Die EZB muss beim digitalen Euro noch viel Überzeugungsarbeit leisten
Die EZB muss beim digitalen Euro noch viel Überzeugungsarbeit leisten
Heikles Vorhaben der EZB
Der digitale Euro soll bis 2029 kommen. Die Notenbank muss jedoch noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Die Skepsis ist groß, bei Banken, in der Bevölkerung und in der Politik.
Von Martin Pirkl, Frankfurt
Offiziell beschlossen ist noch nichts, doch eigentlich hat niemand mehr Zweifel daran, dass der digitale Euro in einigen Jahren gesetzliches Zahlungsmittel in der Eurozone sein wird. „Das Ende der Vorbereitungsphase sollte ein Weckruf für die Banken sein“, sagt Milya Safiullina, Analystin bei Scope. „Die Banken sollten nun schauen, wie sie ihn in ihre Systeme integrieren und wie sie basierend auf den digitalen Euro Geschäftsmodelle entwickeln.“
Im Oktober hat die EZB die sogenannte Vorbereitungsphase beim digitalen Euro für erfolgreich beendet erklärt. Mitte 2027 soll eine Pilotphase für Tests starten, für 2029 peilt die Notenbank die Einführung des digitalen Zentralbankgeldes ein. Das alles steht jedoch unter dem Vorbehalt, dass die EZB auch grünes Licht vom Gesetzgeber in Brüssel erhält. Der Rat der EU befürwortet ausdrücklich das Vorhaben, im EU-Parlament ist die Skepsis dagegen größer. Ausgerechnet der Berichterstatter für dieses Thema, der Spanier Fernando Navarrete, gehört zu den schärfsten Kritikern.
Kritik aus dem EU-Parlament
Er fordert: Nur wenn klar ist, dass es keine Lösung aus der Privatwirtschaft gibt, die die europäische Souveränität im Zahlungsverkehr sicherstellt, soll der digitale Euro in der von der EZB geplante Fassung kommen. Andernfalls reicht die Offline-Variante. Ob sich Navarrete mit diesem Ansinnen durchsetzen kann, erscheint fraglich.
Doch nicht nur in Brüssel muss die EZB noch viel Überzeugungsarbeit leisten. „Der digitale Euro ist wie jede andere Währung Vertrauenssache. Hier bedarf es noch Arbeit der EZB“, sagt Alexander Schroff, Head of Financial Services DACH bei Publicis Sapient. Das Beratungsunternehmen für digitale Business Transformation gehört zu den externen Dienstleistern, die an der Ausgestaltung des digitalen Euro arbeiten.
Wo ist der Mehrwert beim digitalen Euro?
Der digitale Euro soll zwar gesetzliches Zahlungsmittel werden, ein Zwang zur Nutzung ist aber nicht geplant. Damit das Projekt der EZB am Ende zum Erfolg wird, müsste die Notenbank also die Bevölkerung überzeugen, dass der digitale Euro einen Mehrwert gegenüber den bereits bestehenden digitalen Bezahlmethoden der Privatwirtschaft bietet. Die Frage nach der Souveränität Europas im Zahlungsverkehr wird für die meisten Menschen wohl kein schlagendes Argument sein.
Anders könnte es mit dem Schutz der Privatsphäre aussehen, ein Punkt, der gerade den Deutschen wichtig ist. „Die Offline-Variante des digitalen Euro könnte bezogen auf den Datenschutz für Nutzer schon spannend sein“, sagt Marc Pussar, Partner bei KPMG Law. Auch die EZB entdeckt dieses Feature zunehmend für die Vermarktung. Die Zahlungen ohne Internetverbindung sollen eine bargeldähnliche Anonymität gewährleisten, etwas, was es so bei anderen digitalen Bezahlmethoden noch nicht gibt.
Skepsis in der Bevölkerung
Doch in der Bevölkerung gibt es diesbezüglich durchaus ein Vertrauensproblem. Bei einer Umfrage des Beratungsunternehmen Bearing Point gaben nur 13% der Befragten an, dass sie Transaktionsdaten der EZB oder den nationalen Notenbanken anvertrauen möchten. Zum Vergleich: Die Hausbank kommt auf 42%. Ein klares Misstrauensvotum gegenüber der EZB also. Und wer der Zentralbank misstraut, der wird ihr mutmaßlich auch nicht glauben, dass sie mit dem digitalen Euro keine Daten sammelt und auswertet.
Hinzu kommt, in der bargeldaffinen Bevölkerung dürfte das Misstrauen gegenüber der EZB überproportional groß sein. Denn ein Teil von ihnen nutzt Bargeld deshalb, weil sie dem Staat und Institutionen wie der EZB kritisch gegenüberstehen. Schlecht für die EZB: Denn eigentlich gehören Anhänger von Bargeld zu denjenigen, die theoretisch den größten Nutzen im digitalen Euro sehen können. Mit Schein und Münze zu bezahlen, ist digital einfach nicht möglich. Das digitale Zentralbankgeld könnte diese Lücke im Onlinehandel so weit wie möglich schließen, wenn die EZB ihrem Anspruch gerecht werden sollte, die Eigenschaften von Bargeld so gut es geht auf den digitalen Euro zu übertragen.
Der Handel hofft
Laut der Umfrage von Bearing Point nutzen fast 70% der Deutschen mehrmals die Woche Bargeld. Nur rund ein Viertel hat vor, den digitalen Euro genauso oft zu benutzen. Die Diskrepanz lässt sich zum Teil sicherlich auch dadurch erklären, dass je nach Umfrage ein Drittel bis die Hälfte über den digitalen Euro nichts weiß. Nur durch Unwissenheit lässt sich die Diskrepanz zwischen der Nutzung von Bargeld und der geplanten Nutzung von digitalen Euro nicht erklären.
Doch es gibt auch klare Befürworter des digitalen Euro außerhalb der Büros von Notenbankern. Dazu zählt etwa der Handel. „Der digitale Euro bietet insbesondere dem Handel Vorteile, da die Gebühren voraussichtlich niedriger sein werden als bei digitalen Bezahlmethoden der Privatwirtschaft“, sagt Lena Dräger, Professorin für Geld und Internationale Finanzwirtschaft an der Leibniz Universität Hannover und Leiterin der Forschungsgruppe Monetäre Makroökonomie am Kiel Institut für Weltwirtschaft.
Ein Pluspunkt für die Verbreitung des digitalen Euro könnte zudem die Akzeptanzpflicht für den Handel werden. Wer etwa mit Visa- oder Masterkarte bezahlen will, erlebt in Deutschland immer wieder, dass dies nicht möglich ist. Das soll es beim digitalen Zentralbankgeld nicht geben.
Konkurrenz durch Stablecoin und Wero
Scharfe Kritik am digitalen Euro gibt es dagegen von Ignazio Angeloni. „Das Konzept sieht jetzt schon alt aus mit Blick auf Stablecoin und Wero“, sagte das ehemalige Mitglied des EZB-Aufsichtsrats bei einer Veranstaltung zum Geldwesen. Die EZB solle nochmal überdenken, ob sie den digitalen Euro wirklich einführen will.
