"Mit VW ist wieder zu rechnen"
Gerhard Wolf, Automobilanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg, sieht in dem Bond-Deal von VW einen klaren Erfolg. Wolf meint, dass am Bondmarkt nun mit VW wieder als fester Größe zu rechnen ist.- Herr Wolf, VW ist an den Bondmarkt zurückgekehrt. Das wurde ja so langsam auch Zeit, oder?Ja, der Markt hat schließlich lange genug darauf gewartet. Außerdem wurde ein Auftritt ja bereits angekündigt. Die bis dahin letzte Euro-Benchmark-Transaktion war Anfang August 2015. Nach Bekanntwerden der Diesel-Affäre konnte VW zunächst nicht mehr an den Markt. Zum einen wäre es viel zu teuer gewesen, zum anderen gab es einfach die enorme Unsicherheit über die finanziellen Auswirkungen und damit auch ungeklärte rechtliche Fragen. Diese gehören jedoch zwingend in einen Prospekt. Gleichwohl war VW nicht untätig und hat in den zurückliegenden anderthalb Jahren erfolgreich andere Finanzierungsquellen genutzt wie Kundeneinlagen, ABS, Commercial Paper und verschiedene bilaterale Transaktionen. Über diese Finanzierungsalternativen hinaus hatte VW bislang aber auch keinen Zusatzbedarf an liquiden Mitteln. Das laufende Geschäft wirft ausreichende Mittel ab, dazu kamen Beteiligungsverkäufe, die die Kassenposition gestärkt haben. Doch seit dem vierten Quartal beginnen nun die Auszahlungen für Entschädigungen und Strafzahlungen.- Wie beurteilen Sie den Aufritt?Aus Unternehmenssicht ist das eindeutig ein Erfolg. Da ist zum einen das enorme Ordervolumen von mehr als 25 Mrd. Euro, das VW bei den Anlegern generiert hat. Davon nimmt VW nun 8 Mrd. Euro und hat damit auf einen Schlag mehr als die Hälfte seiner Bondfälligkeiten in diesem Jahr refinanziert. Auch das Pricing ist fair, vergleicht man es mit anderen Herstellern ähnlicher Bonität am Markt. Es ist tragbar für VW und dennoch interessant für Investoren. Diese bekommen zunächst einen Aufschlag und dürfen dann eine Einengung beim Spread, das heißt Kurssteigerungen erwarten. Bei den Risiken sehen wir beim Thema Diesel insbesondere in den USA klarer. Gleichzeitig haben sich die Bond-Spreads nach der Ausweitung 2015/16 wieder deutlich reduziert. Auch die Liquidität ist gut und das Rating auf dem jetzigen Niveau stabil.- VW hat fast die gesamte Kurve bedient von zwei bis zehn Jahre Laufzeit. Sind zehn Jahre Laufzeit nicht ein besonders mutiger Schritt?In der Tat ja. Gleich mit der ersten Kapitalmarkttransaktion nach über anderthalb Jahren die lange Laufzeit von zehn Jahren anzubieten ist schon progressiv. Schließlich gibt es die Restunsicherheiten in Europa, was Klagen von Kunden, Verbraucherschützern und Anlegern angeht. Das wird sich meiner Einschätzung nach auch noch sehr lange hinziehen. Dann kommt der strukturelle Umbruch in der Branche hinzu. Die Autowelt in zehn Jahren wird deutlich anders aussehen als heute. Die Grundlagen dafür müssen aber jetzt gelegt werden. Und schließlich reagieren Zehnjahresbonds sehr viel sensibler auf Zinssteigerungen. Aber bei dem gegenwärtigen Niedrigzinsumfeld und den aktuell laufenden EZB-Bondkäufen musste VW es einfach auch wagen, sich das günstige Zinsniveau langfristig zu sichern. Die Investoren hatten aber auch genügend Auswahl mit den anderen Tranchen. Das Zinsänderungs- beziehungsweise Volatilitätsrisiko wird schließlich auch über eine höhere Prämie als bei den kürzeren Laufzeiten ausgeglichen.- Werden wir VW jetzt wieder als regelmäßigen Emittenten in Europa sehen?Ich denke ja. VW war ja vor der Diesel-Affäre einer der ganz großen Daueremittenten am Euro-Bondmarkt. Für die eigene Absatzfinanzierung braucht VW den Kapitalmarkt als wichtigen Finanzierungskanal. Der Bondmarkt ist zwar nur einer von vielen Kanälen, die VW nutzt, neben Einlagen, ABS und Banklinien. Aber bei einem Gesamtfinanzierungsvolumen von aktuell knapp 155 Mrd. Euro auf Konzernebene ist gerade die Vielfalt und die Nutzung aller Finanzierungsmittel sehr wichtig. So stehen allein dieses Jahr noch rund 12 Mrd. Euro an Bonds zur Refinanzierung an. Hinzu kommen die Straf- und Entschädigungszahlungen und das weitere Absatz- und Finanzierungswachstum.- Wie geht es weiter?VW hat bereits angekündigt, noch in diesem Jahr auch den Markt für Dollaranleihen zu testen. Auch andere Währungen mit anderen Finanzierungsarten hat VW schon in den vergangenen Monaten sehr rege genutzt. So wurde jüngst ein Schuldschein über 900 Mill. sowohl in Euro als auch in Dollar platziert. Ähnliches passierte in mehreren ABS- und Private-Placement-Transaktionen. Sogar Hybridanleihen wurden von VW selbst für die zweite Jahreshälfte ins Gespräch gebracht. Es dürfte also spannend bleiben, und mit VW ist wieder zu rechnen.—-Das Interview führte Kai Johannsen.