Kanzleien

Rechtsberatung entwickelt sich weiter

So wie der Finanzplatz Frankfurt sich selbst im Laufe der Jahre dynamisch entwickelt hat und weiter entwickeln wird, so hat sich auch die Aufgabenstellung an die Anwaltskanzleien, die hier tätig sind, im Lauf der Jahre tiefgreifend verändert und wird sich weiter ändern.

Rechtsberatung entwickelt sich weiter

Der Finanzplatz Frankfurt ragt in seiner Bedeutung stark über alle anderen nationalen Finanzstandorte hinaus. Frankfurt ist sowohl Heimat großer deutscher Banken als auch Standort vieler Auslandsbanken. Die größte deutsche Börse mit globaler Bedeutung hat ihren Sitz in Frankfurt und viele der größten Vermögensverwalter und Kapitalsammelstellen sind hier ebenfalls domiziliert oder sind durch ihre Assetmanagement-Teams hier vor Ort vertreten. Die Mainmetropole ist darüber hinaus inzwischen auch Sitz vieler supranationaler und nationaler Institutionen, wie zum Beispiel der Europäischen Zentralbank, der gemeinsamen Bankenaufsicht, der Deutschen Bundesbank, des European Systemic Risk Board (ESRB), der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und einiger mehr.

So wie der Finanzplatz sich selbst im Laufe der Jahre dynamisch entwickelt hat und weiter entwickeln wird, so hat sich auch die Aufgabenstellung an die Anwaltskanzleien, die hier tätig sind, im Lauf der Jahre tiefgreifend verändert und wird sich weiter ändern. Die Zeiten des isolierten Rechtsrates sind schon lange vorbei. Spätestens seit der Jahrtausendwende hat sich die Aufgabenstellung dahingehend verändert, dass der anwaltliche Rat über den reinen Rechtsrat hinaus in den gesamten Prozessablauf eingebettet wurde.

Der gemeinsame europäische Binnenmarkt sowie der harmonisierte europäische Finanzmarkt erforderten zudem einen Übergang zur Rechtsberatung unter Einbeziehung grenzüberschreitender Aspekte und vor allem eine Rechtsberatung in englischer Sprache. Nicht nur ausländische Dokumentationsformen, wie zum Beispiel der Dar­lehensvertrag der in ­London ansässigen Loan Market Association (LMA), sondern auch die international entwickelten Finanz- und Investmentprodukte und die weltweit besetzten Entscheidungsgremien von Banken und Investoren verlangen von deutschen Rechtsanwälten Beratung mit global einheitlichem „Look and Feel“.

Die weltweite Finanzkrise vor gut zehn Jahren brachte einen extrem herausfordernden Beratungsbedarf hervor, dem eigentlich nur internationale Kanzleien gewachsen waren. Die Restrukturierung von hochkomplexen Finanzprodukten, die Schadensbegrenzung zum einen oder die Realisierung wirtschaftlicher Opportunitäten für Mandanten zum anderen waren nur durch die fachübergreifende Expertise von Anwälten aus den Jurisdiktionen der großen Finanzplätze der Welt zu bewältigen, die zudem in der Lage waren, mit größeren Anwaltsteams gemeinsam und integriert an den mannigfaltigen Herausforderungen zu arbeiten.

Aktuelle Herausforderungen

Vor welchen Herausforderungen stehen große Anwaltskanzleien heute? An erster Stelle steht hier eine wahre Flut von Regulierungsmaßnahmen, die auf weite Teile der Wirtschaft und auch der Finanzindustrie wirken. Der Datenschutz ist ein gutes Beispiel für ein de facto neues Beratungsfeld, das zudem dadurch gekennzeichnet ist, dass die Vorteile eines harmonisierten, einheitlichen Binnenmarktes den zersplitterten unterschiedlichen Regelungen von Nationalstaaten gewichen sind.

Zweitens ist für Anwälte und Mandanten gleichermaßen die erfolgreiche Rekrutierung junger qualifizierter Juristinnen und Juristen zu einer besonderen Herausforderung ge­worden. Das klassische Berufsbild des deutschen Juristen oder der deutschen Juristin wird dem Beratungsbedarf global agierender Mandanten oft nicht mehr gerecht. Eine passgenaue Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter im Hinblick auf die angebotenen Beratungsfelder der Kanzlei hat deshalb bereits in den vergangenen Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Diversität oder auch Diversity ist zu einem harten Kriterium bei der Attraktivität einer Kanzlei geworden – sowohl für Nachwuchskräfte, aber auch für Mandanten.

Drittens darf die technologische Herausforderung nicht unterschätzt werden. Zum einen führt der technologische Fortschritt zu neuen Rechtssubjekten und Rechtsregeln (Krypto-Assets, Token, Smart Contracts etc.), zum anderen wird sogenanntes Legaltech die Anwälte bei der Due Diligence, der Dokumentation von Transaktionen oder dem Prozessmanagement unterstützen. Es mag sogar zu neuen Beratungsformen kommen, die skalierbare Rechtsfragen oder streitige Verfahren (zum Beispiel Massenklagen oder Verfahren im Inkasso-Bereich) weitestgehend automatisiert übernehmen. In diesen Zukunftsbereichen werden Rechtsanwälte und Tech-Spezialisten gleichberechtigt in Teams zusammenarbeiten müssen.

Die vierte und unserer Ansicht nach größte Veränderung ist der durch die Europäische Kommission initiierte „Green Deal“. Alle Aspekte von ESG-konformen Finanzierungen (ESG steht für Environment, Social, Governance), aber auch ihre negativ diskutierten Erscheinungen wie zum Beispiel das sogenannte „Greenwashing“ sind in der anwaltlichen Beratungspraxis angekommen.

Wir beobachten, dass Investoren und damit auch die Initiatoren von Fonds darauf bestehen, Investitionskriterien zu verankern, die der ökologischen und gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Diese Verankerung wirkt sich bei der Investition von Kapital aus. Sowohl in der Immobilien- als auch der Private-Equity- und Mergers-&-Acquisitions-Praxis verlangen Mandanten zunehmend, die jeweiligen Akquisitionen von Unternehmen und Immobilien auch in einen ESG-Kontext zu setzen und rechtlich abzusichern.

Banken und alternative Finanzierer folgen den Vorgaben, ihre Finanzierung von Akquisitionen, sei es im Bereich Leveraged Finance oder Real Estate Finance, so zu gestalten, dass die Nachhaltigkeit der Transaktionen gefördert wird. Ein offensichtliches Beispiel spiegelt sich in den sogenannten Grünen Darlehen als zugrunde liegendem Vermögenswert für beispielsweise Grüne Pfandbriefe wider.

Frankfurt wird weiterhin eine hohe, wenn nicht gar wachsende Bedeutung als zentraler und starker Finanzplatz in Deutschland, Europa und der Welt zugesprochen werden. Die hohe Dynamik am Finanzplatz Frankfurt werden Anwaltskanzleien weiterhin mit einem hohen Maß an Veränderungsbereitschaft und innovativem Verhalten begleiten können und müssen.

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