JSA 2025Trumps Trade-off für den Finanzsektor

Politischer Sturm trifft Amerikas Großbanken

US-Finanzriesen befinden sich in schwieriger Wetterlage. Denn Washington drängt auf Deregulierung im Sektor, fordert aber auch die Mitarbeit von Banken an politischen Projekten – eine Kombination, die systemische Risiken birgt.

Politischer Sturm trifft Amerikas Großbanken

Amerikas Großbanken
im politischen Sturm

US-Finanzriesen befinden sich in schwieriger Wetterlage. Denn Washington drängt auf Deregulierung im Sektor, fordert aber auch die Mitarbeit von Banken an politischen Projekten – eine Kombination, die systemische Risiken birgt.

Von Alex Wehnert, New York

Die führenden US-Finanzinstitute müssen schwere Unwetter in Südamerika fürchten. Denn Geldhäuser um J.P. Morgan haben einen Plan Washingtons zu einer bankgeführten Kreditfazilität für Argentinien zwar abgewendet – aus dem Schneider sind sie aber noch nicht, wie Beobachter an der Wall Street fürchten. Die US-Regierung, die mit Buenos Aires im Oktober einen 20 Mrd. Dollar schweren Währungstausch vereinbarte, wollte die Häuser für Finanzierungen in ähnlicher Höhe einspannen. Banker warteten über Wochen vergeblich auf Informationen der Treasury zu Besicherungen, die Argentinien bieten könnte, zudem herrschte Unsicherheit, ob Washington selbst einen Backstop plante.

Nach der Hängepartie ist der Plan für den Privatsektor-Kredit zwar ad acta gelegt – stattdessen sollen die US-Institute Argentinien 5 Mrd. Dollar über eine Repo-Fazilität leihen. Der südamerikanische Staat will den Großteil der Mittel nutzen, um im Januar fälligen Zinsverpflichtungen nachkommen zu können. In der Folge soll die Regierung des rechtspopulistischen Präsidenten Javier Milei mit den US-Banken zusammenarbeiten, um sich Milliarden über den Bondmarkt zu leihen und die Verbindlichkeiten aus dem Repo-Programm zurückzuzahlen.

Konspiratives Dinner

Die Vorgänge im den Argentinien-Bailout werfen an der Wall Street Fragen darüber auf, inwieweit sich Amerikas Geldhäuser künftig noch für größere politisch motivierte Projekte vor den Karren spannen lassen müssen. Einige Stimmen aus dem Sektor sprechen von einem krummen „Quid pro quo“: Washington komme Banken mit gelockerter Regulierung und einem Abbau von Hürden für große Kapitalmarkttransaktionen entgegen, dafür seien diese angehalten, ihre Finanzkraft im Sinne der Administration einzusetzen.

US-Präsident Donald Trump drängt auf massive Deregulierung.
US-Präsident Donald Trump drängt auf massive Deregulierung.
picture alliance / Captital Pictures | ADM

Erst Mitte November empfing Donald Trump die CEOs von J.P. Morgan, Goldman Sachs und Morgan Stanley, Jamie Dimon, David Solomon und Ted Pick, sowie weitere Branchenköpfe zu einem Dinner im Weißen Haus. Das Gespräch drehte sich darum, wie die Häuser zur ökonomischen Agenda des Republikaners beitragen können. Doch durch die von seiner Administration erzeugte Mischung aus schwächeren Kapitalvorgaben und einem wachsenden Exposure gegenüber Politrisiken droht sich ein schwerer Sturm für das Finanzsystem zusammenzubrauen.

„Zuckerbrot und Peitsche“

Unter der Ägide Trumps sorgen die US-Regierung und ihre Aufsichtsbehörden zudem für Verunsicherung, indem sie gemischte Signale an den Sektor senden. Jeremy Schwartz, Senior-Volkswirt beim japanischen Finanzdienstleister Nomura in New York, spricht mit Blick auf die Interventionen Washingtons in der Privatwirtschaft insgesamt von einem Vorgehen mit „Zuckerbrot und Peitsche“ – die Bankenbranche bekommt auch Letztere zu spüren.

Schließlich verfolgt der Präsident einen persönlichen Vergeltungszug gegen Institute um J.P. Morgan und Bank of America, die ihn nach dem Ende seiner Amtszeit 2021 „sehr schlimm diskriminiert“ hätten. Trump wirft den Instituten ein groß angelegtes „Debanking“ von Kunden aus politischen Motiven vor und unterzeichnete im August einen Exekutivbeschluss, der genau diese vermeintlichen Praktiken in den Fokus rückt. Insbesondere Bank-of-America-Chef Brian Moynihan ging er beim Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar öffentlich hart an.

Kapitalvorgaben aufgeweicht

J.P. Morgan bearbeitete deshalb laut regulatorischen Einreichungen zuletzt gehäuft „Anfragen von Regierungsstellen und anderen externen Parteien, die unter anderem die Geschäftspolitik und Prozesse der Firma bei der Bereitstellung von Dienstleistungen für Kunden und potenzielle Kunden betreffen“. Auch das für die Überwachung des nationalen Kreditwesens zuständige, vom Trump-Getreuen Jonathan Gould geführte OCC will „frühe Beweise“ dafür gefunden haben, dass neun der größten Banken der USA Geschäften mit Öl- und Gasunternehmen sowie Waffenherstellern und anderen politisch sensitiven Wirtschaftszweigen auf „unzulässige Weise“ aus dem Weg gegangen seien.

Andererseits drängt das Lager des Präsidenten eben auf eine umfangreiche Deregulierung. So haben Behörden um das OCC, die Federal Reserve und die Einlagensicherung FDIC in den vergangenen Monaten in großem Stil Regulierungen zurückgerollt, die sie im Nachgang der Finanzkrise 2008 beschlossen hatten. Zuletzt finalisierten sie einen Vorstoß, über den sie die Vorgaben für die Enhanced Supplementary Leverage Ratio (ESLR) mit Wirkung zum 1. April aufweichen. Die Mindestquote für das Tier-1-Kapital, das Bankholdings gegen ihre bilanziellen und außerbilanziellen Fremdmittel vorhalten müssen, soll demnach auf 3% plus nach systemischer Relevanz gewichteten Aufschlägen fallen. Bisher gilt ein Standard von 5%. Für die Tochtergesellschaften, die Einlagen verwahren, geht die Mindestquote von 6% auf 4% zurück.

Konkurrenz mit Private Credit

Das OCC sieht die ESLR künftig als lockeren Puffer. Fallen Banken unter ihr jeweiliges Mindestniveau, werde dies als „Frühwarnsystem“ wirken, aber keine automatischen Beschränkungen für den Umgang mit Kapital mehr nach sich ziehen. Dies soll es Banken zum Beispiel ermöglichen, antizyklisch Kredite zu vergeben. Auch die 2013 eingeführte sogenannte „Leveraged Lending Guideline“ haben das OCC und die FDIC Anfang Dezember aufgehoben. Die Regel machte es Banken nur unter kostspieligen Verwarnungen durch ihre Aufseher möglich, als Underwriter von Hochrisikokrediten für typische Übernahmeziele von Private Equity oder defizitäre Tech-Unternehmen aktiv zu werden.

Das öffnete die Tür für das gewaltige Wachstum von Private-Credit-Fonds. Inzwischen versuchen aber auch Großbanken, in dem schwach regulierten und intransparenten Markt stärker mitzumischen. Selbst die eigentlich Retail-fokussierten Institute Citigroup, die unter Vorstandschefin Jane Fraser in einer groß angelegten Strategiewende steckt, und Wells Fargo, deren CEO Charlie Scharf nach dem jüngsten Wegfall regulatorischer Beschränkungen für sein Haus am Kapitalmarkt angreifen will, lancieren neue Private-Credit-Programme.

Enormer Kapitalbedarf

John Waldron, Präsident und COO von Goldman Sachs, pocht auf die Vorteile der Deregulierung. „Banken werden fraglos mit mehr überschüssigem Kapital umgehen müssen, was nach meiner Meinung sehr wertvoll für die Gesamtwirtschaft sein kann“, sagte der Wall-Street-Kopf bereits bei einer Medienrunde im Juli auf Nachfrage der Börsen-Zeitung. Waldron rechnet sich positive Effekte der geplanten Deregulierung auf die Kreditvergabe aus. „Um die großen globalen Trends zu finanzieren, braucht es außergewöhnliche Mengen an Kapital“, sagt der COO. Dabei sei angesichts angespannter fiskalischer Situationen nationaler Regierungen der private Investmentsektor gefragt.

Goldman-COO John Waldron pocht auf die Vorteile der Deregulierung in den USA.
Goldman-COO John Waldron pocht auf die Vorteile der Deregulierung in den USA.
Samuel Corum/Bloomberg

In den USA bringt die Verabschiedung von Trumps „Big, Beautiful Bill“ im vergangenen Sommer aber durchaus „zwei wichtige Effekte mit sich: Anhaltende fiskalische Stimuli und Steuererleichterungen für Unternehmen“, wie Jason Granet, Chief Investment Officer von BNY Mellon, im Interview der Börsen-Zeitung betont. Damit einhergehen, kritisiert Moody's, dürfte aber eine massive Ausweitung der Staatsverschuldung.

Dabei kommt erneut die ESLR ins Spiel. Denn deren Aufweichung soll es Geldhäusern ermöglichen, in größerem Umfang Treasuries zu halten und die ausufernden US-Defizite zu finanzieren. Die Fed ist durch ihren Bilanzabbau ab 2022 als Ankerinvestor für den Markt weggefallen. Auslandsinvestoren ziehen sich aufgrund geldpolitischer Effekte und der handelspolitischen Unsicherheit aus dem Markt zurück. Der Treasury-Markt brauche „mehr Käufer, und das für eine ganze Weile“, sagt Nomura-Ökonom Schwartz.

Dissens in der Fed

Fed-Gouverneur Michael Barr will zwar „das wichtige Ziel unterstützen, die Resilienz des Treasury-Marktes zu stärken“ – und kann sich doch nicht mit der Aufweichung der ESLR einverstanden erklären. Diese reduziere „die Kapitalvorgaben für global systemrelevante Institute auf Bankebene auf unnötige und signifikante Weise um 219 Mrd. Dollar“ und schwäche die Eigenmittelquote als Backstop, teilte Barr auf die Entscheidung Ende November hin mit. Dies mache einen Großbanken-Kollaps mittelfristig wahrscheinlicher.

Als Vize-Vorsitzender der Fed für Aufsicht hatte sich der Demokrat in der vergangenen Legislaturperiode noch für eine schnelle Implementierung des globalen Bankenpakets Basel III sowie harte Kapitalaufschläge für die größten US-Institute stark gemacht. Auf heftigen Gegenwind aus der Branche hin musste er im vergangenen Jahr zurückrudern. Seine Nachfolgerin auf dem Vizeposten, die von Trump eingesetzte Michelle Bowman, hat die Zügel noch bedeutend gelockert: Unter anderem fiel das Rahmenwerk des diesjährigen Bankenstresstests freundlicher aus als in den Vorjahren, sodass keines der geprüften Institute Schwierigkeiten mit der Belastungsprobe hatte. Ihre Kapitalpuffer nahmen sich auf dem Papier folglich beruhigend aus. Eine weitere Verwässerung, sogar ein größeres Mitspracherecht der Banken bei den Stresstest-Kriterien, ist bereits geplant.

Milliardenverluste drohen

Derweil gilt als unklarer denn je, ob die Vereinigten Staaten Basel III tatsächlich wie geplant umsetzen werden. Laut Greg Hertrich, Leiter US-Bankenstrategie bei Nomura in New York, ist zumindest eine Finalisierung vor den Kongresswahlen 2026 extrem unwahrscheinlich. „Die Ausschussvorsitze in Senat und Repräsentantenhaus könnten sich ändern, und keine der Parteien hat ein wirkliches Interesse daran, das Verfahren vorher abzuschließen“, sagt Hertrich. Historisch sei die Umsetzung internationaler Kapitalstandards immer ein langwieriger Prozess gewesen, wie sich schon bei der Implementierung von Basel II in den Vereinigten Staaten gezeigt habe. Regulatoren in anderen Rechtsräumen wie Großbritannien und Europa zwingt die Haltung der Vereinigten Staaten allerdings ebenfalls in eine Wartestellung, da sie nicht ohne den tiefsten und liquidesten globalen Finanzmarkt vorpreschen wollen.

Der politische Sturm, der sich zwischen Washington und der Wall Street zusammenbraut, droht das Finanzsystem indes schon kurzfristig zu treffen. So müssen die an der geplanten Repo-Fazilität für Argentinien beteiligten Banken schmerzhafte Verluste fürchten, wenn sich die Marktbedingungen verändern und Buenos Aires keine Möglichkeiten findet, sich über den Bondmarkt oder aus anderen Quellen Mittel für die Kreditrückzahlung zu beschaffen. Es ist nur das erste von vielen politischen Projekten, die laut Analysten in dieser Administration an der Wall Street für Wirbel sorgen dürften.

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