Berlin muss bei der Reform der Altersvorsorge Gas geben
Altersvorsorge
Reform unter Zeitdruck
Von Angela Wefers
Die Koalition muss die Reform der Altersvorsorge beschleunigen. Sonst steigen die Lasten immer stärker – auch im Bundeshaushalt.
Der jüngste Kabinettsbeschluss zur Novelle der gesetzlichen Rente hat wieder wenig Überraschendes geboten. Die Ausgaben für die Versorgung der alternden Bevölkerung steigen in den nächsten Jahren drastisch. Die schwarz-rote Koalition schreibt das Mindestniveau der gesetzlichen Altersbezüge bis 2031 fest. Die Finanzierung soll aus Steuermitteln kommen. Dabei klaffen in den nächsten Etats schon jetzt große Lücken. Die Koalition leistet sich zudem ohne Not Zusatzposten wie die Mütterrente III. Die begünstigten Frauen spüren den Effekt kaum, die Bundeskasse wird aber mit einem milliardenschweren Betrag belastet.
Ein gut austariertes Rentensystem ist für die gesamte Volkswirtschaft zentral. Beitragssteigerungen treiben die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber hoch. Steuererhöhungen würden das Wirtschaftswachstum dämpfen. Der Bundeshaushalt ächzt schon heute. Der Zuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung frisst derzeit mehr als ein Viertel der Ausgaben – mit steigender Tendenz. Bei aller Finanznot ist Deutschland eines der wenigen entwickelten Länder, das auf eine Kapitalmarktrendite für die gesetzliche Altersvorsorge verzichtet. Mehr Finanzbildung und Kenntnisse über die Funktionsweise des Kapitalmarkts könnte auch im Parlament Wunder bewirken. Denn immer wieder scheitern Bestrebungen, die Kapitaldeckung in der Altersversorgung zu stärken, an der diffusen Sorge, die Rente könne der Spekulation anheimfallen. Die Riester-Rente wurde von den Bedenkenträgen durch unnötige Vorgaben beschwert, die sie zum Rendite-Flop werden ließen.
Eine Expertenkommission soll für Schwarz-Rot den Weg weisen, wie die gesetzliche Rente finanzierbar bleibt. Die Regierung übertüncht aber nur ihren Dissens in der Rentenpolitik – etwa zur längeren Lebensarbeitszeit. Die Rentenkommission ist bislang nicht eingesetzt. Schwarz-Rot verliert so wertvolle Zeit. Es gibt keinen Erkenntnismangel. Gesetzliche, private und betriebliche Rente sind reformbedürftig. Die Ampel hatte mit der Fokusgruppe private Altersvorsorge das staatliche geförderte und nachgelagert besteuerte Vorsorgedepot angestoßen. Es scheiterte mit der Regierung. In der letzten Legislatur von Angela Merkel (CDU) hatte die „Kommission Verlässlicher Generationenvertrag“ Reformvorschläge präsentiert, aber es war viel zu spät für die Umsetzung.
Die Frühstartrente steht dagegen im Koalitionsvertrag und soll nach dem Willen des Kanzlers zum Jahresbeginn 2026 loslegen. Sie könnte tatsächlich rasch realisiert werden und die gesetzliche Rente ergänzen. Die Finanzbranche steht in den Startlöchern. Das Baby der Union müsste allerdings ein SPD-Ministerium zur Welt bringen. Dort ist die Ambition gering. Dabei wäre es ein guter Anfang, wenn die 6- bis 18-Jährigen mit einem staatlichen Startkapital von 10 Euro im Monat die Geldanlage üben könnte. Zum Gelingen müssten alle Jahrgänge mit einem Knall gemeinsam starten. Das Hineintröpfeln von Jahrgang zu Jahrgang, wie es die SPD favorisiert, dürfte zwar billiger für den Staat sein, aber unter der öffentlichen Aufmerksamkeitsschwelle bleiben und für die Anbieter der Vorsorgeprodukte unattraktiv sein.
Über die Frühstartrente hinaus sollte das Altersvorsorgedepot realisiert werden. Könnten die Jugendlichen die geringe staatliche Summe aufstocken und im Berufsleben fortführen, wäre dies ein echtes Vehikel für die Vorsorge über den Kapitalmarkt: bis zur Rente gegen Missbrauch gesperrt, ohne Vorgaben zu Anlageprodukten und offen für staatliche Förderung. Die nachgelagerte Besteuerung verschiebt nur die Steuerpflicht, wenn auch in eine niedrigere Last im Lebensabend. Deutschland könnten damit den Einstieg in eine veritable kapitalgedeckte Vorsorge schaffen. Zeit ist gerade bei Rendite kostbar. Jahrzehntelange Anlage verspricht ein solide wachsendes Vermögen. Das gesetzliche Rentensystem könnte so profitieren. Die Zeit drängt. Der demografische Wandel arbeitet gegen das System und verschärft die Lage. Schwarz-Rot muss zügig agieren, auch im eigenen Interesse. Sonst ufert auch der Rentenzuschuss aus dem Bundeshaushalt aus.