Sayonara, geliebter Pinguin!
Sayonara, geliebter Pinguin!
Notiert in Tokio
Sayonara, geliebter Pinguin!
Von Martin Fritz
Tausende Maskottchen bevölkern Japan und werben mit mehr oder weniger sinnvoller Symbolik für Städte, Sehenswürdigkeiten und Organisationen. Zum Beispiel Pipo-kun, das Maskottchen der Polizei von Tokio: Seine großen Ohren hören Bürger in Not und seine großen Augen blicken in jeden Winkel der Gesellschaft. Ein besonders bekanntes und beliebtes Maskottchen ist der gezeichnete Pinguin auf der Suica-Geldkarte des Bahnbetreibers East Japan Railways (JR East). Die Karte ermöglicht das fahrkartenlose Bahnfahren in weiten Teilen Japans.
Bezahlen per NFC-Technologie
Beim Betreten und Verlassen eines Bahnhofs hält man die Karte an der Zugangssperre über ein Lesefeld für den eingebauten NFC-Chip. Ein Zentralrechner kalkuliert den Fahrpreis in Bruchteilen einer Sekunde, bucht den Betrag von der Karte ab und öffnet die Sperre. Mit der Suica-Karte kann man aber auch in Tausenden Geschäften bezahlen. JR East führte diese elektronische Fahrkarte 2001 ein. Suica steht für „Super Urban Intelligent Card“. Die Tierfigur darauf erklärte der Bahnbetreiber so: „Der Pinguin, der aus dem fernen Südpol nach Tokio kam, war verwirrt. Während er sich im Ozean mühelos fortbewegen konnte, fand er sich in Tokio nicht zurecht. Dann traf er eines Tages Suica.“
Doch nach bald 25 Jahren heißt es nun, sich von dem Pinguin zu verschieden. JR East will sich zu einem Fintech-Powerhouse entwickeln. Im vorigen Jahr gründete der Bahnriese bereits eine Bank und kündigte im November an, bis 2032 umgerechnet 14 Mrd. Euro in Einzelhandel und Immobilien zu investieren. Eine digitale Zahlungsplattform soll die Geldkarte ersetzen. Unter dem Motto „Suica Renaissance“ wird eine Super-App viele Finanzdienste und andere digitale Services anbieten und nebenher auch die Bahnhofssperren überflüssig machen. Dafür muss der Pinguin im April 2027 einer neuen Figur weichen, die den Neustart symbolisiert.
Konkurrent zwingt zum Handeln
In den sozialen Medien wurden über die Entscheidung so berichtet, als ob eine Berühmtheit gestorben sei. Denn der Pinguin ähnelt längst einer Charakterfigur wie Hello Kitty. Zahlreiche Geschäfte verkaufen Souvenirartikel mit dem ikonischen Pinguin. Im Tokioter Shinjuku-Bahnhof, mit 3 Millionen Passagieren der verkehrsreichste der Welt, steht sogar eine Bronzestatue davon. Aber JR East muss auf den Megaerfolg des Zahlungsanbieters PayPay reagieren.
Die Finanz-App der Softbank Group startete mit dem Bezahlen per QR-Code. Seit der Gründung vor sieben Jahren gewann PayPay durch lukrative Cashback-Angebote für Kunden und den Verzicht auf Händlergebühren bereits 71 Mill. Kunden. Inzwischen bietet die App auch Bankkonten, Kreditkarten, Wertpapierhandel und Peer-to-Peer-Zahlungen an. Sogar Teile des Gehalts kann man sich in PayPay-Punkten auszahlen lassen. Softbank will PayPay mit einer Bewertung von bis zu 20 Mrd. Dollar in den USA an die Börse bringen. Einen solchen Schatz will nun auch JR East mit Hilfe der Millionen Nutzer ihres Suica-Ökosystems heben.
