Kapitalanlage

Die drei ??? und Impact Investing

Investoren pochen immer öfter auf eine messbare Wirkung ihres Investments. Doch das ist gar nicht trivial. Denn nach wie vor gibt es sehr unterschiedliche Antworten auf zentrale Fragen rund um Impact Investing.

Die drei ??? und Impact Investing

Die drei ???
und Impact Investing

Investoren pochen immer öfter auf eine messbare Wirkung ihres Investments. Doch das ist gar nicht trivial. Denn nach wie vor gibt es sehr unterschiedliche Antworten auf zentrale Fragen rund um Impact Investing.

Von Detlef Fechtner, Frankfurt

Ein ESG-Portfolio ausschließlich über Ausschlusskriterien zu steuern, war gestern. Und auch eine Portfolioauswahl allein durch ein Best-in-Class-Ranking wird unter Vermögensverwaltern zunehmend kritisch hinterfragt. Dafür gewinnt die Idee eines wirkungsbezogenen Ansatzes immer mehr Zuspruch. Impact Investing ist in aller Munde.

Im Unterschied zum altruistischen Spenden ist Impact Investing mit einem Renditeziel verbunden. Und anders als Social Responsible Investing wird die Minderung von Schadstoffen und sozialen Verwerfungen beim Impact Investing aktiv verfolgt, explizit festgelegt und anhand von Messkennziffern überprüft. Insofern gibt es durchaus ein gemeinsames Grundverständnis: Die Wirkung muss positiv, messbar und beabsichtigt sein, damit eine Kapitalanlage als Impact Investing eingestuft werden kann. So weit, so einfach. Doch unter Finanzprofis ebenso wie unter Wissenschaftlern werden aktuell noch unbeantwortete Fragen kontrovers diskutiert, die sich nicht als Detailaspekte kleinreden lassen.

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Frage eins betrifft die Größenordnung („magnitude“). So stellt etwa Timo Busch, BWL-Professor an der Universität Hamburg und einer der gefragtesten Ansprechpartner zum Thema, die Frage, wann man von Impact Investing sprechen könne – bei einer Einsparung von einer Tonne Kohlendioxid oder erst bei Einsparung von 100.000 Tonnen? Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass der Begriff "Impact" ausgehöhlt werden könnte, wenn er auch auf Investments in Unternehmen angewendet wird, deren Geschäftsmodell nur eine marginale Wirkung auf Umwelt oder Soziales hat. Um das zu verhindern, wird unter anderem vorgeschlagen, den Investments Zielpfade zugrunde zu legen, mit denen das 2-Grad-Ziel maximaler Erderwärmung erreicht werden kann, und davon Schwellenwerte abzuleiten, die messbar und überprüfbar sind. Alternativ wird diskutiert, an Impact Investments die Anforderung zu stellen, dass sie in puncto Verringerung des CO2-Fußabdrucks zu den effizientesten 10% einer Branche zählen. Übrigens: Universitätsprofessor Busch warnt vor der verkürzenden Schlussfolgerung, dass im Sinne der Taxonomie dunkelgrüne Fonds – nämlich sogenannte Art.-9-Fonds – automatisch Impact-Fonds seien. Denn nicht alle dieser Produkte hätten einen Wirkungsbezug, sagt Busch und verweist auf aktuelle eigene Studien.

Positive und negative Wirkung

Die zweite Frage stellt auf die Tatsache ab, dass Impact Investments häufig nicht allein positive Effekte haben, sondern zugleich unbeabsichtigte negative Auswirkungen – und es ist unklar, wie ein Anleger damit umgehen soll. So kann ja beispielsweise der Neubau eines Seniorenwohnheims mit negativen Umwelteffekten einhergehen. Gegen eine rein mathematische Gegenrechnung positiver und negativer Wirkungen, also ein Netting, wie es einige Anbieter nachhaltiger Kapitalanlagen betreiben, gibt es innerhalb der Branche erhebliche Vorbehalte – und auch ohnehin grundsätzlich gegen Verrechnungen von Umwelt- mit Sozialeffekten.

Ebenfalls kontrovers diskutiert wird, ob Engagement und Stewardship – also die aktive Einflussnahme von Anteilseignern, um Unternehmen zu einem nachhaltigeren Geschäftsmodell zu bewegen – in der Praxis tatsächlich funktioniert, und zwar nicht nur bei Private-Equity-Finanzierungen, sondern auch an liquiden öffentlichen Kapitalmärkten. Ausgesprochen skeptisch ist Hanjo Allinger von der Technischen Hochschule Deggendorf, der daran erinnert, es kennzeichne ja gerade öffentliche Märkte, dass ein einzelner Investor keinen direkten Einfluss geltend machen könne. Und auch andere Nachhaltigkeitsexperten vertreten die Ansicht, dass Unternehmen erst dann reagieren, wenn Schadstoffe regulatorisch bepreist werden – nicht durch stetige Aufforderung einzelner Anteilseigner.

Engagement kann funktionieren

Demgegenüber ist Alexis Wegerich, Head of ESG Analytics beim norwegischen Staatsfonds Norges Bank Investment Management (NBIM), überzeugt: "Engagement kann ziemlich gut funktionieren." Sein Arbeitgeber, eine der größten Kapitalsammelstellen der Welt, nehme Einfluss, indem der Fonds Unternehmen auf Basis von Transitionsplänen auffordere, sich im Einklang mit den Zielvorstellungen von NBIM von braun nach grün zu bewegen. Der Fonds habe zwar kein spezielles Mandat für Impact Investing. Aber das Management gehe davon aus, dass eine attraktive Rendite langfristig davon abhänge, dass ein Unternehmen nachhaltig wirtschafte. Zwar wäre es schwierig, den Impact der Unternehmen genau zu dokumentieren, bei denen der norwegische Staatsfonds investiert ist und deren Geschäftsführung er zur Einhaltung bestimmter Ziele auffordert. Aber es gebe "anekdotische Evidenz, dass unser Engagement etwas veranlasst hat". Joel Prohin, Head of Investment Management bei der staatlichen Verwaltungsgesellschaft für die Spareinlagen französischer Bürger, der Caisse des Depots, berichtet, dass Engagement dadurch erleichtert werde, dass man im direkten Austausch mit dem Management von Zielunternehmen klare Ansagen machen könne. Es bestehe ausreichend Vertraulichkeit, "um auch einmal Tacheles zu sprechen".

Schließlich sind auch kleinere Assetmanager überzeugt, dass Engagement wirkt. So stellt Coline Pavot, Head of Responsible Investments des französischen Vermögensverwalters LFDE, fest: "Wer einen langfristigen Dialog mit dem Unternehmen führt, kann Impact generieren.“ Und auch Arnaud Gougler, Head of ESG and Strategic Projects des schweizerischen Start-ups Finreon, berichtet, dass es seinem Haus gelinge, durch Short-Positionen bei Firmen mit hohem Schadstoffausstoß Druck auf das Management auszuüben.

Eine weitere Frage, die wirkungsorientierte Investoren gegenwärtig umtreibt, ist, ob Impact, der generiert worden ist, übertragen werden kann – also ob dieser Impact nur ein einziges Mal einem Investoren angerechnet werden kann oder bei einem Handel von Wertpapieren an den nächsten Anleger "vererbt" werden kann. Schließlich halte die Verringerung von Schadstoffen ja in den Folgejahren an, argumentieren die Befürworter. Die DVFA, der Verband der Investment Professionals in Deutschland, wird sich insbesondere zu dieser Frage in den kommenden Tagen offiziell äußern, um den Finanzmarktprofis eine Handreichung zum Impact Investing zu geben.

Bleibt noch ein ganz grundsätzliches Thema, mit dem sich die Impact-Investoren gegenwärtig befassen, nämlich die Verfügbarkeit von Daten. Denn ohne die entsprechenden Daten ist der Messbarkeit von Impact – und damit dem Kern von wirkungsbezogenen Kapitalanlagen – von Vorneherein die Grundlage entzogen. Die Hauptquelle für Daten seien nach wie vor die Unternehmensberichte. Hier setzen institutionelle Investoren auf künstliche Intelligenz. Sie hoffen, dass es KI künftig erheblich vereinfachen wird, nützliche nichtfinanzielle Informationen aus Texten zu extrahieren.

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