Weltkonjunktur und Deutschland

OECD fordert Lockerung der Schuldenbremse

Deutschland hängt beim Wachstum zurück, mahnt die OECD und diagnostiziert eine große Verunsicherung der Unternehmen durch den unklaren Wirtschaftskurs der Ampel-Regierung und eine Vernachlässigung nötiger Investitionen. Durch ein Reformpaket und höhere Staatsausgaben sollte der nötige Impuls gesetzt werden.

OECD fordert Lockerung der Schuldenbremse

OECD fordert Reform der Schuldenbremse

Eine größere fiskalische Flexibilität sollte mit Bürokratieabbau und mehr Investitionen verbunden werden

Das magere Wachstum der deutschen Wirtschaft besorgt auch die Industrieländerorganisation OECD. Sie verlangt in ihrem Wirtschaftsausblick Strukturreformen in allen Bereichen und mehr Planbarkeit etwa bei der Klimatransformation. Zudem sollten Anreize erhöht werden, damit Frauen verstärkt in Erwerbstätigkeit gehen.

Von Stephand Lorz, Frankfurt

Die Industriestaatenorganisation OECD hat Deutschland aufgefordert, die Schuldenbremse zu reformieren, damit mehr Geld für die Klimatransformation und die Modernisierung des Standorts zur Verfügung gestellt werden kann. In ihrem neuen Wirtschaftsausblick warnt sie vor weiterem anämischen Wachstum in Deutschland, sieht aber auch erste Zeichen einer fragilen Erholung. Für das laufende Jahr rechnet sie mit einem Wachstumsplus von nur 0,2%, für 2025 von gerade 1,0%.

In anderen Volkswirtschaften ist das Wachstum nach Angaben der OECD schon viel stärker: In den USA wird ein Plus von 2,6% für 2024 veranschlagt, für China von 4,9%, und für die Eurozone in der Gesamtheit liegt es bei 0,7%. Wegen der positiver als erwartet ausfallenden Wachstumsraten in den USA und China zeigt sich die OECD jetzt optimistischer für den Gesamtausblick. Für die Weltwirtschaft wird nun ein Plus von 3,1% (statt zuvor 2,9%) für 2024 und von 3,2% (statt 3,0%) für 2025 erwartet. Auch die Inflation wird nach Darstellung der OECD weiter zurückgehen, allerdings spricht sie von einer „hartnäckigen letzten Meile“. Während sich die Teuerung in den USA von 2,4 auf 2,0% im Jahr 2025 verringern soll, liegen die Vergleichswerte in der Eurozone bei 2,3 bzw. 2,2%. Über alle OECD-Länder hinweg bleibt die Inflation indes noch ein großes Problem: Für 2024 liegt sie bei 4,8% und 2025 geht sie nur auf 3,5% zurück.

Zinssenkungen stützen Konjunktur

Ein Teil der konjunkturellen Erholung kommt den Ökonomen zufolge von den erwarteten Zinssenkungen in den Industrieländern, die Investitionen und den Konsum befördern. Außerdem werden weitere fiskalische Impulse der chinesischen Regierung erwartet.

Sorgen macht sich die OECD über die nach wie vor hohe Staatsverschuldung, die eher noch weiter ansteigt. Die Belastungen durch den Schuldendienst seien bereits erheblich und könnten noch weiter zunehmen, wenn niedrig verzinsliche Schulden verlängert werden oder Festzinssätze neu verhandelt werden müssten, warnt OECD-Chefökonomin Clare Lombardelli. Zumal die Erwartungen, dass die Inflation weiterhin stetig sinken wird, sich auch als falsch erweisen könnten und das Zinsniveau weiter hoch bleiben könnte, mahnt sie.

Verschuldung „besorgniserregend“

Mittel- und längerfristig ist die Haushaltslage nach Ansicht der OECD sogar „besorgniserregend“. Die Regierungen müssten sich endlich mit der steigenden Verschuldung befassen und konsolidieren, zumal aufgrund der alternden Bevölkerung, der Eindämmung des Klimawandels und steigender Verteidigungskosten in anderen Bereichen höhere Staatsausgaben auf sie zukommen. Höhere Schuldendienstkosten würden zudem die finanzielle Nachhaltigkeit erschweren und Gefahren einer neuen Finanzkrise heraufbeschwören. Lombardelli: „Es gibt nie einen attraktiven Zeitpunkt für die Konsolidierung.“ Doch die Umstände für Konsolidierung und Strukturreformen seien bei einer sich erholenden Konjunktur wie jetzt absehbar immer günstiger.

Auch Deutschland legt die OECD mittelfristig eine Konsolidierung nahe, betont aber auch die besseren Eckdaten gegenüber anderen Ländern hinsichtlich Defizit und Schuldenquote. Nach Meinung der Ökonomen sollte die Politik daher im Moment das Hauptaugenmerk auf Investitionen und Reformen legen, um das Wachstum wieder zu stärken und die nötigen Weichenstellungen zu finanzieren für die Klimatransformation und die Modernisierung der Infrastruktur.

Fiskalregeln lockern

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das der Regierung die Umschichtung von 60 Mrd. Euro für den Klimaschutz untersagte, habe für große Verunsicherung und Investitionszurückhaltung gesorgt. Daher sei es notwendig, durch Lockerung der Fiskalregeln und entsprechende Ausgabenprogramme den Unternehmen wieder mehr Investitionssicherheit zu geben. Die OECD fordert zudem eine Reduzierung umweltschädlicher Steuervergünstigungen. Ein größerer haushaltspolitischer Spielraum würde auch helfen, die Kommunen finanziell stärker zu unterstützen, um den großen Infrastrukturrückstand zu beseitigen und die nötigen Umweltschutzinvestitionen zu ermöglichen.

Eine Verlagerung der Steuerlast weg vom Faktor Arbeit hin zu Kapitaleinkommen und Vermögen gehören ebenfalls zum Forderungskatalog der OECD. Die Industrieländerorganisation schlägt vor, durch die Reduzierung großzügiger Erbschaftsteuerbefreiungen für Betriebsvermögen und eine Befreiung von der Kapitalertragsteuer für Investitionen in bestehende Gebäude bessere Anreize für Investitionen und auf dem Arbeitsmarkt zu setzen.

Dazu sollte eine Reform der derzeitigen gemeinsamen Einkommensbesteuerung und Krankenversicherung von Paaren gehören, die zu sehr hohen Grenzeinkommensteuersätzen für Zweitverdiener führten. Dies halte vor allem Frauen davon ab, mehr als nur einen Teilzeitjob anzunehmen. Und eine Reduzierung der Anreize für den Vorruhestand würde das Arbeitsangebot älterer Arbeitnehmer absehbar erhöhen sowie zudem zur Stabilisierung der Rentenausgaben beitragen angesichts des zunehmenden finanzpolitischen Drucks aufgrund der Alterung der Gesellschaft.

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