„Ich hatte vorher noch nie von Mikrofinanz gehört“
„Ich hatte vorher noch nie von Mikrofinanz gehört“
„Ich hatte vorher noch nie von Mikrofinanz gehört“
wbr Frankfurt
Wenn Jessica Bodmann über Finanzprodukte spricht, geht es selten um Indizes oder Benchmark-Renditen. Stattdessen fällt schnell das Wort „Verantwortung“. Als Geschäftsführerin von Oikocredit Deutschland lenkt sie seit 2022 die Geschicke einer Organisation, deren Selbstverständnis sich grundlegend vom klassischen Fondsvertrieb unterscheidet. Der Blick richtet sich auf den globalen Süden, auf Mikrofinanzinstitute, Agrargenossenschaften, Sozialunternehmen – und auf Menschen, für die ein Kredit oft den ersten Schritt aus der Armut bedeutet.
Dass sie einmal in der Welt des Impact Investing landen würde, war für Bodmann nicht vorherbestimmt. „Ganz offen gesagt: Ich hatte vorher noch nie von Mikrofinanz gehört“, sagt sie rückblickend über ihre ersten beruflichen Stationen. Nach ihrem Studium der Wirtschaft, Politik und Islamwissenschaft an der Universität Freiburg und in Damaskus (2004–2010) zog es sie zur Frankfurt School of Finance & Management, wo sie von 2010 bis 2012 den Masterstudiengang Microfinance absolvierte.
Projekte in Nahost und Nordafrika
Nach dem Abschluss stieg sie bei Finance in Motion ein, einem auf Impact Investments spezialisierten Vermögensverwalter, der sich auf Finanzierungen in Nahost und Nordafrika konzentrierte. Ein Zufall mit Wirkung: Die Region war ihr inhaltlicher Schwerpunkt im Studium gewesen, nun wurde sie zum beruflichen Anker. Von 2013 bis 2020 arbeitete Bodmann bei Finance in Motion und war viel unterwegs. Dort, sagt sie, habe sie „Netzwerke in der Region aufgebaut und Finanzinstitute bezüglich Mikrofinanzierung, KMU-Finanzierung und Entrepreneurship – vor allem von Frauen – unterstützt.“
Der Fokus auf Frauen zieht sich durch ihre Arbeit. Besonders in Mikrofinanzprojekten sieht sie in Unternehmerinnen vor Ort eine zentrale Zielgruppe. Viele beginnen mit einem kleinen Kredit am Straßenrand, bauen sich ein Geschäft auf und beschäftigen später selbst Mitarbeitende. Für Bodmann sind solche Entwicklungen mehr als Fallbeispiele. Sie zeigen, dass Kapital Wirkung entfalten kann – wenn es richtig eingesetzt wird.
Privatpersonen als Investoren
Oikocredit, eine Genossenschaft mit Sitz in den Niederlanden, hat rund 1 Mrd. Euro an Vermögenswerten unter Verwaltung und über 45.000 Anleger. Der deutsche Zweig, den Bodmann leitet, versteht sich als Brücke zwischen Kapitalmarkt und Entwicklungszusammenarbeit. „Unsere Anleger sind überwiegend Privatpersonen, die sagen: Mit einem Teil meines Vermögens möchte ich wirklich positive Veränderung bewirken“, erklärt sie.
Daneben zählen auch Kirchen, Stiftungen, Unternehmen und Family Offices zur Anlegerbasis. Was Oikocredit vom Gros der Nachhaltigkeitsfonds unterscheidet, ist die Nähe zu den Projekten. „Anders als viele ESG-Fonds investieren wir direkt in Mikrofinanzinstitute und KMU-Finanzierer. Wir sind viel näher an den Unternehmen und Projekten vor Ort dran“, sagt Bodmann.
Trotz des starken Fokus auf soziale Wirkung legt Bodmann Wert auf wirtschaftliche Seriosität. „Wir schauen uns natürlich auch die klassische Seite an: aktive Geschäftstätigkeit und Finanzkennzahlen, die sauber geprüft werden müssen.“ Die Wirkung sozialer Geldanlagen müsse belegbar sein, betont sie. Dazu zählen klassische Indikatoren wie die Zahl der vergebenen Kredite, der Anteil von Frauen unter den Kreditnehmenden, die Anzahl neu geschaffener Arbeitsplätze – aber auch qualitative Erhebungen durch Kundenbefragungen.
