Konjunktur

US-Wirtschaft wächst langsamer

An Dynamik fehlt es der US-Wirtschaft nicht, die im zweiten Quartal aber dennoch langsamer wuchs als erwartet. Für eine noch größere Überraschung sorgte hingegen der sprunghafte Anstieg der Inflationsrate.

US-Wirtschaft wächst langsamer

det Washington

Obwohl sich das Wachstum der US-Wirtschaft im zweiten Quartal entgegen den Voraussagen der meisten Experten kaum verstärkte, hat sich der Preisauftrieb deutlich beschleunigt. Wie das Handelsministerium berichtete, nahm die Wirtschaftsleistung aufs Jahr hochgerechnet um 6,5% zu. Befragte Ökonomen hatten von April bis Juni mit einem Plus von 8,5% gerechnet. Die annualisierte Wachstumsrate für das erste Quartal wurde um 0,1 Prozentpunkte auf 6,3% nach unten revidiert. Die Aufmerksamkeit der Notenbank dürfte insbesondere der Preisindex PCE finden. Das bevorzugte Inflationsmaß der Federal Reserve stieg aufs Jahr hochgerechnet um 6,4% und an der Kernrate gemessen um 6,1%.

Getragen wurde der Aufschwung erwartungsgemäß vom Privatkonsum, der in den USA 69% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ausmacht. So stiegen die Verbraucherausgaben in der Berichtsperiode um 11,8%. Das meiste Geld floss in den Dienstleistungssektor, insbesondere in das Gastgewerbe, in die Tourismusbranche und in Freizeitaktivitäten. Auch stiegen die Ausgaben für Konsumgüter. Eine deutliche Zunahme wurde bei pharmazeutischen Produkten gemessen. Positiv schlugen ferner Anlageinvestitionen sowie die Ausgabenprogramme der Staaten und Gemeinden zu Buche. Abzüge vom BIP ließen sich auf rückläufige Lagerinvestitionen zurückführen. Auch schrumpften die Ausgaben des Bundes ebenso wie Wohnbauinvestitionen.

Gemischtes Konjunkturbild

Die neuen Daten zeigen ein gemischtes Bild der wirtschaftlichen Entwicklung in den USA. So weisen Ökonomen zum einen darauf hin, dass die höchste Wachstumsrate seit dem dritten Quartal des Vorjahres gemessen wurde. Nach dem tiefen Einbruch als Folge der Corona-Pandemie brummte die Konjunktur. Nachdem das Ministerium von Juli bis September ein annualisiertes Plus von 33,8% ermittelt hatte, pendelte sich das Wachstum wieder auf niedrigerem Niveau ein, allerdings mit konstant steigender Tendenz.

Auf der anderen Seite wachsen die Sorgen um die Delta-Variante des Coronavirus und die steigenden Infektionszahlen in mehr als 40 der US-Staaten. Die Ungewissheit über deren weiteren Verlauf und die stagnierende Impfquote haben den Konjunkturoptimismus leicht gedämpft. „Die gute Nachricht besteht darin, dass das Wachstum nun über dem Vorkrisenniveau liegt“, sagte Paul Ashworth, Volkswirt bei Capital Economics, in einem Interview. Gleichwohl würden die Ungewissheit über die Delta-Variante, die nachlassende Wirkung der Stimulusmaßnahmen und der Kaufkraftverlust als Folge der steigenden Inflation auf der Wirtschaft lasten, so der Ökonom. „Folglich rechnen wir in der zweiten Jahreshälfte nur mit einer annualisierten Wachstumsrate von 3,5%“, stellt Ashworth fest.

Sorgen um Delta-Variante

Die Delta-Variante und die zunehmenden Erkrankungen zählte auch Notenbankchef Jerome Powell nach der Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) zu den bedeutenden Risiken für den weiteren Konjunkturverlauf. Obwohl er auf die starke Wirtschaftsaktivität und das robuste Stellenwachstum hinwies, sei die Erholung am Arbeitsmarkt noch „ein ganzes Stück von den signifikanten Fortschritten“ entfernt, welche die Währungshüter sehen wollen, ehe sie daran denken, die Anleihekäufe zurückzufahren oder den Leitzins anzuheben. Zudem werde die Fed den Beginn des Tapering mit entsprechendem Vorlauf signalisieren, betonte der Notenbankvorsitzende. Die Stärke am Arbeitsmarkt wird auch von den Erstanträgen auf Arbeitslosenhilfe unterstrichen, die vergangene Woche um 24000 auf 400000 nachgaben. Die steigende Inflation bezeichnete Powell wie auch zuvor als „vorübergehend“, kannte zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht die jüngsten PCE-Zahlen.

Einen zusätzlichen Impuls könnte die Wirtschaft demnächst auch von einem neuen Infrastrukturgesetz bekommen. So einigten sich Demokraten und Republikaner im Senat auf ein Investitionsprogramm im Wert von 550 Mrd. Dollar. Der demokratische Fraktionschef Charles Schumer äußerte die Hoffnung, dass der Senat das Gesetz noch vor der im August anstehenden Sommerpause verabschieden werde. Auf Widerstand könnte das Paket, das an ein neues Haushaltsgesetz mit einem Umfang von 3,5 Bill. Dollar gekoppelt werden soll, aber im Repräsentantenhaus stoßen.