Anysphere und Co.

KI-Programmierhilfe versetzt Investoren in einen Goldrausch

Künstliche Intelligenz sorgt in den Entwicklungsabteilungen von Unternehmen für enorme Effizienzgewinne. Das Interesse an entsprechenden Tools, die das Programmieren vereinfachen oder gar komplett übernehmen, wächst sichtbar – und damit auch das Interesse von Wagniskapitalinvestoren.

KI-Programmierhilfe versetzt Investoren in einen Goldrausch

KI-Programmierhilfe versetzt Investoren in Goldrausch

US-Entwicklerfirma Anysphere stemmt dritte Finanzierung in weniger als einem Jahr – Schwedischer Rivale Lovable könnte Milliardenbewertung erzielen

Künstliche Intelligenz sorgt in den Entwicklungsabteilungen von Unternehmen für enorme Effizienzgewinne. Das Interesse an entsprechenden Tools, die das Programmieren vereinfachen oder gar komplett übernehmen, wächst sichtbar – und damit auch das Interesse von Wagniskapitalinvestoren.

kro Frankfurt

Dass generative Künstliche Intelligenz (KI) unter anderem die Softwarebranche umkrempeln wird, war vielen schon vor Jahren klar – immerhin ist die Technologie dazu imstande, in wenigen Minuten Programmiercodes zu generieren, für den menschliche Entwickler teils mehrere Wochen brauchen. Nun zeigen Geschäftszahlen von Entwicklern KI-gestützter Coding-Tools wie Anysphere aus den USA oder Lovable aus Schweden, dass der Bedarf an solchen Anwendungen tatsächlich wächst. Mit seinem in der Entwicklerszene beliebten Programmierhelfer namens Cursor hat Anysphere zuletzt einen aufs Jahr hochgerechneten Umsatz von 500 Mill. Dollar eingefahren, wie das erst 2022 gegründete Startup der Nachrichtenagentur Bloomberg verriet. Noch im April war von einem annualisierten Umsatz von rund 300 Mill. Dollar die Rede. Anfang des Jahres – und damit etwa 14 Monate nach dem Start von Cursor – lag das Unternehmen nach eigenen Angaben bei 100 Mill. Dollar.

Von seinen Investoren werde Anysphere derzeit als das „am schnellsten wachsende Startup aller Zeiten" bezeichnet. Den Titel habe zuletzt die israelische Cybersicherheitsfirma Wiz gehalten, die die 100-Mill.-Dollar-Marke ihrerseits nach 18 Monaten überschritten hatte.

Anysphere beschäftigt derzeit gerade mal gut 100 Mitarbeitende. Sein Cursor-Tool kommt nach Unternehmensangaben trotzdem schon bei mehr als der Hälfte aller Fortune-500-Unternehmen zum Einsatz, darunter bei Nvidia, Uber und Adobe. Die Software unterstützt Entwickler beim Schreiben und Editieren von Programmiercode und bietet zugleich einen Chatbot für damit zusammenhängende Fragestellungen. Insgesamt zählt das von vier ehemaligen MIT-Studenten gegründete Unternehmen zurzeit mehr als 50.000 Unternehmenskunden. Diese zahlen monatlich für einen Cursor-Zugang 40 Dollar, Privatpersonen müssen 20 Dollar zahlen.

Programmieren mit dem „Vibe“

Anysphere ist aber nicht das einzige Coding-Startup, das nach kurzer Zeit und mit einer zahlenmäßig überschaubaren Belegschaft ein deutliches Wachstum vorweisen kann. Auch Konkurrent Lovable aus Schweden kam im Mai – und damit etwa sechs Monate nach dem Start seines ersten Produkts – auf einen aufs Jahr hochgerechneten Umsatz von mehr als 50 Mill. Dollar. Jetzt liegt die 2023 gegründete Firma mit ihren 28 Mitarbeitenden bereits bei 61 Mill. Dollar, wie CEO und Mitgründer Anton Osika Bloomberg sagte.

Anders als Anysphere, die sich mit Cursor hauptsächlich an professionelle Software-Entwickler richtet, ist Lovable vor allem für Laien ohne Programmierkenntnisse entwickelt worden. In der Fachwelt hat sich hier der Begriff „Vibe Coding“ etabliert, der das Konzept des KI-gestützten Programmierens von Webseiten und Apps nach „Gefühl“ umfasst. Nutzer geben ihre Befehle also in natürlicher und einfacher Sprache in den Chatbot ein und erhalten den gewünschten Programmiercode. Neben den offensichtlichen Vorteilen einer Simplifizierung des Programmierens sehen Cyber-Experten aber auch Risiken durch potenzielle Sicherheitslücken, die durch KI-erzeugten Code entstehen können.

Die Technologie kommt trotzdem an und zwar sowohl bei Privatnutzern als auch bei Unternehmen: Lovable zählt derzeit 130.000 zahlende Kunden. Ein Fünftel der Umsätze komme aus dem Firmenkundengeschäft, das „sehr stark wächst“, wie CEO Osika sagt.

OpenAI wollte kaufen

Das wachsende Interesse an solchen No-Code-Tools ist denn auch Investoren nicht entgangen. So hat Anysphere vor wenigen Tagen seine dritte Finanzierungsrunde in weniger als einem Jahr unter Dach und Fach gebracht. Bei dem Deal kamen 900 Mill. Dollar zusammen – Hauptgeldgeber war der US-Wagniskapitalinvestor Thrive Capital, daneben haben sich die ebenfalls in den USA ansässigen Investoren Accel und Andreessen Horowitz sowie DST aus Großbritannien beteiligt. Anysphere wurde bei dem Deal nach eigenen Angaben mit 9,9 Mrd. Dollar bewertet.

Mit den Startup-Investoren im Rücken fühlt sich Anysphere offensichtlich wohler als mit strategischen Geldgebern. Laut Medienberichten soll vor wenigen Monaten niemand Geringeres als der KI-Riese OpenAI Interesse an einer Übernahme bekundet haben. Der Cursor-Entwickler habe das Angebot jedoch ausgeschlagen, da er unabhängig bleiben wolle. OpenAI hatte daraufhin angekündigt, den Anysphere- und Lovable-Konkurrenten Windsurf für 3 Mrd. Dollar zu übernehmen.

Lovable könnte demnächst ebenfalls frische Mittel einsammeln. Die Schweden stehen laut Bloomberg derzeit mit US-Investoren in Verhandlungen um eine mindestens 100 Mill. Dollar schwere Finanzierungsrunde. Die Unternehmensbewertung sei in den Gesprächen, die sich noch im Anfangsstadium befinden, auf 1,5 Mrd. Dollar oder höher veranschlagt worden.