GastbeitragZahlungsverkehr

Polarisierung beim digitalen Euro schadet der EU

Der digitale Euro steht insbesondere im Bankensektor in der Kritik. Für die Souveränität Europas sei das EZB-Projekt jedoch unabdingbar, argumentiert Klaus Fleischer, emeritierter Professor an der Hochschule München in einem Gastbeitrag.

Polarisierung beim digitalen Euro schadet der EU

Polarisierung beim digitalen Euro schadet der EU

Das politische Klima zwischen den USA und der EU trübt sich gegenwärtig immer mehr und mehr ein. Für Europa vollzieht sich ein Wandel von einer jahrzehntelang problemlos verlaufenden Abhängigkeit in eine potenzielle Gefahrensituation. Die US-Zollpolitik belegt, wie schmerzhaft die Folgen sein können. Gleiches gilt für die Kapitalmärkte und die Abhängigkeit von US-Bigtechs im Zahlungsverkehr und E-Commerce. So warnen erste Stimmen, dass die EU gleichermaßen durch US-Sanktionsandrohungen bis hin zur Sperrung von Zahlungssystemen im Extremfall von einem Tag auf den anderen, verwundbar sei. Erinnert sei an die erfolgten Sperrungen von US-Kartenorganisationen gegenüber Russland im Kontext des Ukrainekrieges.

Hinzu kommt ein Umfeld, das geprägt ist von technologischer Dynamik verbunden mit hohem Wettbewerbsdruck durch mächtige global operierende Tech-Konzerne. Vor diesem Hintergrund verläuft die Entwicklung im stark fragmentierten europäischen Zahlungsraum nicht reibungsfrei, sondern konträr.

Erst durch die Kenntnis des in den USA Anfang dieses Jahres verabschiedeten Genius Act, ein umfassendes großzügiges Regulierungs-Framework für die Ausgabe und den Handel von US-Stablecoins, wurde die EU wachgerüttelt. Auch der rasante Siegeszug von US-Stablecoins mit einem derzeitigen Marktvolumen von nahezu 300 Mrd. US-Dollar bestärkte die EU, den Vorbereitungsmodus zur Einführung des digitalen Euros zur Chefsache zu erklären.

Hürde fehlender Gesetzesrahmen

Große politische Hürde ist allerdings der noch nicht abgeschlossene Gesetzgebungsprozess. EU-Rat, EU-Parlament und EZB forcieren denn auch derzeit ihre Arbeit am digitalen Euro auf europäischer Ebene. Frühestens kann dann 2029 die Einführung des digitalen Euro erfolgen.


Klaus Fleischer ist emittierter Professor für Finanz- und Bankwirtschaft der Hochschule München.
Der Gastautor Klaus Fleischer ist emittierter Professor für Finanz- und Bankwirtschaft der Hochschule München.
Foto: Privat

Aufgrund der gegenwärtigen dynamischen Entwicklung mehrt sich allerdings heftiger Widerstand seitens von Politikern und Banken. Reibungspunkte sind die Ausgestaltung des künftigen digitalen Euros unter der Schirmherrschaft der EZB, die den digitalen Euro als digitales Zentralbankgeld und Schlüssel für Innovationen mit weitreichenden Funktionen gestalten möchte. Im Detail werden zwei Formen digitalen Zentralbankgeldes entwickelt. Die Retail-Version des digitalen Euros hat die Zielgruppe Bürgerinnen und Bürger im Blick und ist auf Zahlungen im Alltag ausgerichtet. Die sogenannte Wohlesale-Variante konzentriert sich auf Finanzinstitute und soll sichere, US-unabhängige große Finanzmarkttransaktionen ermöglichen.

Grundlegende Differenzen

Nach gegenwärtigem Stand liegen aber die Positionen im zuständigen Ausschuss des Europaparlaments zum Teil noch weit auseinander. Dies spiegelt die divergierenden Zielsetzungen auf nationaler Ebene und der einzelnen Parteien wider. Um einen grundlegenden Konsens zu erreichen, gilt es grundlegende bestehende Differenzen über Umfang und Rolle des digitalen Euro auszuräumen.  

Es geht um Ausstattungsmerkmale wie beispielsweise Obergrenzen für Guthaben und die Integration in vorhandene Zahlungssysteme. Aber auch die Wettbewerbssituation zu bestehenden Zahlungssystemen, die Rollenzuteilung der Banken bei Einführung und Betrieb einschließlich der Kostenverteilung stehen derzeit zur Diskussion. So priorisiert beispielsweise eine Arbeitsgruppe Finanzen der CDU/CSU in einem Positionspapier allein die Wholesale-Variante. Demgegenüber gibt die EZB in ihrem digitalen Euro sowohl der Retail- als auch Wholesale-Variante den Vortritt. Von der politischen Gemengelage dürften letztlich deren Gewichtung und Schwerpunkte abhängen.                 

Kritik der Banken

Banken nehmen derzeit eine äußerst kritische, ja ablehnende Haltung ein. In der heftigen Kritik steht das nach ihrer Meinung nicht erforderliche „digitalpolitische Prestigeprojekt“ (DSGV) und sie verweisen auf die Nutzung und den weiteren Ausbau ihrer dezentral bestehenden Infrastrukturen (BVR).

Nicht unbegründet, da sie sich aktuell mit ihrer Wero-Offensive gut aufgestellt fühlen. Bekräftigt wird diese Haltung mit dem jüngsten Zugang der Deutschen Bank und Postbank, der zu einer immer stärker werdenden europäischen Bankenallianz führt. Wero soll nach ihrer Überzeugung der vorherrschenden Dominanz – nahezu zwei Drittel der Kreditkartentransaktionen werden zurzeit im Euroraum durch außereuropäische Zahlungsdienstleister abgewickelt – wirksam entgegenwirken. Fraglich bleibt allerdings trotz anfänglicher Erfolge, ob die aus derzeit nur fünf EU-Ländern bestehende Allianz sich gegenüber den etablierten, gleichfalls stark wachsenden überseeischen Paymentanwendern durchzusetzen vermag. Auch die Kostenfrage, deren Bandbreite nach unterschiedlichen Schätzungen zwischen 6-30 Mrd. Euro weit auseinander liegt, steht im Brennpunkt ihrer Kritik.

Schwer wiegt das Hauptargument, dass bei einer Einführung des digitalen Euros eine Gefahr destabilisierender schockartiger Abflüsse von Bankeinlagen entstehen könnte. Als derzeitige Kompromisslösung wird deshalb eine Obergrenze für Guthaben von 3.000 Euro diskutiert. Aber auch die Verwässerung durch ein geplantes „Wasserfall-System“, mit dem darüber liegende Zahlungen automatisch von einem verknüpften Bankkonto abbuchbar sein sollen, steht im Widerspruch. Derartige Regelungen schränken einen gut funktionierenden Retailmarkt ein, der hohe Volumina braucht, um marktrelevant und effizient zu sein.

Das Fazit

Insgesamt verlieren Banken mit ihrer Kritik an Glaubwürdigkeit bei den Verbrauchern. Sie gefährden ihre von der EZB zugewiesene Position bei der Verteilung des digitalen Euros eine Schlüsselrolle zu übernehmen, um die strategische Autonomie und geldpolitische Souveränität Europas nachhaltig zu unterstützen. Gegen massive Einlagenabflüsse seitens der Anleger gibt es keine Garantien außer der Schaffung und Erhaltung hohen Vertrauens.

Die derzeit größte Wirtschaftsmacht ist unberechenbar und für negative Überraschungen gut. Deshalb stellt sich für die EU nicht die Frage, ob sie einen digitalen Euro braucht, sondern ob Europa die Kraft aufbringt, durch Schnelligkeit, Flexibilität und Einsatz digitaler Innovation im globalen Zahlungsverkehr autark zu werden. Dies sichert Unabhängigkeit und Souveränität und ermöglicht Skalenvorteile für ihren Wirtschaftsraum nutzbringend zu generieren.