Finanzplatz

Münchens Perspektiven liegen in der Höhe

Die Isarmetropole ist populär wie nie. Aber sie muss aber ihre Zukunftsfähigkeit sichern und die Brücke zwischen Tradition und Moderne festigen.

Münchens Perspektiven liegen in der Höhe

Die Mitte Februar zu Ende gegangene Münchner Sicherheitskonferenz hat einmal mehr bewiesen, dass München längst ein etablierter Treffpunkt von Weltrang ist: Die Isar­metropole ist dabei deutlich mehr als ein leistungsfähiger Flughafen mit zahlreichen guten Hotels. Mindestens ebenso wichtig sind das top ausgebildete Fachpersonal und ein attraktiver Freizeitmix aus Kultur, Kunst und Natur. Die attraktive Lage mit dem Bergpanorama und beliebten Seen vor dem Fenster zählt dazu ebenso wie viele namhafte Kultureinrichtungen vor der Türe, kombiniert mit einer Stadtarchitektur, die Historisches und Modernes verbindet.

Zusammen liefern sie das geeignete Setting, das Jahr für Jahr Unternehmen, Studenten, Investoren und Touristen aus aller Welt anlockt. Nicht wenige bleiben, geben der Stadt wichtige Impulse und haben dazu beigetragen, dass München heute eine der internationalsten Städte Deutschlands ist. Das Ergebnis: Die Hauptstadt des Freistaates Bayern ist auch einer der führenden europäischen Urban Hubs, also eine Erfolgsstory aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur, die auch auf dem internationalen Parkett hervorsticht.

Dabei gab es auch in München im Zuge der Corona-Pandemie Bilder von leerstehenden Geschäften und Bürohäusern. Allerdings erwiesen sich diese an der Isar als ein eher vorübergehendes Phänomen. Entgegen vielen Prognosen ist etwa durch Homeoffice und Online-Shopping der Bedarf an Büros und Ladengeschäften in attraktiven Lagen nicht dauerhaft gesunken. Die Münchner Fußgängerzone hat nichts an Attraktivität eingebüßt und bietet massive Standortvorteile, die gerade durch die Pandemie wieder einmal sichtbar werden. Denn die hohe Kaufkraft sowohl in der Stadt als auch aus dem Umland sorgt für hochwertige Mieter.

Beeindruckende Vielfalt

Zudem erweisen sich große Traditionshäuser wie Hirmer oder Dallmayr als starker Umsatzmotor. Zuletzt hatte Lego angekündigt, in der Münchner Innenstadt Deutschlands größten Legostore zu eröffnen. Hinzu kommt die Gastronomie etwa rund um den Viktualienmarkt.

Einen nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor stellen neben der steigenden Bedeutung als Messestadt vor allem Großunternehmen dar. Die bayerische Landeshauptstadt beherbergt mehrere Dax-Unternehmen, darunter Allianz, BMW und Siemens. Hinzu kommen zahlreiche Unternehmen aus MDax, TecDax und SDax. Beeindruckend ist vor allem deren Branchenvielfalt, die München auch in turbulenten Zeiten wirtschaftliche Stabilität gibt. Unter anderem sind Autobauer und Zulieferer, IT, Luft- und Raumfahrt, Pharma und Biotechnologie sowie Medien- und Kreativwirtschaft vertreten.

Nicht selten sind dies Ausgründungen der Universitäten. Zwei davon, die Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und die Technische Universität München (TUM), gehören sogar zu den wichtigsten Ideenschmieden der Welt. Die Anzahl und Qualität von Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist dabei ein entscheidender Motor für die Weiterentwicklung von Wirtschaftszentren. Deren gezielte Unterstützung ist eine wichtige Grundlage, um Unternehmensansiedlungen zu fördern und langfristig Talente in die Region zu ziehen und dort auch zu halten. Denn wer einmal da ist, bleibt in der Regel auch, vorausgesetzt, die sonstigen Bedingungen sind attraktiv. Genau hier hat München in den vergangenen Jahren entscheidende Weichen gestellt.

Neben Hightech, Forschung, Industrie und Medien hat sich München auch zu einem bedeutenden Finanzplatz entwickelt und ist aufgrund seiner Nähe zu Großunternehmen und des hohen Einkommensniveaus vor allem relevant für Private Banking, Private Equity und Venture Capital sowie für Versicherungsgesellschaften, darunter große Rückversicherer. München ruht sich aber nicht auf dem bereits Erreichten aus. Das Bayerische Staatsministerium hat vor einigen Jahren die Bayernmetropole zum Insurtech-Hub er­klärt und will damit die Brücke von der beheimateten Versicherungswirtschaft zur Fintech-Szene schlagen und dabei mit seinen Standortvorteilen punkten.

Die Idee ist die Schaffung eines Ökosystems aus Versicherungs- und branchenübergreifenden Partnern, Start-ups, Investoren, Universitäten, Forschungseinrichtungen und Ex­perten aus der Praxis. Dabei sollen Innovationen gefördert und Mehrwerte geschaffen werden.

Um diesen Vorsprung weiter auszubauen, haben die Stadt München und der Freistaat Bayern in den vergangenen Jahrzehnten hohe Summen in Infrastruktur für Verkehr und Sicherheit investiert. Investitionsziele waren vor allem der Ausbau der Kommunikationsnetze und des ÖPNV. Aber klar ist ebenso: Hier muss München auch weiterhin investieren.

Die größte Herausforderung bleibt wie bei allen Wachstumsmetropolen die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Singles und Paare ohne Kinder mögen noch kleine, bezahlbare Apartments finden. Doch sobald es in die Familienplanung geht, wird mehr Platz benötigt, was die Wohnkosten spürbar in die Höhe treibt. Das soll laut einem Beschluss der rot-grünen Rathausmehrheit im zurückliegenden Jahr dank einer Reform der „Sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN) gelingen. Noch ist es jedoch zu früh, um die Wirksamkeit dieser Impulse zu bewerten.

Wohin wachsen?

Klar ist: Um die Nachfrage nach Wohnraum zu stillen, muss München wachsen – aber wohin? Eine Ausweitung der von Gewerbe oder Wohnen genutzten Flächen auf dem Stadtgebiet ist kaum noch möglich. Attraktive Freiflächen gibt es nur im Osten und Westen – zumindest, wenn neue Entwicklungen auch über die bestehende Stammstrecke an den ÖPNV angeschlossen werden sollen. Das knappe Angebot treibt wie in anderen Metropolen Mieten und Immobilienpreise nach oben. Um vorhandene Flächen konkurrieren die verschiedenen Nutzungsarten Wohnen, Logistik und Büro. Sollte diese Konkurrenz nicht für alle Beteiligten zufriedenstellend gelöst werden, kommt es zwangsläufig zu Abwanderungsbewegungen.

Eine Möglichkeit, innerhalb der Stadtgrenzen zu wachsen, ist die Aufwertung von zuvor weniger be­achteten Gegenden. So hat sich zum Beispiel im westlichen Stadtteil Pasing rund um den Bahnhof ein lebendiger Dis­trikt herausgebildet, in dem sich hochwertige Büros, Wohnungen und Einkaufsmöglichkeiten befinden. Für eine spürbare Entlastung der Innenstadt können auch Sektorcluster und Bürostädte sorgen. In München gelang das zum Beispiel mit dem Werksviertel am Ostbahnhof.

Mindestens ebenso wichtig ist ein Blick auf das Münchner Umland, also die Metropolregion München, die ein essenzieller Bestandteil der Wachstumsperspektiven der Bayernmetropole ist. Dessen Attrak­tivität hängt jedoch vor allem von der Erreichbarkeit und einer Ver­besserung der gesamten Infrastruktur ab. Pendler kommen heute schon zu Zehntausenden aus mehr als 100 Kilometer entfernten Städten. Die Anbindung der Pendlergemeinden muss daher dringend besser werden.

Neben einer besseren Vernetzung Münchens mit seinem Umland, einer Nachverdichtung und der Entwicklung von alternativen Zentren neben der Innenstadt gibt es nur noch eine weitere Wachstumsperspektive: nach oben. München hat verstanden, dass die Stadt verstärkt in die Höhe wachsen muss, um Fläche zu schaffen. In den vergangenen Jahren war dieser Blick nach oben eher tabuisiert. 2004 votierten die Münchner noch für eine Regel, dass kein Gebäude die Türme der Frauenkirche überragen soll. Doch diese Entscheidung führte zu einer weiteren Flächenverknappung und Verteuerung von Immobilien- und Mietpreisen.

Denkweise geändert

Inzwischen denken viele Münchner daher anders darüber und lassen mehr Spielräume für Leuchtturmprojekte wie den geplanten Neubau von zwei Türmen auf dem Areal der Paketposthalle an der Friedenheimer Brücke, drei S-Bahn-Stationen westlich des Hauptbahnhofs. Dieser soll Platz für 1100 Wohnungen und 3000 Arbeitsplätze bieten. Hochhauspläne wie diese schaffen neue Büroflächen und nehmen damit den Druck auf die klassischen Zentral­lagen innerhalb des Mittleren Rings, wo wiederum bestehende Flächen in andere Nutzungen umgewandelt werden können.

Für die meisten Münchner ist daher klar: Perspektiven einer Weiterentwicklung gibt es nur nach oben, wenn man weiter auf dem Parkett mitspielen will, auf dem sich Metropolen wie London und Paris tummeln. München hat sich zu Deutschlands wichtigstem Wirtschaftszentrum und zu einer der bedeutendsten europäischen Metropolen entwickelt. Um diese Stellung auch in Zukunft zu behaupten, ist es auch weiter wichtig, die Weichen richtig zu stellen, um die Brücke zwischen Tradition und Moderne zu festigen.

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