Wirtschaftspolitik

Reiche und Wildberger wollen Wachstum durch Stimmungswandel anschieben

Weniger Bürokratie, eine kluge Regulierung und die Durchdigitalisierung Deutschlands sollen für ein Klima sorgen, das Unternehmen wieder Mut macht und Investoren überzeugt.

Reiche und Wildberger wollen Wachstum durch Stimmungswandel anschieben

Bundesminister treiben Stimmungswende an

Reiche und Wildberger versprechen weniger Bürokratie und mehr Investitionen

lz Frankfurt

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) und Bundesdigitalminister Karsten Wildberger (CDU) wollen einen Stimmungsumschwung in Deutschland initiieren, damit das Land wieder zukunftsoffener und zuversichtlicher wird. Damit Wachstum, Investitionen und Kreativität zünden, müssten nämlich zunächst Haltung und Denkweise verändert werden, legen sie unabhängig voneinander auf dem Technologiekongress TECH 2025 in Heilbronn dar. Reiche: „Wenn wir immer das Glas halb leer sehen, wie können wir dann meinen, dass Investoren unseren Standort attraktiv finden?“

Ein Ansatzpunkt: die Bürokratie. Zu stark seien die Behörden und die Regulierung darauf ausgerichtet, Entwicklung eher zu verhindern als zu fördern, beklagte etwa Reiche und versprach den Unternehmen mehr Freiräume. Das Denken, Risiken zu vermeiden, statt Entwicklungen zu fördern, habe sich über die Jahre in der Bürokratie manifestiert. Dabei sei die EU mit ihren 450 Millionen Einwohnern geradezu ein Kraftwerk an Unternehmertum. Dieser Effekt werde jedoch minimiert, wenn 27 nationale Gesetze und innerhalb Deutschlands auch noch 16 unterschiedliche Länderregeln gelten.

„Neues Mindset nötig“

Wildberger begreift die Aufgabe der Regierungsmodernisierung, die sein Ministerium erledigen soll, denn auch umfassend. Der Staat müsse sich nicht nur digitalisieren, sondern benötige selbst ein „neues Mindset“. Bürokratie müsse den Menschen wieder vertrauen, statt sie zu gängeln und zu kontrollieren. Zugleich müssten Unternehmen davon ausgehen können, dass die Regulierung „einfach und schnell“ erfolge, die Behörden sich als Dienstleister begreifen würden. Der AI-Act der EU für den Bereich der Künstlichen Intelligenz etwa, so Wildberger, müsse „so pragmatisch, wie es irgend geht“ in Deutschland umgesetzt werden.

Konkret nennt er das Projekt einer europaweiten digitalen Identität. Vom Personalausweis über den Führerschein bis zur Fahrkarte: alles werde künftig in einem digitalen Portemonnaie zusammengefasst. Das sei eine Digitalisierung, die schnell bei den Menschen ankomme und zugleich europaweit neue Geschäftsmodelle ermögliche, die wiederum Wachstum mit sich brächten. Bereits Ende 2026, so Wildberger, soll das europäische „Wallet“ an den Start gehen.

Europäische Lösungen

Sowohl Wildberger als auch Reiche plädierten dafür, bei der Modernisierung heimische digitale Lösungen für neue Technologien heranzuziehen. Nach seinen Worten ist der Zug auch bei den großen KI-Sprachmodellen (LLMs) nicht abgefahren, wie China mit Deepseek gezeigt habe. Wir hätten die Ressourcen im Land – und die Möglichkeiten. Wildberger: „Wir sollten hier all-in gehen!“

Reiche sieht für ihren Bereich aktuell fünf Stellschrauben: Eine Unternehmensbesteuerung soll den Standort wieder wettbewerbsfähig machen, der Arbeitsmarkt muss flexibilisiert werden hinsichtlich der täglichen Arbeitszeit und des Renteneintrittsalters, die Energiekosten müssten sinken, die Infrastruktur müsse durchgehend modernisiert und die Bürokratiekosten massiv verringert werden.

Neue Technologiestrategie

Außerdem arbeitet die Bundesregierung nach Reiches Worten an einer Technologiestrategie. Diese umfasst zum einen den Schutz eigener kritischer Infrastruktur, zum anderen der massiven Förderung neuer Technologien wie KI, Robotik, Biotech und Quantencomputing. Eine modernere und leistungsfähigere Infrastruktur ist nach Darstellung der Ministerin dabei die Voraussetzung. Die Modernisierung hier müsse allerdings viel schneller als bisher vorankommen und sie wirbt für ein „Corona-Tempo“, wie es bei den Impfstoffen möglich gewesen sei.

Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing mahnte auf der Konferenz in diesem Zusammenhang eine Erleichterung europäischer Finanzierung an. Voraussetzung hierfür sei auch eine Rentenreform mit Einführung einer Kapitaldeckung. Das hierbei angelegte Geld könne das Wachstum antreiben, weil es neuen und sich entwickelnden Unternehmen zur Verfügung gestellt werden könnte. Sozialreformen, so Sewing, sollten daher nicht nur mit Blick auf ihrem Ziel, die Beiträge nicht ausufern zu lassen, betrachtet werden, sondern bekämen vor diesem Hintergrund „eine noch viel größere Bedeutung“ für den Wirtschaftsstandort. Sie dürften daher auch aus diesem Grund nicht hintangestellt werden, kritisierte er.

Immerhin zeigte er sich hoffnungsvoll, dass es bei der EU-Kapitalunion wieder etwas schneller vorangeht, welche die Startup- und Wachstumsfinanzierung ebenfalls erleichtere. Sewing zufolge ist die Gelegenheit aktuell günstig, hier schnell zu Erfolgen zu kommen, da Investoren durch die US-Politik es darauf anlegten, neben der amerikanischen stets auch eine europäische Investitionsalternative zu betrachten. Sie wollten ihr Kapital diversifizieren. Und das „ist unsere Chance“, sagte er.