Im BlickfeldUS-Präsident greift nach der Fed

Trumps Machtstreben bedroht die Notenbank

US-Präsident Donald Trump will die Kontrolle über die unabhängige Notenbank Fed an sich reißen. Die ersten Weichen hat er bereits gestellt. Bald wird ein historisches Gerichtsurteil folgen.

Trumps Machtstreben bedroht die Notenbank

Von Peter De Thier, Washington

Die Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed war in den 112 Jahren ihres Bestehens zu keiner Zeit in Gefahr – jedenfalls nicht bis zur zweiten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump. Unablässig drängt er den von ihm selbst nominierten Fed-Chef Jerome Powell zu Zinssenkungen, diskreditiert ihn und stellt seine Kompetenz infrage. Zudem hat Trump durchgesetzt, dass der ihm wohlgesinnte oberste Gerichtshof über die Zukunft einer liberalen Notenbankerin entscheiden wird: Die Anhörung, ob Lisa Cook tatsächlich ihres Amtes enthoben werden kann, ist für den 21. Januar angesetzt. Es ist durchaus vorstellbar, dass sich das mehrheitlich konservative Verfassungsgericht auf Trumps Seite stellen wird. 

Ebenfalls im Januar wird der US-Präsident einen neuen Vorsitzenden der Federal Reserve ernennen. Alles deutet darauf hin, dass er einen Loyalisten wählen wird, der geldpolitische Beschlüsse vorher mit dem Weißen Haus absprechen soll. Auch andere Entwicklungen sprechen dafür, dass die Notenbank vor dem schwierigsten Jahr in ihrer Geschichte steht. Der Kampf um die Unabhängigkeit der Fed hat richtungsweisenden Charakter – sollte Trump die Kontrolle über die unabhängigste aller staatlichen Institution an sich reißen können, dann wäre der Durchmarsch zu einem autokratischen Staat kaum noch zu bremsen.

Vielversprechender Start

Als Trump 2018 Jerome Powell Für den Notenbankvorsitz nominierte, hätte der Investmentbanker die Unterminierung seiner Unabhängigkeit kaum für möglich gehalten. Damals war Trump mit den Zinsbeschlüssen seines Kandidaten durchaus einverstanden. Die Wirtschaft war mit einer Wachstumsrate von knapp 3% außerordentlich robust. Die Arbeitslosenquote fiel auf unter 4%. Angesichts der niedrigen Inflation, die unter 2% lag, könnte die Fed zehn Jahre nach der Finanzkrise ihre Normalisierungspolitik fortsetzen. In diesem für ihn günstigen Umfeld hatte Trump keine Einwände gegen die vier Zinserhöhungen, die der Fed-Offenmarktausschuss (FOMC) unter Powells Ägide beschloss.

In den daruffolgenden Jahren unterlag die Entwicklung des Leitzinses starken Schwankungen. Auf den Nullzins und die Anleihenkäufe während der Corona-Krise folgte eine zweistellige Teuerungsrate. Diese war weniger ein Ergebnis der Nullzinspolitik und der quantiativen Lockerungen, sondern vielmehr eine Folge von Liefekettenengpässen. Gleichwohl reagierte die Fed zu spät. Die Währungshüter begannen erst im Mai 2022 mit einer Serie von Leitzinserhöhungen. Diese erstreckten sich über mehr als 2 Jahre und trieben den Zielkorridor auf 5,25 bis 5,5%. Als Trump im Januar dieses Jahres seine zweite Amtsperiode antrat, lag die Fed Funds Rate nur um 1 Prozentpunkt darunter. 

Vorwürfe der Inkompetenz

Folglich hat sich in der „Trump 2“ Ära der Ton dramatisch verändert. Die Stimmung zwischen dem Präsidenten und dem obersten Währungshüter verschlechterte sich deutlich. Trump drängte Powell unaufhörlich zu Lockerungen und stellte dessen Kompetenz in Frage. Auch überschüttete er seinen eigenen Fed-Chef mit wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen. Powell gab aber nicht nach. Acht Monate lang tat sich nichts. Denn das FOMC war zu sehr über das hartnäckige und deutliche Verharren der Inflation oberhalb ihre Zielgröße besorgt. Notwendig war die erkennbare Abschwächung am Jobmarkt, um die Notenbank schließlich zu drei Zinssenkungen zu bewegen. Die erste Heruntersetzung des Leitzinses im September war aus der Sicht des Präsidenten deutlich zu spät.   

Trumps Kraftakt begann mit der Entscheidung, die Fed-Spitze neu zu besetzen. Er kokettierte sogar mit einer vorzeitigen Entlassung von Fed-Chair Jerome Powell. Davon rieten ihm aber leitende Berater, unter anderem Finanzminister Scott Bessent, ab. Powell solle seine Amtszeit bis Mai 2026 absitzen, empfahl Bessent. Dann aber brachten andere einflussreiche Akteure, wie etwa der Ökonom Stephen Miran, Trump auf eine weitere Idee: Er könne mit einer breit angelegten Kampagne versuchen, die politische Kontrolle über die gesamte Fed zu gewinnen. Miran sitzt seit September im Fed-Vorstand, hat seinen Job als Trumps Chef des Council of Economic Advisers (CEA) aber behalten. Weitere Fürsprecher sind Ökonomen, die an dem „Project 2025“ der konservativen Heritage Foundation beteiligt waren.

Abschaffung der Fed gefordert

In dem 900 Seiten-Papier, einer faktischen Bedienungsanleitung für die Trump-Administration, wird mit dem Gedanken einer Privatisierung oder gar Abschaffung der Fed gespielt. Alle Eckpunkte entsprechen dem Narrativ der „Unitary Executive Theory“. Diese sieht eine Vereinigung der gesamten Staatsmacht – dazu zählt auch die Geldpolitik – auf das Amt und die Person des Präsidenten vor. An dieses Drehbuch hat sich Trump gehalten. Zunächst soll der Druck auf Powell das Fed-Vorstandmitglied Adriana Kugler so sehr angewidert haben, dass sie zurücktrat. Prompt installierte der Präsident seinen loyalen Berater Miran. Er hat sich bei FOMC-Sitzungen bisher gegen jeden Mehrheitsbeschluss gestemmt: Er wollte den Geldhahn deutlich weiter aufdrehen.

Dann bot die Demokratin Lisa Cook eine weitere Gelegenheit, die Unabhängigkeit der Fed zu unterlaufen. Pam Bondi, die Justizministerin und Bundesstaatsanwältin, wurde auf finanzielle Ungereimtheiten bei Cook aufmerksam und informierte Trump – der prompt ankündigte, die Ökonomin ihres Amtes entheben zu wollen. Cook soll vor ihrem Amtsantritt im Jahr 2022 Hypothekenbetrug begangen haben, bestreitet aber die Vorwürfe.

Historischer Präzedenzfall

Trump ist der erste Präsident in der Geschichte, der versucht hat, ein Mitglied des Fed-Vorstands zu feuern. Cook antwortete mit einer Klage, woraufhin ein Bundesgericht den Kündigungsversuch blockierte. Zwei weitere Gerichte bestätigten das Urteil. Nun will Trump, dass seine Freunde beim Supreme Court das letzte Wort sprechen und ihm Recht geben.

Bis dahin dürfte auch bekannt sein, wer Powells Nachfolger wird. Als Favorit gilt mittlerweile der Investmentbanker Kevin Warsh, der von 2006 bis 2011 im Fed-Vorstand saß. Chancen hat auch der konservative Nationalökonom Kevin Hassett. Hassett, Direktor von Trumps National Economic Council (NEC), war bereits sicher, den Job zu bekommen. Dass sein Chef überraschend erklärte, dass voraussichtlich Warsh den Zuschlag bekommen würde, erwischte Hassett auf dem falschen Fuß. Nun versucht er, verlorenen Boden wettzumachen. Ende vergangener Woche sagte Hassett, dass „alles, was der Präsident zur Inflation sagt, richtig ist“. Trump behauptet, er habe „die Biden-Inflation besiegt“. Tatsache ist aber, dass die Teuerungsrate heute sogar über dem Stand von Trumps Amtsantritt liegt. 

Mitspracherecht für Trump

Sowohl Warsh als auch Hassett sollen dem Präsidenten versprochen haben, ihn vor FOMC-Sitzungen zu konsultieren. Darin besteht die größte Gefahr für die Unabhängigkeit der Fed. Zwar gibt der Fed-Chair nur eine von 12 Stimmen ab. Dennoch bestimmt dessen Vorgabe, die künftig vom Präsidenten kommen soll, den Ton der Zinsdebatte. Sicher ist, dass Miran ausnahmslos sein Votum in Trumps Sinne abgeben wird. Sollte das Verfassungsgericht in vier Wochen die Entlassung Cooks bestätigen, dann würde der Präsident sie ebenfalls mit einem Vertrauten ersetzen. Damit hätte er bald drei Mitglieder des Fed-Vorstands in der Tasche. 

Hinzu kommt, dass Trump auch Christopher Waller und Michelle Bowman ernannt hat, die als Inflationstauben gelten. Halten sich die Inflationsgefahr und das Risiko eines Einbruchs am Arbeitsmarkt die Waage, würden sie tendenziell für monetäre Lockerungen plädieren. Darüber hinaus wird die jährliche Rotation im Notenbankvorstand eine Rolle spielen. So werden 2026 zwei Falken ihre Stimmrechte abgeben. So hatten Alberto Musalem, Chef der St. Louis Fed, und Jeffrey Schmid, der die regionale Notenbank in Kansas City leitet, 2025 ein Mitspracherecht bei Zinsbeschlüssen. Dasselbe gilt für die Präsidenten der Fed-Ableger in Chicago und Boston.

Auch Austan Goolsbee und Susan Collins, deren Positionen als neutral gelten, werden aus dem FOMC ausscheiden. Mit den vier Rotationen ist Trump aber nicht gedient. Denn an die Stelle der zwei Tauben treten Lori Logan von der Dallas Fed und Beth Hammick, Präsidentin der regionalen Notenbank in Cleveland. Beide gelten als Inflationsfalken, die eher an höheren Zinsen festhalten. Dazu kommen Neel Kashkari aus Minneapolis, der eine neutrale Positionen bezieht, und die Taube Anna Paulson von der Boston Fed. Paulson ist die einzige Neue, auf deren Votum Trump womöglich zählen kann.

Trumps Machtstreben bedroht die Notenbank

Erstmals wird der Oberste Gerichtshof über das Schicksal eines Fed-Vorstandsmitglieds entscheiden. Mit der Neubesetzung des Direktoriums und des Chefsessels will sich der Präsident 2026 direkten Einfluss auf Zinsbeschlüsse verschaffen.