Aus der KapitalmarktforschungFIRM-Konferenz

Die vielen Facetten des Risikomanagements

Zum zehnten Mal hat FIRM renommierte Forscher und zahlreiche Vertreter und Vertreterinnen aus der Finanzindustrie zur kritischen Diskussion über aktuelle Risikomanagementthemen geladen. Rund 50 Teilnehmer haben sich in diesem Jahr beteiligt; es wurden sechs Studien und Papers vorgestellt.

Die vielen Facetten des Risikomanagements

Die vielen Facetten des Risikomanagements

Auf der zehnten Forschungskonferenz der Frankfurter Denkfabrik FIRM diskutieren Wissenschaftler und Praktiker aktuelle Risikothemen

Von Esther Baumann und Günter Franke

Zum zehnten Mal hat FIRM renommierte Forscher und zahlreiche Vertreter und Vertreterinnen aus der Finanzindustrie zur kritischen Diskussion über aktuelle Risikomanagementthemen geladen. Rund 50 Teilnehmer haben sich in diesem Jahr beteiligt; es wurden sechs Studien und Papers vorgestellt.

Den Auftakt der zehnten Forschungskonferenz des Frankfurter Instituts für Risikomanagement und Regulierung (FIRM) machte FIRM-CEO Gerold Grasshoff. Er stellte eine aktuelle Analyse zur Finanzmarktstabilität vor, die das 2009 gegründete Institut gemeinsam mit Boston Consulting durchgeführt hat. Es folgte Peter Bednarek von der Bundesbank mit einem Paper zu den realen Auswirkungen von Wechselkursentwicklungen. Florian Heider vom Leibniz Institute for Financial Research SAFE widmete sich dem erweiterten Bankbilanzkanal der Geldpolitik, Peter Tillmann von der Universität Gießen berichtete über das FIRM-geförderte Projekt „Schattenbanken, Geldpolitik und Finanzstabilität“. Michael Nietsch von der EBS gab einen Überblick über die neuen Entwicklungen bei der Lieferkettensorgfaltspflicht von Banken. Henning Dankenbring und Tim Breitenstein von KPMG stellten eine Umfrage bei Banken zum Umgang mit Zinsrisiken im Bankbuch vor.

Wirkung der Geldpolitik untersucht

Florian Heider vom Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE ging in seinem Vortrag der Frage nach, wie Geldpolitik auf die Bankenkreditvergabe wirkt und wie dieser Transmissionsprozess in Niedrigzinsphasen funktioniert. Dazu hat er mit einem Team aus Forschern und EZB- bzw. Zentralbankvertretern untersucht, welche Auswirkungen die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahr 2014 auf die Kreditvergabe in der Eurozone hatten. Die Heterogenität innerhalb der EU war dabei von großem Vorteil, weil der Transmissionsmechanismus zeitgleich für Hoch- und Niedrigzinsländer untersucht wurde und somit die Unterschiede in der Wirkung bei sonst sehr ähnlichen Bedingungen gezeigt werden konnten.

Die FIRM-Beiratsvorsitzenden Günter Franke und Wilfried Paus eröffnen die Konferenz. FIRM-CEO Gerold Grasshoff referiert über die aktuellen Herausforderungen für die Bankenindustrie, Florian Heider (Safe), Michael Nietsch (EBS) sowie Tim Breitenstein und Henning Dankenbring (beide KPMG) stellen aktuelle Studien vor. | Quelle: Collage: FIRM

Für die Studie wurde Deutschland stellvertretend für Niedrigzinsländer in Kerneuropa und Portugal, dessen wirtschaftliche Entwicklung sich erst nach 2014 deutlich verbesserte, für die Hochzinsländer in der Peripherie gewählt. Daten wurden über die Kreditregister der Länder und die Bankbilanzen erhoben. Betrachtet wurde der Zeitraum unmittelbar vor und nach der EZB-Zinssenkung 2014.

Es zeigt sich, dass im Hochzinsumfeld eine normale Weitergabe der Zinssenkung bei der Kreditvergabe erfolgt, da gleichzeitig auch die Einlagenzinsen gesenkt werden. Banken mit starken Bilanzen bieten in dieser Phase mehr Kredite an, da sie sich günstiger refinanzieren können. Die Risikobereitschaft der Banken steigt nicht. Im Niedrigzinsumfeld werden Zinssenkungen dagegen nur mit Einschränkungen an Kreditnehmer weitergereicht, da die Einlagenzinsen nicht unter null gesenkt werden. Es kommt nicht zu einer Ausweitung des Kreditangebots. Zu beobachten ist aber, dass die Risikobereitschaft von Banken steigt.

Heider betonte, dass der traditionelle Transmissionsprozess über den Bankbilanzkanal in Phasen niedriger Zinsen an Grenzen stößt und daher über die Einlagenseite erweitert werden sollte. Das Transmissionsmodell repräsentiert die Art und Weise, wie Geldpolitik auf die Wirtschaft wirkt – auch wenn Effekte je nach Zinsregime unterschiedlich sind.

Neue Pflichten für Banken

Welche Verantwortung Banken beim Thema Lieferkettensorgfalt künftig tragen müssen, erläuterte Michael Nietsch von der EBS Law School in Wiesbaden. Er zeigte, wie das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG), ursprünglich gedacht für Unternehmen der Realwirtschaft, die Finanzindustrie in den Fokus rückt. So gibt es im neuen Regierungsentwurf zum LkSG konkrete Erläuterungen zur Rolle der Kreditwirtschaft. Hinzu kommt auf europäischer Ebene die geplante Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDD), die eine umfassende Einbeziehung der Finanzindustrie vorsieht. Auch seitens der Industrieländerorganisation OECD gibt es seit 2020 Erläuterungen speziell für Banken.

Für Banken gilt: Während die Pflichten in ihren direkten Verantwortungsbereichen wie eigener Geschäftsbetrieb und eigene Zulieferer eindeutig sind, konzentriert sich die aktuelle Diskussion auf die Verantwortung für das Kundenverhalten, die sogenannte Downstream-Betrachtung. Inwieweit müssen Banken, die Kunden mit Finanzierung unterstützen, deren Verhalten prüfen? Wie die Regelungen aussehen und wie weitreichend die Sorgfaltspflichten der Banken sein werden, lässt sich noch nicht beurteilen.

Für Deutschland rechnet Nietsch mit einer prinzipiell weitgehenden Verantwortung für Stakeholder-Belange, einschließlich Klimaschutz. Gerade bei der CSDD spricht derzeit einiges dafür, dass der deutsche Gesetzgeber vom Opt-in Gebrauch machen wird, also einer expliziten Zustimmung zu den Regelungen. Für Banken hierzulande heißt das: Es wird eine klare Ausweitung des Verantwortungsbereichs im Vergleich zum LkSG geben. Auch international ist von Seiten der OECD mit einer umfassenden Ausweitung der Sorgfaltspflicht zu rechnen. Alles in allem werden Banken also stärker in die Verantwortung genommen.

Herausforderndes Reporting

Mit den Zinsänderungsrisiken im Bankbuch beschäftigten sich Henning Dankenbring und Tim Breitenstein von KPMG. Der rapide Zinsanstieg und neue regulatorische Anforderungen zum Credit-Spread-Risiko begründen, warum sich Banken intensiver als zuvor mit diesen Risiken beschäftigen müssen. Eine Umfrage unter rund 50 Banken aus zehn europäischen Ländern gibt den Status quo gut wieder. Vor allem die neuen Anforderungen an ein umfassendes aufsichtsrechtliches Reporting in hoher Granularität werden derzeit als große Herausforderung gesehen.

Für eine umfassende Erhebung von zinsbedingten Ertragsrisiken sind auch Modellierungen von Einlagen erforderlich. Die sehr komplexen Analysen erfordern neben validen Datenreihen auch aktuelle Experteneinschätzungen. Zudem muss jede Bank prüfen, inwieweit Modelle aus der Niedrigzinswelt auf das aktuelle Umfeld übertragbar sind und welche Anpassungen vorgenommen werden sollten.

Esther Baumann ist Geschäftsführerin FIRM, Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Franke ist Co-Beiratsvorsitzender FIRM.

Die FIRM-Beiratsvorsitzenden Günter Franke und Wilfried Paus eröffnen die Konferenz. FIRM-CEO Gerold Grasshoff referiert über die aktuellen Herausforderungen für die Bankenindustrie, Florian Heider (SAFE), Michael Nietsch (EBS) sowie Tim Breitenstein und Henning Dankenbring (beide KPMG) stellen aktuelle Studien vor.

Von Esther Baumann und Günter Franke

Esther Baumann ist Geschäftsführerin der FIRM, Günter Franke ist Co-Beiratsvorsitzender der FIRM.

Besonderes Augenmerkt gilt den Credit Spreads im Bankbuch: Wie wirkt deren Veränderung auf Barwert und Gewinn einer Bank? Hierzu ist zu prüfen, auf welche Positionen der Bank Spread-Veränderungen Einfluss nehmen. Da es bislang keine etablierten Marktstandards gibt und es an klaren Vorgaben seitens der Aufsicht mangelt, stehen Banken aktuell vor besonderen Herausforderungen. Dies zeigt auch die Umfrage: Es lassen sich keine eindeutigen Ergebnisse ableiten, welche Positionen seitens der Banken als besonders sensitiv eingestuft werden. Hier ist zu erwarten, dass sich in den nächsten Jahren „Best Practices“ im Zusammenspiel von Banken und Aufsicht herausbilden werden.

Weitere Berichte: Schattenbankensektor und Interbankenmarkt

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