chef Derr geht mit Ablauf seines Vertrags

Der Kohlefaserspezialist SGL Carbon muss überraschend einen neuen Vorstandschef suchen. Der amtierende CEO Torsten Derr steht nicht für eine Vertragsverlängerung zur Verfügung.

SGL-Chef Derr geht mit Ablauf seines Vertrags

SGL-Chef Derr geht mit Ablauf seines Vertrags

hek Frankfurt

Paukenschlag in Wiesbaden: Der Vorstandschef des in der hessischen Landeshauptstadt ansässigen Kohlefaserspezialisten SGL Carbon geht. Torsten Derr werde seinen bis Ende Mai 2025 laufenden Vertrag nicht verlängern, teilt der Konzern mit. Dies habe er dem Aufsichtsratsvorsitzenden Frank Richter mitgeteilt. Bis zur Neubesetzung werde Derr seine Tätigkeit fortführen, längstens bis Vertragsablauf.

Der nahende Abschied kommt völlig überraschend. „Hier stehen alle mit Fragezeichen im Gesicht“, ist aus der Firmenzentrale zu hören. Derr habe das Team am Donnerstag kurz zusammengeholt, um über seine Entscheidung zu informieren, aber nichts über seine Beweggründe gesagt. Womöglich bringen die Analysten- und die Pressekonferenzen an diesem Freitag weitergehenden Aufschluss. Dann berichtet SGL über die Jahresergebnisse 2023.

„Transformationsarbeit in Kürze abgeschlossen“

Eine naheliegende Erklärung wäre, dass Derr ein attraktives Jobangebot hat, dies aber noch nicht offenlegen kann oder will. Dass er mit 54 Jahren in den Ruhestand geht, kann sich jedenfalls niemand vorstellen, der ihn beruflich kennt. Über mögliche persönliche Hintergründe ist nichts bekannt.

In der Presseerklärung macht Derr geltend, dass SGL heute in stabilem Fahrwasser fahre: „Meine Transformationsarbeit wird in Kürze abgeschlossen sein.“ In der Tat ist das von Derr angestoßene und umgesetzte Sanierungs- und Restrukturierungsprogramm längst durch. Aber mit den kriselnden Carbonfasern tut sich gerade eine neue Baustelle auf. SGL stellt dieses Geschäft auf den Prüfstand und sucht einen Käufer oder Partner. Der Kollaps der Windindustrie setzt diesem Geschäftsbereich, dessen Umsatz in den ersten drei Quartalen 2023 um ein Drittel auf 179,6 Mill. Euro einbrach und der sogar vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen sowie bereinigt um Sonderfaktoren rote Zahlen schreibt, schwer zu. Selbst bei einem Anziehen der Nachfrage würden „zusätzliche Ressourcen“ benötigt, um wettbewerbsfähig zu bleiben, ließ SGL unlängst wissen.

Nachfolgersuche beginnt

Auch für das Kontrollgremium kommt Derrs Entscheidung offenbar unerwartet. Darauf lässt die lapidare Formulierung schließen, man werde „unverzüglich mit der Suche nach einem Nachfolger beginnen“. Aufsichtsratschef Richter zeigt sich aber dankbar, dass Derr „frühzeitig und vertrauensvoll mit uns gesprochen hat. So können wir in Ruhe die Nachfolge regeln.“

Derr kam im Juni 2020 von der Lanxess-Tochter Saltigo zu SGL Carbon. Der im Januar 1970 geborene Manager, der aus Bremen stammt, gilt als Experte für Restrukturierungen. SGL sei bereits seine sechste Restrukturierung, sagte er vor knapp drei Jahren im Interview der Börsen-Zeitung. Das Unternehmen befand sich damals in einer schwierigen, ja kritischen Situation. Derr gelang es, den Konzern, der bereits viele Sanierungsprogramme hinter sich hatte, strukturell und kostenmäßig neu aufzustellen. Trotz schwieriger Entscheidungen gilt der Chef als beliebt, seine zupackende und engagierte Art stoße auf Akzeptanz und Zustimmung, heißt es in seinem Umfeld. Seine Berufslaufbahn begann der promovierte Chemiker bei Bayer. Ab 2003 arbeitete Derr für den von Bayer abgespaltenen Chemiekonzern Lanxess.

Vorstandschef Torsten Derr kündigt seinen Abschied von SGL Carbon an.

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