Eine Fähre weckt ESG-Hoffnungen
Eine Fähre weckt ESG-Hoffnungen
Notiert in New York
Eine Fähre als ESG-Hoffnung
Von Alex Wehnert
Zunehmend heftiger prasselt der Regen auf die Fenster des Ruderhauses ein, während die Fähre langsam, aber stetig durch den Hafen von New York gleitet. Die Fahrt zwischen der Südspitze Manhattans und Governors Island dauert weniger als zehn Minuten, vom Platz neben dem Steuer aus bieten sich dabei selbst durch den dichten Niederschlag, der die Five Boroughs an diesem Donnerstag Ende Oktober in Bann hält und zur Flut werden soll, spektakuläre Blicke auf die Skyline.
Leistungsstarkes System
Unten im Maschinenraum können die Gäste von Siemens Energy wenig später hingegen nur erahnen, auf welchem Abschnitt der kurzen Fahrt sie sich jeweils befinden, während sie zwischen dem Anleger auf der Insel und dem Terminal in Lower Manhattan hin und her kreuzen. Ed Schwarz, bei dem deutschen Unternehmen Leiter des US-Vertriebs für Schifffahrtslösungen, erklärt hier stolz, was in der nagelneuen Fähre steckt: Der seit Ende August fahrende „Harbor Charger“, die jüngste, 33 Mill. Dollar teure Ergänzung in der Flotte des Trust for Governors Island, verfügt als erste ihrer Art im Staat New York über einen Hybridantrieb.
Aktuell treiben Diesel-Generatoren das Batteriesystem an, das in zwei Bereiche aufgeteilt ist, insgesamt 870 Kilowattstunden Energie liefern und die Fähre damit teilweise oder voll elektrisch betreiben kann. Künftig soll die Fähre an Schnellladestationen an den Ufern angeschlossen werden können, sobald die nötige Infrastruktur steht, die Generatoren sollen dann nur noch Backup sein.
Wichtiger Wachstumsmarkt
Siemens Energy, die ähnliche Projekte im texanischen Galveston oder auch Seattle, Washington vorantreibt, sieht die USA als ihren wichtigsten und wohl auch diversesten Wachstumsmarkt. Die Governors Island Ferry zeigt dabei, wie autarke Nachhaltigkeitsstrategien auch in einem Umfeld funktionieren können, in dem die Regierung in Washington hart gegen ESG schießt und zahlreiche Banken und Vermögensverwalter unter dem Druck auch aus vielen republikanisch dominierten Bundesstaaten einknicken.
Denn der Trust for Governors Island ist nicht nur Fährbetreiber, sondern hat das Eiland im Hafen zum Herzstück von Initiativen gemacht, die sich um eine klimafreundliche Zukunft für die Empire City bemühen. So entsteht dort unter Führung der Stony Brook University die New York Climate Exchange, eine Forschungskooperation zu nachhaltigen Technologien. Der über 37.000 Quadratmeter große Campus soll Heimat für Teams aus zahlreichen Wissenschaftsorganisationen und Anlaufstelle für Aus- und Weiterbildung in Berufen aus grünen Wirtschaftsbereichen werden.
Besondere Finanzierungslösungen
Insgesamt soll das Flaggschiffprojekt der klimafreundlichen Programme New Yorks 700 Mill. Dollar kosten – davon haben philanthropische Stiftungen von vornherein 150 Mill. Dollar und die Stadt weitere 150 Mill. Dollar bereitgestellt, während wohlhabende Spender zusätzliche Millionenmittel beisteuern. Der Trust will sich durch diese Struktur unabhängig von der volatilen US-Bundespolitik machen. Unter Präsident Donald Trump ist dies relevanter geworden, streicht Washington in großem Stil Fördermittel für nachhaltige Technologien. Dass sich größere Transformationsprojekte aber über ähnliche Strukturen finanzieren lassen wie die Climate Exchange und die Hybrid-Fähre, bezweifeln Analysten indes noch.
