Verunsicherung bei Notenbankern

Geldpolitik der Fed beschäftigt EZB-Ratsmitglieder

Die hohe US-Inflation verunsichert laut Insidern manche Euro-Notenbanker. Das griechische EZB-Ratsmitglied Giannis Stournaras appelliert derweil an die Kollegen.

Geldpolitik der Fed beschäftigt EZB-Ratsmitglieder

Geldpolitik der Fed beschäftigt EZB-Ratsmitglieder

Hohe US-Inflation verunsichert laut Insidern manche Euro-Notenbanker – Griechisches Ratsmitglied appelliert an Kollegen

mpi Frankfurt

Die im März gestiegene US-Inflation war offenbar auch Thema auf der Zinssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag. Eine größere Gruppe im EZB-Rat habe sich zunächst für eine Zinssenkung bereits im April ausgesprochen, berichtet Bloomberg am Freitag unter Berufung auf Insider. Diesen zufolge hätten einige der EZB-Ratsmitglieder angesichts der unerwartet hohen US-Inflation jedoch rasch wieder Abstand von diesem Vorhaben genommen. Bei einer „Handvoll“ der Euro-Notenbanker habe es dann „längerer Überzeugungsarbeit“ bedurft, damit sie auf den Mehrheitskurs im EZB-Rat umschwenken, die Zinsen im Euroraum noch nicht zu senken.

Angesichts des robusten Wirtschaftswachstums in den USA und der hohen Inflation verschieben sich die Erwartungen an Zinssenkungen der Fed immer weiter in die Zukunft. Eine Lockerung im Juni, wenn die EZB mutmaßlich die Zinswende einleiten wird, gilt als quasi ausgeschlossen. Auch eine Zinssenkung im Juli ist sehr unsicher. Manche Analysten sprechen bereits davon, dass die Fed 2024 überhaupt keine Zinssenkung beschließen wird. So oder so wird die EZB die Zinswende vor der US-Notenbank einleiten.

Historischer Vorgang der EZB

Dies ist ein historischer Vorgang, den es so noch nie gegeben hat in der Geschichte der EZB. Welche Auswirkungen die unterschiedlichen Zinspfade beider Notenbanken auf die Wirtschafts- und Inflationsdaten in der Eurozone haben werden, ist unter Ökonomen umstritten. Auf die möglichen Effekte angesprochen, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz am Donnerstag nach dem Zinsentscheid, dass man abwarten und die Daten auswerten werde, wenn es so weit sein sollte. Sie bekräftigte zudem, dass die EZB ihre Geldpolitik nicht von den Entscheidungen der Fed abhängig mache.

In diese Richtung appellierte auch der griechische Notenbankchef Giannis Stournaras in einem am Freitag veröffentlichten Bloomberg-Interview. „Jetzt ist es an der Zeit, einen anderen Weg einzuschlagen“, sagte er mit Blick auf die Fed. Die Situation in den USA sei eine völlig andere als in Europa. Allein schon deshalb, weil die Inflation in den USA hauptsächlich nachfrage- und in der Eurozone angebotsgetrieben sei.

Debatte über Zinstempo

Auch angesichts der weiterhin schwachen Konjunktur im Euroraum braucht es für Stournaras, der als Verfechter einer eher lockeren Geldpolitik gilt, ab Juni Zinssenkungen. „Wir sehen die ersten Keime einer Erholung in Europa — auch in Deutschland“, sagte Stournaras. „Wir wollen diese ersten Keime des Aufschwungs nicht zerstören.“

Er plädiert für Zinssenkungen im Juni und Juli sowie zwei weitere im restlichen Jahresverlauf. Die meisten Ökonomen rechnen dagegen wie die Finanzmärkte 2024 mit nur drei Zinssenkungen der EZB. Eine erste im Juni gilt als sehr wahrscheinlich. In diese Richtung äußerte sich am Freitag auch der lettische Notenbankchef Martins Kazaks. Wenn es keine negativen Überraschungen bei den in den kommenden beiden Monaten veröffentlichten Inflations- und Wirtschaftsdaten geben werde, werde Juni der Beginn der Zinswende sein, sagte Kazaks dem lettischen Fernsehsender TV3.

Ökonomen senken Prognose für Wirtschaftswachstum

Unterdessen erwarten von der EZB befragte Volkswirte etwas weniger Wirtschaftswachstum in diesem Jahr in der Eurozone. Sie rechnen nun nur noch mit einem Plus von 0,5%, wie aus einer am Freitag von der EZB veröffentlichten Umfrage hervorgeht. Im Januar hatte die Vorhersage noch bei 0,6% gelegen. Die EZB selbst aktualisiert ihre Prognosen im Rahmen der Zinssitzung im Juni. Derzeit geht sie von 0,6% aus.

Die Inflationsprognosen haben die von der Notenbank befragten Ökonomen hingegen nicht angepasst. Für 2024 erwarten sie weiterhin 2,4% und für 2025 eine Punktlandung beim Inflationsziel von 2,0%. Dies deckt sich eins zu eins mit den aktuellen Einschätzungen der EZB.

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