Notiert inBerlin

In der Weihnachtsbäckerei

Der „Herbst der Reformen“, der an diesem Wochenende endgültig zu Ende geht, wird sehr unterschiedlich wahrgenommen. Alles eine Frage des Erwartungsmanagements?

In der Weihnachtsbäckerei

Notiert in Berlin

In der Weihnachtsbäckerei

Von Andreas Heitker

Am Sonntag beginnt kalendarisch der Winter, und damit gehört der berühmt-berüchtigte „Herbst der Reformen“ endgültig der Vergangenheit an. Das Fazit dieser viel diskutierten Jahreszeit fällt durchaus unterschiedlich aus: Da ist auf der einen Seite BDI-Präsident Peter Leibinger, der eine maßlose Enttäuschung in vielen Unternehmen erkennt. In der Wirtschaft löst das Reformtempo der Bundesregierung zunehmend Wut aus, wie Leibinger vor einigen Tagen der „Süddeutschen Zeitung“ sagte. Die Stimmung sei „extrem negativ, teils regelrecht aggressiv“.

Auf der anderen Seite kam Regierungssprecher Stefan Kornelius in dieser Woche zu einer ganz eigenen Einschätzung, indem er den Herbstbeginn gleich auf den Start von Schwarz-Rot im Mai verortete: „Ich habe nach diesen acht oder sieben Monaten das Gefühl, dass das Thema „Herbst der Reformen vollumfassend erfüllt wurde“, verkündete er in der Bundespressekonferenz. In der diesjährigen Weihnachtsbäckerei backt sich jeder so seine eigene Sicht der Dinge.

„Sehr, sehr viele Reformen“

Die Bundesregierung sieht die Fakten auf jeden Fall auf ihrer Seite: Immerhin habe das Kabinett in seinen 27 Sitzungen seit Mai schon 425 Vorhaben verabschiedet, davon 136 Gesetzentwürfe. In Umlaufverfahren seien noch drei weitere Entwürfe dazu gekommen. Insbesondere in den Bereichen Migration, Ankurbelung der Wirtschaft und äußere Sicherheit haben Union und SPD nach eigener Einschätzung geliefert. „Es sind sehr, sehr viele Reformen beschlossen worden“, hielt Kornelius den vielen Kritikern entgegen.

Dass der deutsche Gesetzgeber nichts gebacken bekommt, diesem Eindruck versuchten am Freitag sowohl Bundestag als auch Bundesrat mit Nachdruck zu entkräften. Eine pickepacke volle Agenda galt es in den jeweils letzten Sitzungen des Jahres noch vor dem Weihnachtsurlaub abzuarbeiten. So wurde in der Länderkammer noch rechtzeitig der Haushalt für 2026 durchgewunken, das Rentenpaket, Steueränderungen wie etwa die niedrigere Umsatzsteuer in der Gastronomie und die Neuordnung des Wehrdienstes. Im Reichstag wurde zeitgleich grünes Licht für das Standortfördergesetz gegeben, über das Reizthema Erbschaftssteuer und die deutsch-amerikanischen Beziehungen debattiert. Von Untätigkeit konnte auch hier keine Rede sein.

Quattro-Stagioni-Politik

Bundeskanzler Friedrich Merz hatte den öffentlichen Fokus auf den „Herbst der Reformen“ ja schon im September versucht abzumoderieren, als er im Bundestag so etwas wie eine Quattro-Stagioni-Politik präsentierte: Es werde nicht die letzte Jahreszeit sein, in der diese Bundesregierung das Land zum Besseren verändere, verkündete er den Abgeordneten. „Es wird sich ein Winter, ein Frühling, ein Sommer, ein nächster Herbst anschließen mit Reformen.“ Was das genau für 2026 bedeutet, könnte die erste Neujahrsansprache des Kanzlers zeigen, bei der es einmal mehr um das richtige Erwartungsmanagement gehen dürfte. Vielleicht war ja auch das das eigentliche Problem in der diesjährigen Weihnachtsbäckerei.