Testate für Kollaps-Firmen bringen Wirtschaftsprüfer in Erklärungsnot
Testate für Kollaps-Firmen bringen Wirtschaftsprüfer in Erklärungsnot
Testate für Kollaps-Firmen bringen Prüfer in Erklärungsnot
Audit für First Brands sorgt für Unruhe – Furcht vor neuen überraschenden Pleiten
xaw New York
Die von der First Brands Group beauftragten Wirtschaftsprüfer geraten nach der spektakulären Pleite des Autoteile-Anbieters unter Druck. So stellte der US-Ableger der Accounting-Firma BDO dem Unternehmen noch im Frühjahr ein Testat seines Abschlussberichts für 2024 aus – wenige Monate, bevor dessen milliardenschwere Verbindlichkeiten abseits der Bilanz ans Licht kamen.
Infolge der Chapter-11-Insolvenz von First Brands veröffentlichte Dokumente zeigen bedeutende Diskrepanzen zwischen den von den Prüfern gegengezeichneten Finanzinformationen und der tatsächlichen Lage des Scheibenwischer-Konglomerats auf. BDO reagierte bis Redaktionsschluss nicht auf eine Anfrage der Börsen-Zeitung; gegenüber dem „Wall Street Journal“ betonte ein Sprecher unter Verweis auf „Ethik-Codes“ und Kundenvereinbarungen, sich nicht über die Arbeit an einzelnen Audits äußern zu können. Allerdings habe „niemand behautet“, dass die Prüfer unangemessen gehandelt oder Ansprüche gegen die Gesellschaft erhoben hätten.
Interne Unruhe
First Brands beauftragte BDO laut Insidern nicht, Gesellschaften zu prüfen, die in Verbindung zum Großteil der Finanzierungen abseits der Bilanz stehen. Allerdings gehört ein Blick auf solche Strukturen im Regelfall durchaus zu einem vollständigen Audit, wie Branchenkenner betonen. Zudem können Prüfer eine Warnung bezüglich der Fähigkeit eines Unternehmens abgeben, seine Geschäftstätigkeit über die folgenden zwölf Monate fortzusetzen.
Intern sorgt der Fall bei BDO USA offenbar durchaus für Unruhe. Wayne Berson, CEO des Amerika-Ablegers, wandte sich Ende Oktober in einer Mitteilung an das Prüfernetzwerk der Firma und beschuldigte Medienvertreter darin, rund um die Beziehungen der Gesellschaft zu First Brands auf „Unwahrheiten und Unterstellungen“ zurückzugreifen.
Verleumdungsklage angedroht
Dabei bezog er sich auf Berichte über potenzielle Interessenkonflikte infolge der Beziehung von BDO zu Apollo Global. Der Alternatives-Riese hatte dem Wirtschaftsprüfer 2023 Finanzierungen über 1,3 Mrd. Dollar zur Verfügung gestellt, durch die BDO Anteilskäufe durch einen neuen Mitarbeiterfonds stemmen und bestehende Verbindlichkeiten ablösen konnte. Zugleich hielt Apollo aber Short-Positionen an First Brands. BDO drohte der auf Accounting-News spezialisierten Webseite „Going Concern“, die eine Verbindung zwischen beiden Sachverhalten hergestellt hatte, mit einer Verleumdungsklage.
BDO ist nicht das erste Wirtschaftsprüfernetz, das in jüngster Zeit wegen Testaten für Krisenfirmen unter Druck gerät. KPMG wurde im September vom Regionalbanken-Kollaps 2023 eingeholt: Die „Big Four“-Gesellschaft habe schwere Mängel bei der Silicon Valley Bank sowie den ebenfalls gescheiterten Signature Bank und First Republic Bank über Jahre ignoriert, kritisierten Senatoren in einem Bericht. Dies mache „deutlich, dass bedeutende Reformen in der Wirtschaftsprüferbranche notwendig sind“, sagte Richard Blumenthal, ranghöchstes demokratisches Mitglied im ständigen Senatsunterausschuss für Ermittlungen.
KPMG weist Verantwortung zurück
Die Banken brachen im Frühjahr 2023 zusammen, nachdem rapide Zinserhöhungen der Federal Reserve sie unter Liquiditätsdruck gebracht hatten. KPMG hatte der SVB 14 Tage und der Signature Bank elf Tage vor dem Kollaps das Testat ausgestellt. Die Gesellschaft betonte, nicht für Vorgänge zuständig zu sein, die sich nach dem Audit abgespielt hätten. Die Accounting-Firma sagte vor dem Senat überdies aus, sie sei nicht für „riskante oder sogar leichtsinnige Geschäftsstrategien“ eines Kunden verantwortlich.
Die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Wirtschaftsprüfer schlagen zu einem Zeitpunkt Wellen, zu dem US-Präsident Donald Trump einen Deregulierungskurs an den Finanzmärkten vorantreibt. In diesem Zuge steht auch das Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB), der Regulator der amerikanischen Wirtschaftsprüfer, unter Druck. Seine Vorsitzende Erica Williams, die in der vergangenen Legislaturperiode noch mit härteren Auditing-Standards durchzugreifen suchte, trat im Juli zurück.
Regulator unter Druck
Republikaner im Kongress zielten ursprünglich sogar darauf ab, die Behörde im Rahmen von Trumps Mega-Steuerpaket, der „Big, Beautiful Bill“, aufzulösen und in der Börsenaufsicht SEC aufgehen zu lassen. Letztlich entging sie diesem Schicksal. Zuletzt schlug das PCAOB nach Druck durch die Börsenaufsicht eine Kürzung der Vergütungen für Mitglieder ihres Führungsgremiums um 20% vor.
Nun geht die Furcht um, dass die Fähigkeit des Regulators weiter abnimmt, Auditing-Mängeln vorzubeugen. Zugleich zieht die Zahl der US-Insolvenzanträge, die nach einem Corona-Hoch 2020 zurückgegangen war, laut S&P Global wieder an. Analysten warnen davor, dass Investoren bei einer abnehmenden Audit-Qualität noch häufiger auch von Pleiten überrascht werden dürften. In Deutschland löste der Fall Wirecard eine Diskussion über die Belastbarkeit testierter Abschlussberichte und Investorenklagen gegen den Prüfer EY aus.
