FokusSpar- und Investitionsunion

Zankapfel Zentralverwahrer

Die Nachhandelsinfrastruktur (Post Trade Infrastructure) entwickelt sich zu einem der umstrittensten Elemente der Spar- und Investitionsunion.

Zankapfel Zentralverwahrer

Spar- und Investitionsunion

Zankapfel Zentralverwahrer

Die Nachhandelsinfrastruktur (Post Trade Infrastructure) entwickelt sich zu einem der umstrittensten Elemente der Spar- und Investitionsunion.

Von Michael Marray

Die EU-Kommission hat in ihrem Fahrplan zur Spar- und Investitionsunion Maßnahmen zur Überwindung der Fragmentierung der Nachhandels- und Marktinfrastruktur angekündigt. Was auf den ersten Blick nach einem trockenen Thema klingt, dürfte hitzige Debatten auslösen. Mit Spannung wird ein entsprechendes Gesetzespaket erwartet, dass die EU-Kommission für das vierte Quartal dieses Jahres angekündigt hat.

Im Mittelpunkt der Diskussion könnten die Zentralverwahrer stehen, also die nationalen oder internationalen Finanzorganisationen, die die Abwicklung (Übertragung des Eigentums) von Wertpapieren wie Aktien und Anleihen verwalten. Zentralverwahrer sorgen für eine zügige Abwicklung und die sichere Verwahrung von Wertpapieren. Sie führen Wertpapierkonten, erbringen zentrale Verwahrdienste und bieten Services in Zusammenhang mit Dividenden- und Zinszahlungen an. Sie ermöglichen die Registrierung und Verwahrung von Wertpapieren und verfolgen jede Änderung der Eigentumsverhältnisse.

Am 15. April 2025 leitete die EU-Kommission eine gezielte Konsultation ein, um Rückmeldungen zu den Hindernissen für die Integration der Kapitalmärkte in der EU einzuholen, unabhängig davon, ob diese auf rechtliche, regulatorische, technologische oder operative Praktiken zurückzuführen sind. Ein langer Abschnitt betraf die Nachhandelsinfrastruktur. Die Marktteilnehmer haben bis zum 10. Juni Zeit, ihr Feedback abzugeben. Es ist wahrscheinlich, dass die Antworten eine Mischung aus Unterstützung für mehr Integration und Vorbehalte gegen eine weitreichende Zentralisierung seitens der nationalen Zentralverwahrer spiegeln werden.

Große Branchenakteure wie die Deutsche Börse Gruppe unterstützen die Harmonisierung der Wertpapierabrechnungs- und Aufsichtsvorschriften für Zentralverwahrer in ganz Europa, um die Marktsicherheit zu erhöhen und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Sie würden wahrscheinlich auch zu den Akteuren gehören, die bei einer weiteren Konsolidierung der Branche durch Übernahmen an vorderster Front stehen.

Marktdominanz

Der Markt für Zentralverwahrer wird bereits stark von paneuropäischen Gruppen mit Niederlassungen in mehreren Ländern beherrscht. Dazu gehören Clearstream (Teil der Deutschen Börse), Euroclear und – mit etwas Abstand – Euronext Securities. Gemessen am jährlichen Wert der Lieferanweisungen haben diese drei einen Marktanteil von über 90 %.

Es gibt aber auch kleinere, aber immer noch wichtige Akteure, wie die Schweizer SIX Group (innerhalb des EWR) und den spanischen Börsenbetreiber BME zusammen mit Iberclear. BME ist im Besitz der SIX Group. Und Nasdaq verfügt über eine einzige Plattform in den baltischen Staaten und im EWR-Land Island.

Die drei Großen wünschen sich eine marktgesteuerte Konsolidierung, die verstärkte Nutzung des T2S-Systems und die rechtliche Harmonisierung der nationalen Regulierungsrahmen, Steuersysteme und Marktpraktiken.

Zentralverwahrer werden bereits nach einer Reihe harmonisierter EU-Vorschriften geführt, und zwar über die Verordnung über Zentralverwahrer (CSDR), die 2022 in Kraft trat. Sie werden jedoch weiterhin von den zuständigen nationalen Behörden (NCAs) beaufsichtigt.

Ruf nach Zentralisierung der Aufsicht

Im Noyer-Bericht, einem gemeinsamen Papier der französischen Finanzindustrie und der französischen Regierung, vom April 2024 wird argumentiert, dass Zentralverwahrer „natürliche Ziele für einen obligatorischen Übergang zur ESMA-Aufsicht“ sind. Ein Argument, das vorgebracht wird, ist, dass einige kleinere CSDs von einem Wettbewerbsvorteil aufgrund einer laxeren Aufsicht profitieren können. In dem Bericht heißt es, dass es in Europa für die Größe seiner Märkte viel zu viele Zentralverwahrer zu geben scheint.

In der EU-Konsultation wird gefragt, ob ein Mitgliedstaat die Nutzung eines inländischen Zentralverwahrers für lokale Wertpapiere vorschreibt und ob er zusätzliche Hindernisse für grenzüberschreitende Zentralverwahrungsdienste hat. Die aufsichtliche Konvergenz und die zentralisierte EU-Aufsicht sind zwei der Lösungsvorschläge, zu denen Stellung genommen werden soll. Die Konsultation befasst sich auch mit einer besseren Nutzung des T2S-Systems, um eine Verbindung für grenzüberschreitende Abwicklungsaktivitäten herzustellen.

Wie ein Beobachter anmerkt, besteht jedoch in vielen kleineren Ländern die Sorge, dass ihre lokale Post-Trade-Infrastruktur geschwächt wird. Regionale Allianzen, wie in den baltischen Staaten, könnten eine Lösung sein. Doch ein starres Regelwerk mit zentraler ESMA-Aufsicht dürfte bei der Aushandlung des SIU-Pakets auf Widerstand stoßen.