General Electric agiert kopflos im deutschen Markt

Von Michael Flämig, München Börsen-Zeitung, 18.7.2017 General Electric hat es nicht leicht in diesen Monaten. Ein aktivistischer Investor hat den US-Riesen zum Chefwechsel gezwungen, und der Aktienkurs ist seit Jahresbeginn auf Talfahrt. In einer...

General Electric agiert kopflos im deutschen Markt

Von Michael Flämig, MünchenGeneral Electric hat es nicht leicht in diesen Monaten. Ein aktivistischer Investor hat den US-Riesen zum Chefwechsel gezwungen, und der Aktienkurs ist seit Jahresbeginn auf Talfahrt. In einer solchen Situation gälte es eigentlich, alle Kräfte auf den Markt und die Kunden zu konzentrieren, um das Ruder herumzureißen. In Deutschland aber macht der Konzern das Gegenteil: Er streicht das operative Aushängeschild Landeschef und beraubt sich des obersten Ansprechpartners seiner deutschsprachigen Kunden.Die Neuigkeit kommt als Personalmeldung getarnt daher. General Electric ernenne Wolfgang Dierker mit Wirkung zum 1. Oktober zum “National Executive” für Deutschland und Österreich, heißt es in einer Presseinformation. Die Verantwortung übernehme er von Stephan Reimelt, der als “President and CEO GE Germany and Europe” Ende September aus der Firma ausscheide.National Executive statt President/CEO Germany/Europe? General Electric ändert damit nicht nur ein Label, sondern eine Rolle. Statt kommerziell zu agieren, wird Dierker eher unterstützend und repräsentativ unterwegs sein. Während Reimelt einst mit einer Vorstandsbiografie zu GE kam, kennt Dierker das Alltagsgeschäft eines Industriebetriebs nur vom Hörensagen. Der promovierte Historiker leitete die Hauptgeschäftsstelle des Digitalverbands Bitkom, führte dann das Verbindungsbüro von Hewlett-Packard in Berlin und steht derzeit an der Spitze des GE-Hauptstadtbüros. Ein lupenreiner Lobbyist also, der den Berliner Politbetrieb beherrscht. Ingenieursgetriebene Kundschaft aber hat hauptsächlich andere Themen.Wie ist die Entscheidung zu erklären? In einer Matrixorganisation wie bei General Electric pendelt die Ausrichtung immer mal zwischen horizontaler und vertikaler Struktur. Dass in Deutschland nun nur noch die Sparten mit ihrer Konzernorientierung zählen und die Region vertikal ausgerichtet wird, dürfte vor allem zwei Faktoren geschuldet sein.Erstens muss General Electric sparen, und zwar auf Teufel komm raus. Der scheidende Vorstandschef Jeff Immelt hat den Investoren Kostenreduzierungen von 1 Mrd. Dollar sowohl in den Jahren 2017 als auch 2018 versprochen. Auch die deutsche Verwaltung muss dafür bluten, zumal andere europäische GE-Märkte vertikal organisiert sind. Zweitens hat der Kauf von Alstom – die größte Industrieakquisition in der GE-Geschichte – die Gewichte in Europa verschoben. Deutschland mit gut 10 000 Beschäftigten und mehr als 50 Standorten bleibt zwar neben Großbritannien ein Kernmarkt. Aber GE versprach unter dem Druck des Übernahmekampfs mit Siemens den französischen Politikern, 1 000 neue Stellen zu schaffen. GE-Europa-Chef Mark Hutchinson mit Dienstsitz in Paris, seit 2015 Reimelt-Nachfolger auf diesem Posten und treibende Kraft für das Streichen des Landeschefs Deutschland, steht dafür als oberster Alstom-Integrator gerade.Die Konkurrenz dürfte die neue Kopflosigkeit in Deutschland mit Vergnügen registrieren. Sie sollte sich aber nicht zu früh freuen. Immelt-Nachfolger John Flannery übernimmt den Vorstandsvorsitz erst am 1. August. Er könnte die Entscheidung überprüfen, sobald er sich einen Überblick verschafft hat. ——–General Electric spart am Landeschef Deutschland und setzt so Kundenkontakte aufs Spiel.——-