LeitartikelUS-Staatsanleihen

Geldpolitische Diffusion gefährdet den Treasury-Markt

Eine geldpolitische Diffusion zwischen den USA und Japan gefährdet Amerikas Anleihemarkt. Investoren unterschätzen nach jahrelangen Unkenrufen die Risiken.

Geldpolitische Diffusion gefährdet den Treasury-Markt

Carry-Trade

Erdbeben am Treasury-Markt

Von Alex Wehnert

Eine geldpolitische
Diffusion zwischen den USA und Japan
gefährdet Amerikas Anleihemarkt.
Investoren unterschätzen nach jahrelangen
Unkenrufen die Risiken.

Dem Treasury-Markt drohen in den kommenden Monaten häufigere und schwerere Erschütterungen. Denn zur wenig nachhaltigen Fiskalpolitik der Regierung in Washington gesellt sich nun enorme geldpolitische Unsicherheit. Auslöser für diese ist wiederum nicht länger nur die Sorge um die Unabhängigkeit der Federal Reserve, sondern auch die Aussicht auf ein divergierendes globales Zinsregime. Denn die Teilnehmer an den Finanzmärkten gehen davon aus, dass die Bank of Japan (BoJ) ihren Leitzins am Freitag erstmals seit Januar heben und ihn damit auf den höchsten Stand seit 30 Jahren treiben wird. Entsprechende Äußerungen von Notenbankgouverneur Kazuo Ueda Ende November haben die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen deutlich angetrieben.

Billionenschwere Bestände

Bis anziehende Zinsen in Japan zu einem Erdbeben im amerikanischen Finanzmarkt führen, ist es nur eine Frage der Zeit. Die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt hielt zuletzt Treasuries im Volumen von 1,2 Bill. Dollar und war führender ausländischer Gläubiger Washingtons. Der Netto-Gegenwert aller Mittel, die japanische Investoren im amerikanischen Markt investiert haben, beläuft sich auf mehr als 3 Bill. Dollar. Für diese Anlagen müssen sie umfangreiche Absicherungsgeschäfte betreiben, die infolge der jüngsten Aufwertung des Yen gegenüber dem Dollar bereits signifikant teurer geworden sind.

Die Effekte auf das Investorenverhalten dürften sich nun noch verstärken, wenn die Renditen japanischer Staatsanleihen gegenüber Treasuries mit Währungshedging noch steiler anziehen. Die Vorzeichen diesbezüglich haben sich schon in den vergangenen Monaten verändert, da eine zunehmend unter politischem Druck stehende Fed ihre Geldpolitik entscheidend gelockert hat. Indes sorgen nicht nur die Aussichten auf einen restriktiveren Kurs der BoJ, sondern auch Pläne für schuldenfinanzierte Konjunkturstimuli Tokios für steigende Verzinsungen im Land der aufgehenden Sonne.

Gefährliche Abstumpfung

Greifen japanische Institutionen künftig wieder verstärkt zu Hause zu, droht dem amerikanischen Staat eine wichtige Investorengruppe wegzubrechen. Einige Köpfe der US-Investmentszene suchen dieses Risiko mit Verweis auf die Vergangenheit herunterzuspielen: Schon 2023, als sich ein Ende der ultralockeren Geldpolitik der BoJ abzeichnete, habe die Furcht vor einem Abfluss von Nippons Billionen an der Wall Street die Runde gemacht. Gefolgt seien zwar Renditeanstiege bei Treasuries, aber kein Zusammenbruch der Nachfrage in dem mehr als 28 Bill. Dollar schweren Markt. Tatsächlich ist es dem US-Finanzministerium durch eine auf kurze Laufzeiten fokussierte Emissionsstrategie gelungen, auch große Auktionen weitgehend ohne Disruptionen abzuhalten.

Ein Wall-Street-Trader tönt gegenüber der Börsen-Zeitung sogar, von der Abwicklung des Yen-Carry-Trades höre er jetzt seit rund 20 Jahren, passiert sei aber nie etwas – der Unkenruf sei so oft erklungen, dass sich auch der letzte große institutionelle Marktteilnehmer für diese Entwicklung positioniert habe. Solche Einlassungen sind naiv und gefährlich, denn das Gegenteil dürfte der Fall sein: Gerade weil Investoren stetig mit Warnungen vor dem Ende des Carry-Trade beschallt wurden, besteht das große Risiko, dass sie abgestumpft sind und einen folgenreichen Trend ignorieren.

Fiskalische Situation eskaliert

Zentrales Problem ist, dass der Beteiligung großer ausländischer Teilnehmer am Treasury-Markt ausgerechnet zu einem Zeitpunkt ein Einschnitt droht, zu dem das Vertrauen in die Stabilität der US-Staatsfinanzen so stark wankt wie selten zuvor. Zwar haben die rücksichtslos ausgeweiteten Haushaltsdefizite und Streitigkeiten über die Anhebung der Schuldenobergrenze im Kongress schon über die vergangenen anderthalb Jahrzehnte wiederholt für Unruhe gesorgt, die konfuse Fiskalpolitik und die Verhärtung der politischen Fronten in der Amtszeit von Präsident Donald Trump treiben die Probleme aber auf die Spitze.

Zumindest erkennen Regulatoren offenbar, wie labil die Situation bei Anleihen ist. So mag die Fed ihre neuerlichen Netto-Assetkäufe als gewöhnliches Management von Geldmarktkonditionen darstellen, Veteranen aus dem Kreis der Notenbank-Beobachter sehen aber eine mit dem Finanzministerium koordinierte Strategie, um die Renditen entlang der Kurve zu drücken. Auch hat die Behörde mit der Aufweichung von Kapitalquoten die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Banken mehr Treasuries zeichnen können. Die regulatorische Umstellung droht allerdings auch die Aktivität in intransparenteren Kreditsegmenten anzuheizen und die Stabilität des amerikanischen Finanzmarkts zusätzlich zu gefährden.