Geschwindigkeit ist die neue Größe
Geschwindigkeit ist die neue Größe
Annette Becker, Köln
Geschwindigkeit ist
die neue Größe
Die Aufspaltung ist ein Weg, um verkrustete Strukturen in Unternehmen aufzubrechen und schneller zu werden. Künftig kommen dabei vermehrt Finanzinvestoren ins Spiel, gerade wenn sie sich mit einer Minderheit zufriedengeben.
Die Forderung nach Bürokratieabbau ist heute ein Muss in jeder Rede eines Verbands- oder Firmenchefs. Und tatsächlich: Ob Nationalstaaten oder EU, die Verwaltungen haben über die Jahre ein undurchsichtiges Dickicht an Regelungen und Vorgaben für praktisch jede unternehmerische Tätigkeit aufgebaut. Die Folge: Aufbruchsstimmung und Wagnisbereitschaft werden im Keim erstickt.
Es ist allerdings zu einfach, auf Politik und Verwaltung zu zeigen, um die Wirtschaftsschwäche Deutschlands zu erklären. Gerade große Industrieunternehmen haben über die Jahre im eigenen Haus ein Maß an Komplexität aufgebaut, das Innovations- und Anpassungsfähigkeit ausbremst. In einer zunehmend von Verunsicherung geprägten Weltwirtschaft wird das zum Problem. Nach einer Umfrage von McKinsey unter weltweit 2.500 Unternehmen gelten zwei Drittel der Unternehmen als zu komplex und ineffizient.
Aus groß wird klein
Dabei ist Bürokratie, also das Verwalten nach klaren Entscheidungsregeln und -zuständigkeiten, erforderlich, um große Organisationen und Staaten überhaupt handlungsfähig zu machen. Problematisch ist nur, dass Bürokratie eine sich selbst nährende Disziplin ist. Gerade in Traditionsunternehmen gehören verkrustete Strukturen zum Alltag, einmal eingeführte Regeln und Hierarchien werden selten hinterfragt.„Transformation betrifft heute nicht mehr nur einzelne Unternehmen, das ist eine Anforderung an alle Unternehmen“, ist Imeyen Ebong, Partner der Unternehmensberatung Bain, überzeugt. Bürokratieabbau lässt sich über Aufspaltung und/oder interne Reorganisation erreichen. Am Ende geht es immer darum, schneller zu werden.
An Aufspaltungen wird derzeit in ganz Corporate Deutschland gearbeitet. Ob Continental, die sich in drei Einheiten aufsplittet, oder Thyssenkrupp, die alle Geschäfte verselbständigen will, mit dem Zielbild einer schlanken Finanzholding, welche die Beteiligungen überwacht. Aus Konglomeraten kleine, selbständige Einheiten zu machen, ist zum Trend geworden. Der Grund: „Die Vorteile von Größe – Stichwort: Skaleneffekte – sind immer weniger relevant. Dagegen werden Nachteile wie Abstimmungskosten immer kritischer gesehen“, sagt Ebong.
Investorendruck
„Im Dax und bei großen Stiftungs- und Familienunternehmen steht das Thema sehr häufig auf der Agenda“, bestätigt Freshfields-Partner Stephan Waldhausen. Mit Größe und Komplexität verlieren die Unternehmen an Schlagkraft. Das zeigt sich nach fünf Jahren Dauerkrise nur allzu deutlich, zumal neue Wettbewerber ohne Erblasten den alteingesessenen Unternehmen das Leben schwer machen. „Aus Kapitalmarktsicht ist Geschwindigkeit heute der Schlüsselfaktor“, sagt Ebong.
Doch nicht immer ist die Aufspaltung der Königsweg, um Komplexität zu reduzieren. Das mag, wie beispielsweise bei Bayer, an unkalkulierbaren Rechtsrisiken liegen, oder daran, dass Synergien zwischen einzelnen Geschäften zu groß sind. Der neue CEO von Brenntag beispielsweise hat die seit zwei Jahren verfolgten Pläne zur Aufspaltung kurzerhand zu den Akten gelegt. Die Pläne waren überhaupt erst auf Druck aktivistischer Investoren entstanden.
Zugleich sind es Aktionärsaktivisten und Hedgefonds, die den Unternehmen häufig erst aufs Pferd helfen. Deren Geschäft ist es, Ineffizienzen in der Kapitalallokation aufzudecken und auszunutzen. „Es kann viel Wert freigesetzt werden, wenn Komplexitätskosten herausgenommen werden“, glaubt Ebong.
Aus Dual-Track wird Triple-Track
Der Berater warnt allerdings vor Aufspaltung, um der Aufspaltung willen zu betreiben. „Aufspaltung alleine ist kein ausreichendes Instrument, um Krisen zu bewältigen – die notwendigen Veränderungen müssen danach in den abgespaltenen Einheiten abgearbeitet werden“, sagt der Bain-Partner. Allerdings empfehle es sich, erst aufzuspalten und dann zu transformieren, „weil sich neue Organisationsmodelle leichter in überschaubaren Einheiten einführen lassen.“
Zur Zerschlagung eines Konglomerats gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine allgemeingültige Aussage, welchem Weg der Vorzug zu geben ist, gibt es jedoch nicht. „Das, was früher Dual-Track war, ist heute Triple-Track: Spin-off, Börsengang oder Verkauf“, sagt Waldhausen, schränkt aber ein: „Bringt man einen Unternehmensteil im Wege des Spin-off oder IPO an die Börse, sollte das Unternehmen eine ausreichende Profitabilität mitbringen, um sich selbst am Kapital- und Bankenmarkt finanzieren zu können.“
Private Equity kommt ins Spiel
Als kapitalschonender kann sich der Verkauf an Finanzinvestoren erweisen. Das sei eine Zwischenstufe, die Geschwindigkeit bringe und dem Unternehmen eine Reihe weiterer Chancen biete, sagt Waldhausen. Der Finanzinvestor ersetzt in diesem Fall den Kapitalmarkt als Finanzierungspartner und dem abgebenden Unternehmen fließt zugleich noch Geld zu. Diesen Weg hat kürzlich BASF mit dem Lackgeschäft eingeschlagen. Die Mehrheit wird an Carlyle und den Staatsfonds von Qatar verkauft, die Ludwigshafener behalten zunächst 40%. Ein weiterer Vorteil: Der Einstieg eines Finanzinvestors lässt sich schneller bewerkstelligen als Spin-off oder Börsengang.
„Das Engagement von Private Equity wird in den nächsten anderthalb Jahren steigen, weil die Bereitschaft der Finanzinvestoren wächst, Minderheitendeals einzugehen“, prophezeit der Anwalt und Ebong stimmt ein: „Ein guter Weg ist, Einheiten an Finanzinvestoren zu verkaufen. Es ist das Geschäftsmodell von Private Equity, strukturelle Altlasten systematisch abzuarbeiten und massive Wertsteigerungen zu erzielen.“ Entscheidend ist natürlich, dass die Geschäfte noch sanierungsfähig sind. Doch egal, welcher Trennungsweg eingeschlagen wird, nach Einschätzung von Waldhausen gilt: „Alle Partnerschaftsmodelle helfen, die Geschwindigkeit zu erhöhen.“
