Finanzen und Technik – GastbeitragSchub durch KI

Banken auf dem Weg zur Volldigitalisierung

Digitalisierung darf nicht bei der Oberfläche im Online- und Mobile-Banking enden, sondern muss tief in die Prozesslandschaft greifen. Hier kommt Künstliche Intelligenz ins Spiel, denn sie sorgt für ein neues Level an Digitalisierung.

Banken auf dem Weg zur Volldigitalisierung

Schub durch KI: Banken auf dem Weg zur Volldigitalisierung

Bankkunden erwarten heute mehr als digitale Zugänge über Online- und Mobile-Banking – sie wollen Banking-Prozesse, die ohne Unterbrechung und manuelles Eingreifen funktionieren und direkt, intuitiv und vollständig digital zum gewünschten Ergebnis führen. Für Banken bedeutet das: Digitalisierung darf nicht bei der Oberfläche im Online- und Mobile-Banking enden, sondern muss tief in die Prozesslandschaft greifen.

Viele Institute haben in den vergangenen Jahren vor allem die direkte Kundenschnittstelle digitalisiert. Dahinter aber, im Backoffice, laufen Prozesse vielfach noch mit fragmentierten Prozessketten oder manueller Nachbearbeitung. Dies liegt daran, dass bislang vor allem regelbasierte Prozesse digitalisiert werden konnten – standardisierte Abläufe mit klaren Wenn-Dann-Logiken. Denkt man Digitalisierung jedoch ganzheitlich, müssen Prozesse end-to-end betrachtet werden.

Prozessuale Schmerzpunkte und Komplexitäten erkennen

Und hier kommt Künstliche Intelligenz (KI) ins Spiel: Sie dient als Schub für die Digitalisierung, da sie auch komplexe, variable Prozesse, die bisher manuelle Eingriffe erforderten, vollständig digital abbildbar macht. KI sorgt dadurch für ein neues Level an Digitalisierung. Dies lässt sich kurz am Beispiel der ING zeigen. Zur systematischen Messung des Digitalisierungsgrads hat die ING im Jahr 2022 gruppenweit den „DIGI-Index“ eingeführt – also den Prozentsatz der Customer Journeys, die vom Kunden ohne manuelle Eingriffe komplett digital durchlaufen werden. Klassische Digitalisierung hat den Index von Beginn der Messung Ende 2021 bis Ende 2023 um jährlich ca. zwei bis drei Prozentpunkte steigen lassen. Der Einsatz von KI hat den Anstieg signifikant beschleunigt, sodass die bisher jährlichen Wachstumsraten von zwei bis drei Prozentpunkten nun vierteljährlich erfolgen, was den Index bis Ende des dritten Quartals 2025 auf 86% hat steigen lassen.

Für diesen beschleunigten Anstieg mittels KI gibt es zwei Gründe: (1) Zum einen bietet KI zusätzliche Möglichkeiten, Prozesse volldigitalisiert abzubilden, (2) zum anderen lassen sich prozessuale Schmerzpunkte und Komplexitäten noch genauer erkennen und beheben.

  1. Gerade im Backoffice bietet KI neue Möglichkeiten, Prozesse zu digitalisieren. Beispielsweise in der Baufinanzierung: Aus amtlichen und öffentlichen Datenquellen lässt sich für die Objektbewertung mithilfe von GenAI ein digitaler Zwilling der Immobilie bilden, der eine digitalisierte Immobilienbewertung als Grundlage für die Kreditentscheidung liefert. Aus einem komplexen, tagelangen Verfahren wird so ein volldigitaler und wenige Sekunden laufender Prozess, für den der Kunde zudem weniger Unterlagen bereitstellen muss. Bei Konsumentenkrediten kann die manuelle Überprüfung von Gehaltsnachweisen entfallen. Stattdessen führt KI einen digitalen Check durch – schnell und bequem für den Kunden und mit höherer Genauigkeit in der Erkennung von Betrugsfällen als bei menschlicher Bearbeitung. Der technologische Fortschritt bietet aber noch mehr: Mit Agentic AI ist bereits die nächste Ausbaustufe in der Realisierung. Anstelle manueller Datenerfassung führen digitale Agenten Kunden durch Prozesse und führen Prüfungen eigenständig durch. Dies macht Prozesse für Kunden noch schneller, einfacher und bequemer und verbessert das Service-Erlebnis.
  2. Auch in der Prozessanalyse bietet KI bedeutsame Mehrwerte. So lassen sich mithilfe von Process Mining und KI-gestützter Analyse von Kundenanfragen Schwachstellen in Prozessketten erkennen, weil KI in Millionen unstrukturierter Daten Strukturen aufzeigt und so Probleme in den weitverzweigten Journeys aufgedeckt werden, die manuell nur schwer zu identifizieren sind.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass KI die Möglichkeit schafft, Prozesse zu bauen, die außergewöhnliche Kundenerlebnisse schaffen. Diese Möglichkeiten nicht zu ergreifen, ist dabei keine Option, denn zum einen werden sich Kunden dorthin orientieren, wo sie die besten Serviceerlebnisse bekommen, und zum anderen nutzen auch Betrüger zunehmend KI. Manuelle Prozesse stoßen im Kampf gegen Betrug schnell an ihre Grenzen. Um Angriffe auf KI-Basis wirksam abzuwehren, braucht es ebenfalls intelligente Systeme. Nur KI kann hier gegen KI gewinnen.

KI ist somit ein unverzichtbarer Enabler für noch einfachere, noch bequemere, noch sicherere und insgesamt noch bessere Kundenerlebnisse und damit eine zwingende Notwendigkeit für zukünftiges Wachstum.