Gleichberechtigung fängt in der Familie an
Gleichberechtigung fängt in der Familie an
Havard-Ökonomin gibt Beziehungstipps
lis Frankfurt
Von Lisa Schmelzer, Frankfurt
Harvard-Ökonomin Claudia Goldin hat einen Tipp für junge Frauen, die Kind und Karriere wollen: „Heirate einen Mann, der bereit ist, sich genauso viel um die Kinder zu kümmern wie du.“ Indes ist das noch kein Allheilrezept gegen den Fachkräftemangel, den die deutsche Wirtschaft beklagt, was Goldin im übrigen übertrieben findet. „Das ist immer eine Frage des Preises – wenn Unternehmen genug zahlen, wird es auch für Frauen attraktiver, mehr zu arbeiten,“ sagt die 79-Jährige, 2023 mit dem Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet, kürzlich in einem Interview.
Für die Arbeitsökonomin und Wirtschaftshistorikerin Goldin steht fest: Der Arbeitsmarkt reagiert auf Anreize. Wenn die Bedingungen stimmen, würden mehr Menschen – insbesondere Frauen – ihre Arbeitszeit erhöhen. Damit wäre der Fachkräftemangel in vielen Branchen kein Thema mehr, glaubt die Wissenschaftlerin. Die amerikanische Ökonomin verweist dabei auf Erfahrungen in anderen Ländern: Schweden, Kanada und Frankreich hätten in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte gemacht, was die Erwerbsquote von Frauen angeht. In Schweden beispielsweise sind Menschen in Pflegeberufen – häufig Frauen – in der Regel deutlich besser bezahlt als in Deutschland.
„Gute Mutter“ unter sozialem Druck
Die Frage der Arbeitsbeteiligung von Frauen sei eng mit wirtschaftlichen Anreizen, aber auch mit gesellschaftlichen Strukturen verbunden. Gesellschaftliche Erwartungen spielen laut Goldin eine wichtige Rolle. In Deutschland sei der soziale Druck, als „gute Mutter“ möglichst lange zu Hause zu bleiben, immer noch hoch. Ohne ein Umdenken in den Familien sei echte Chancengleichheit kaum erreichbar.
Goldin, die keine eigenen Kinder hat, war zunächst als Doktorandin an die Universität von Chicago gekommen, um bei den Nobelpreisträgern George Stigler, Sam Peltzman und Ronald Coase Industrieorganisation zu studieren. Es war die Ankunft von Gary S. Becker (Nobelpreisträger 1992) an der University of Chicago, die sie zur Arbeitsökonomie brachte; und es war ein Kurs bei Robert Fogel (Nobelpreisträger 1993), der ihr Interesse an Wirtschaftsgeschichte weckte. 1990 war Goldin die erste Frau, die eine ordentliche Professur am Department of Economics in Harvard erhielt. Sowohl ihre Arbeit als auch ihre eigene Erfahrung, eine – und oft die einzige – Frau unter vielen Männern zu sein, machten sie zu einer Kämpferin für Inklusion und Gleichberechtigung in den Wirtschaftswissenschaften.
Trumps Frauen „sehen alle gleich aus“
Ihre Arbeit reicht von historischen Studien über die Bildungsentscheidungen von Mädchen im 19. Jahrhundert über die Aufdeckung von geschlechtsspezifischer Diskriminierung bei der Einstellung von Arbeitskräften bis hin zu den entscheidenden Faktoren des geschlechtsspezifischen Lohngefälles. Mit ihrer Forschung und ihren klaren Worten prägt die Amerikanerin die Debatte über Gleichberechtigung, Arbeitsmarktpolitik und den vermeintlichen Fachkräftemangel seit Jahrzehnten weit über die USA hinaus.
Ihr Interesse gilt indes nicht nur Themen aus ihren Forschungsschwerpunkten. Bei öffentlichen Auftritten wie kürzlich in Berlin bekommt in der Regel auch die Politik ihr Fett weg. Auf den Vorwurf, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe zu wenige Frauen in sein Kabinett berufen, reagierte Goldin dort mit einem Verweis auf den aktuellen US-Präsidenten: „Trump hat jede Menge Frauen ernannt. Aber die sehen alle gleich aus: extrem lange, unnatürliche Wimpern, aufgespritzte Lippen und langes, wallendes Haar – und wenn sie reden, fangen sie an einem Punkt an und enden an einem völlig anderen.“
