NOTIERT IN WASHINGTON

Ein Präsident außer Rand und Band

Die politische Seifenoper, die sich an der 1 600 Pennsylvania Avenue in Washington mit Donald Trump in der Hauptrolle abspielt, könnte sich einem dramatischen Höhepunkt nähern. Der US-Präsident liegt nicht nur mit seinem Außenminister Rex Tillerson...

Ein Präsident außer Rand und Band

Die politische Seifenoper, die sich an der 1 600 Pennsylvania Avenue in Washington mit Donald Trump in der Hauptrolle abspielt, könnte sich einem dramatischen Höhepunkt nähern. Der US-Präsident liegt nicht nur mit seinem Außenminister Rex Tillerson im Clinch, sondern hat sich zudem mit einem der einflussreichsten Republikaner im Senat überworfen. Was auf den ersten Blick aussieht wie eine weitere peinliche, aber bedeutungslose Entgleisung könnte jedoch tiefgreifende Folgen für die politische Agenda des 45. Präsidenten haben. Gleichzeitig mehren sich die Anzeichen dafür, dass ein zunehmend frustrierter Trump sich selbst gegen seine engsten Berater abschirmt und in eine Isolierung gerät, die im Weißen Haus und auf dem Kapitolshügel große Sorge bereitet.Die jüngste Lawine an Tweets und persönlichen Beleidigungen hatte vergangene Woche mit einem doppelten Aufguss begonnen, der den Präsidenten offenbar in unkontrollierte Rage versetzte. Zunächst berichtete der Fernsehsender NBC, dass Tillerson seinen Chef als “Idiot” bezeichnet habe. Anlass für die Bemerkung soll Trumps Rede vor den Boy Scouts of America gewesen sein, dem Dachverband der Pfadfinder, den Amerikas Chefdiplomat früher selbst geleitet hatte. Anstatt dort über Tugenden wie Fleiß, Nächstenliebe oder Selbstdisziplin zu referieren, prahlte der 71-Jährige mit der Publikumsgröße sowie seinen Siegen bei den Vorwahlen zur Präsidentschaft im vergangenen Frühjahr.Zunächst versuchte das Weiße Haus, den Disput herunterzuspielen. Trump äußerte den üblichen Verdacht, dass es sich um “fake news” handle. Als Tillerson sich aber bei einem spontanen Auftritt vor Journalisten dann weigerte, die Meldung zu dementieren, schien klar, dass er in der Tat den Intellekt seines Chefs in Frage gestellt hatte. Am selben Tag rieb dann Bob Corker, der mächtige Chef des auswärtigen Ausschusses im Senat, Salz in die Wunden. Er meinte, dass lediglich Tillerson, Pentagon-Chef James Mattis und Stabschef John Kelly die Nation “vor Chaos” bewahren. Diese Woche setzte er dann mit der Bemerkung nach, dass der Präsident sich anschicke, Amerika “in den dritten Weltkrieg zu führen”. Tief ins Mark dürfte Trump die Behauptung getroffen haben, dass das Weiße Haus an eine “Kindertagesstätte für Erwachsene” erinnere und Aufseher offenbar “eine Schicht verpasst” hätten, als der Präsident eine weitere Tirade an beleidigenden Tweets in sein Smartphone hämmerte.Der Schlagabtausch zwischen Trump und dem Senator, der früher zu seinen eifrigsten Verfechtern zählte und sogar als Außenminister im Gespräch war, verläuft wie gehabt unterhalb der Gürtellinie. Erneut hat der Präsident Äußerlichkeiten thematisiert und mokiert sich mit dem abschätzigen Spitznamen “Liddle Bob” über die Körpergröße des Parlamentariers, der als Kandidat für Tillersons Posten seinerzeit angeblich auch deswegen ausschied, weil er “nicht groß genug ist”. Auch wird weiterhin über Tillersons Zukunft spekuliert, dies, obwohl er versicherte, weiter an Bord bleiben zu wollen.Dabei übersieht Trump inmitten des Chaos die gravierenden politischen Konsequenzen seines kindisch anmutenden Verhaltens. Zunächst unterminierte er mit einem Tweet über “Little Rocket Man” Kim Jong-un Tillersons Bemühungen, bei einem Besuch in China den Nuklearstreit mit Nordkorea einer diplomatischen Lösung zuzuführen. Nun könnte Trump nach Ansicht führender Kongressmitglieder auch den umjubelten Versuch einer Steuerreform zum Scheitern verurteilt haben. Das eskalierende Wortduell zwischen Trump und Corker hat den Senator aus Tennessee bereits zu dem Hinweis bewogen, dass er wegen der mangelnden Gegenfinanzierung wohl gegen die Steuerreform stimmen werde.Beunruhigt sind Politiker beider Parteien aber über ein grundsätzlicheres Problem, nämlich Trumps zunehmende Isoliertheit. Nach Berichten aus dem Weißen Haus erleben Mitarbeiter einen unkontrollierten Wutanfall nach dem anderen. Beängstigend sei dies gerade angesichts der immensen Machtfülle eines Präsidenten, der sich im äußersten Fall sogar den Warnungen seiner fähigsten Berater widersetzen und einen Nuklearangriff in Auftrag geben könnte.