KommentarCum-ex-Ermittlerin geht zu Finanzwende

Substanz statt Marktgeschrei

Der Verein Bürgerbewegung Finanzwende gewinnt mit Cum-ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker eine angesehene Kämpferin. Ihre neue Rolle verdient dabei einen kritischen Blick.

Substanz statt Marktgeschrei

Verein Finanzwende

Substanz statt Marktgeschrei

Von Jan Schrader

Finanzwende gewinnt mit Cum-ex-Chefermittlerin Anne Brorhilker eine angesehene Kämpferin. Eine Bürgerbewegung ist der Verein damit aber immer noch nicht.

Es fällt leicht, den Verein Bürgerbewegung Finanzwende als Marktschreier abzutun. Die Organisation um den ehemaligen Grünen-Abgeordneten Gerhard Schick lässt uns wissen, weshalb „die Riester-Rente in den Ruhestand gehört“, sie trommelt gegen einen „Ausverkauf des Fußballs“ an Finanzinvestoren, will die „Schufa-Macht“ weiter „bröckeln“ sehen, verspottet die DWS als „Greenwashing-Champion“, wirft dem Finanzvertrieb DVAG „sektenähnliche Strukturen“ vor, setzt den Versichererverband GDV an die Spitze der „Top-Lobbyist*innen“ und schimpft über die EU-Kommission, die mit ihren Plänen für ein Provisionsverbot als „Tiger“ gestartet und als „Bettvorleger“ gelandet sei. Der Verein, der von 7.800 Fördermitgliedern lebt, beherrscht die Zuspitzung.

Ein Tiger kommt zur NGO

Die Organisation will aber trotz allem Geschrei ernst genommen werden – und das gelingt ihr auch. Mit der Cum-ex-Ermittlerin Anne Brorhilker kommt eine prominente Oberstaatsanwältin zur Organisation. Über viele Jahre hinweg setzte sie gegen Widerstand in Finanzbranche und Politik die Strafverfolgung von Cum-ex-Steuerbetrügern maßgeblich in Gang und wurde so bundesweit berühmt. Ihr Abgang wird schon als Beleg für Mängel in der Strafverfolgung gedeutet, was ihren Nimbus unterstreicht. Hier wechselt kein Bettvorleger, sondern ein Tiger in die Geschäftsführung des finanzkritischen Vereins.

Ihre Verdienste als Cum-ex-Ermittlerin machen es der Finanzbranche schwer, gegen den Verein zu argumentieren. Denn der breit angelegte Cum-ex-Steuerbetrug, an dem viele Banken und Finanzadressen über Jahre hinweg beteiligt waren, belastet die Reputation der gesamten Branche, die sich nun mit einer angesehenen Expertin messen muss. Finanzverbände können zwar Gesetzvorschläge im Detail studieren und fachlich sauber argumentieren, aber die Öffentlichkeit haben sie noch lange nicht an ihrer Seite. Von einem Ansehen, das Brorhilker genießt, können „Top-Lobbyist*innen“ nur träumen.

Keine Bürgerbewegung, sondern ein schlagkräftiger Verein

Dabei verdient auch Finanzwende einen kritischen Blick: Der Verein verkörpert keineswegs eine breite „Bürgerbewegung“, sondern agiert zielstrebig nach den Vorstellungen seines Gründers und Lenkers Schick. Weder der Anspruch von Bürgernähe noch die Bekanntheit der Personen, sondern lediglich die Substanz des Arguments kann dem Verein Legitimität verleihen. Als Lobbyistin für die gute Sache muss sich Brorhilker erst noch bewähren.

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