GELD ODER BRIEF

Enagás sucht Wachstum im Ausland

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 15.9.2017 Risikoscheue Anleger setzen gerne auf große Versorger in regulierten Märkten. Enagás, der Betreiber von Infrastruktur für Erdgas, profitiert von diesem Profil. Das ehemalige spanische...

Enagás sucht Wachstum im Ausland

Von Thilo Schäfer, MadridRisikoscheue Anleger setzen gerne auf große Versorger in regulierten Märkten. Enagás, der Betreiber von Infrastruktur für Erdgas, profitiert von diesem Profil. Das ehemalige spanische Staatsunternehmen hat praktisch ein Monopol für das Gasnetzwerk in Spanien und operiert zudem zunehmend im Ausland. Die Aktie schwankt seit geraumer Zeit in einer Spanne von 21 bis 26 Euro und hat sich derzeit bei 24 Euro eingependelt. Der Konsens der Analysten sieht den Wert mittelfristig bei 26 Euro, was nicht gerade ein gewaltiges Wertsteigerungspotenzial bietet. Doch der Reiz von Enagás ist die hohe Ausschüttung. Nach dem Stromversorger Endesa hat das Unternehmen von allen Werten des Schwergewichtsindex Ibex 35 die höchste Dividendenrendite pro Aktie, mit rund 6 %. Bis 2020 soll die Dividende jährlich um 5 % erhöht werden. Schlüsselrolle für ErdgasSpanien hat in den Jahren des Baubooms seine Infrastruktur für Erdgas kräftig ausgebaut, da dieser Kraftstoff in der Energiewende hin zu sauberen Quellen von der Politik eine Schlüsselrolle zugewiesen bekam. Neben den Leitungen und Depots betreibt Enagás auch mehrere Regasifizierungsanlagen für den Import von Flüssiggas per Schiff. Das Unternehmen ist weder an der Förderung noch am Vertrieb von Erdgas beteiligt und beschränkt sich allein auf den Transport. Der Unternehmensvorsitzende Antonio Llardén zeigte sich bei der Vorlage der Halbjahreszahlen im Juli zuversichtlich, dass mit Emmanuel Macron im Elysée-Palast nun auch der seit langem geplante und von der Europäischen Union geförderte Ausbau der Verbindungen der Gasnetze zwischen Frankreich und Spanien vorankommt.Enagás profitierte in der ersten Jahreshälfte von einer stärkeren Nachfrage nach Erdgas in Spanien. Denn die klimatologischen Bedingungen ließen die Stromerzeugung durch Wasser und Wind einbrechen, sodass die Versorger wieder mehr auf fossile Brennstoffe zurückgreifen mussten. Zudem läuft Spaniens Konjunktur besser als erwartet. Auch die spanische Regierung hat zuletzt ihre Wachstumsprognosen nach oben revidiert und rechnet nach 2016 auch für dieses Jahr mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von über 3 %.Im ersten Halbjahr stieg die Nachfrage nach Erdgas in Spanien im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,5 %. Für das Gesamtjahr erwartet Enagás-Chef Llardén noch ein Wachstum von 3 %. Das Unternehmen erzielte in den ersten sechs Monaten einen Umsatz von 688 Mill. Euro und einen Reingewinn von 269 Mill. Euro. Für das Gesamtjahr erwartet Llardén einen Nettogewinn von 435 Mill. Euro, 5 % mehr als in 2016. Am Wachstum haben die Auslandsbeteiligungen einen zunehmenden Anteil, wie zuletzt die vollständige Konsolidierung der Tochter GNL Quintero in Chile.Enagás ist in der spanischen Firmenlandschaft ein ungewöhnliches Modell. Die staatliche Beteiligungsgesellschaft SEPI hat 5 % der Anteile an dem 1970 gegründeten früheren Staatskonzern. Den Statuten nach darf an diesem strategisch wichtigen Unternehmen kein privater Anleger mehr als 5 % besitzen, und die Stimmrechte sind auf 3 % beschränkt. Die Europäische Kommission hat dieses Modell bereits angefochten. Von den anderen großen Investoren wie BlackRock, Fidelity oder Bank of America ist keiner im Aufsichtsrat vertreten. Dieser wird von ehemaligen Politikern, insbesondere der regierenden konservativen Volkspartei PP, dominiert. Einige ehemalige Minister sind als “unabhängige” Mitglieder in dem Gremium vertreten. Experten für Corporate Governance kritisieren diese Verhältnisse zwar. Den privaten Aktionären ist es aber nur recht, da Enagás dadurch eine vorteilhafte Behandlung durch die Politik erwarten kann.Während der Konzern im spanischen Heimatmarkt auf soliden Beinen steht, sorgen vor allem die Geschäfte im Ausland für Bewegung am Markt. So wurde vor einem Monat die Ankündigung, sich an einem Konsortium zum Kauf einer Mehrheitsbeteiligung am griechischen Netzbetreiber Defsa zu beteiligen, an der Börse gut aufgenommen. Enagás ist in dieser Region bereits vertreten, über eine Minderheitsbeteiligung an der Trans Adriatic Pipeline (TAP), über die Erdgas von Aserbaidschan über den Südbalkan nach Italien transportiert werden soll. In Europa ist das Unternehmen sonst noch mit 50 % am schwedischen Netzbetreiber Swedegas beteiligt.Wie andere spanische Konzerne begann auch Enagás die Auslandsexpansion in Lateinamerika, wo man neben Chile auch Geschäft in Mexiko und Peru führt, darunter Leitungen, Depots und Regasifizierungsanlagen. Im vergangenen Jahr gingen 78 % der Investitionen in Höhe von 912 Mill. Euro ins Ausland. Damit habe man bereits einen “großen Teil” der bis 2020 eingeplanten Investitionen für den Ausbau des internationalen Geschäfts vorweggenommen, betonte Llardén im Jahresbericht des Unternehmens.Die Analysten begrüßen die Schritte von Enagás ins Ausland, da dadurch das Wachstumspotenzial deutlich steigt. Allerdings liegen in fremden Ländern auch erheblich Risiken, wie das Beispiel Peru in den letzten Monaten gezeigt hat. Dort sind die Spanier an einem Konsortium zum Bau eines großen Erdgasnetzwerks, Gasoducto del Sur Peruano, beteiligt. Anfang des Jahres entzog die Regierung in Lima die Lizenz, da der Konsortialführer, der brasilianische Baukonzern Odebrecht, wie andernorts in Lateinamerika auch in Peru in großem Maße Politiker bestochen haben soll. Enagás wird zumindest ein Mitwissen bei diesen korrupten Machenschaften angelastet. Den Spaniern drohen nun Verluste von rund 450 Mill. Euro durch das gescheiterte Projekt. Enagás gibt dieses Geld aber noch nicht verloren.Der Skandal in Peru ist auch einer der Gründe dafür, dass die Ratingagentur S & P im Juli den Ausblick für Enagás von “stabil” auf “negativ” herunterstufte, die Note “A-” wurde aber bestätigt. Außerdem verwies die Agentur auf zunehmende Risiken an der Adria-Pipeline, wie auch die Gefahr, dass der regulatorische Rahmen in Spanien sich 2020 zuungunsten des Netzwerkbetreibers ändern könnte.Die Schulden, die zuletzt wegen Chile leicht auf 5,2 Mrd. Euro gestiegen waren, sollen bis Jahresende auf 4,8 Mrd. gesenkt werden. Die Aktien haben derzeit ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 12. Laut Bloomberg raten derzeit 7 Analysten zum Kauf, 6 zum Verkauf und weitere 17 raten, die Aktie zu halten.