Gremien

Ämterhäufung in Aufsichtsräten der europäischen Finanzdienstleister

Für die Aufsichtsräte europäischer Finanzdienstleister ist der Kreis fähiger Kandidaten begrenzt. Daher ist Ämterhäufung üblich, was Zeit und Ressourcen der Kontrolleure für die Ausübung der einzelnen Mandate begrenzt. Hier gelte es, die richtige Balance zwischen Expertise und Zahl der Mandate zu finden, rät EY. Auch die Anteile von Männern und Frauen sind noch nicht überall ausgewogen.

Ämterhäufung in Aufsichtsräten der europäischen Finanzdienstleister

Zu viele Kontrollposten auf einmal

EY: Ämterhäufung bei Aufsichtsräten der Finanzinstitute in Europa – Wenig Kenntnisse bei Digitalisierung und Nachhaltigkeit

sto Frankfurt

Bei den Finanzdienstleistern in Europa haben die Aufsichtsräte häufig zu viele Ämter auf einmal. Dies ergab eine Studie und Investoren-Umfrage der Beratungsgesellschaft EY. Zugleich sind die Kenntnisse in den strategisch wichtigen Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu gering ausgeprägt.

EY hatte Erfahrung, Ausbildung und Fähigkeiten von Aufsichtsratsmitgliedern der im MSCI European Financials Index abgebildeten 77 führenden Unternehmen aus der europäischen Finanzbranche untersucht. Sechs davon stammen aus Deutschland. Demnach gehören die Aufsichtsratsmitglieder im Durchschnitt drei Kontrollorganen zugleich an. Jeder Vierte hat sogar vier oder mehr Mandate inne.

82% der befragten europäischen Investoren sind dagegen der Ansicht, dass drei oder mehr Mandate zugleich für deren korrekte Ausübung hinderlich sind. Der Wert steigt auf 85%, wenn die Personen auch in leitender Funktion tätig sind. Besonders ausgeprägt ist im übrigen die Ämterhäufung bei den Fondsgesellschaften. Fast die Hälfte aller Aufsichtsräte hat im Bereich Assetmanagement mehr als zwei Mandate, im Bankensektor sind es 39%.

Ralf Eckert, Managing Partner Financial Services Deutschland bei EY, spricht angesichts der zunehmenden Bedenken der Investoren wegen des Overboarding und der damit möglichen Risiken für die Governance von einem ausgesprochenen Dilemma. Der Kreis an qualifizierten Kandidaten für die Kontrollposten sei überschaubar. Diese brauchten zum einen ausreichend Zeit und Ressourcen für die Ausübung ihrer Mandate, aber zum anderen auch die Expertise. “Unternehmen und Anteilseigner müssen ein sorgfältiges Gleichgewicht finden, um einen Aufsichtsrat mit den erforderlichen Fähigkeiten und einer breiten Erfahrung aufzubauen, der mit den zunehmend komplexen Risiken umgehen kann.”

Die befragten Investoren legen bei Kontrolleuren der europäischen Finanzdienstleister besonderen Wert auf Expertise in den Bereichen Digitales/Technologie und ESG/Nachhaltigkeit (87%). Laut EY beträgt der Anteil an Kontrolleuren mit Erfahrungen im Bereich Nachhaltigkeit aber nur 14% und bei Technologie 18%. Bei den Neuberufungen immerhin war zuletzt die Tendenz steigend.

Herausforderung Frauenquote

43% aller Aufsichtsratsmitglieder der europäischen Finanzbranche sind weiblich. Mit 57% dominieren weiter deutlich die Männer. Und: 28% der börsennotierten Finanzunternehmen der EU verfehlen aktuell die ab Juni 2026 verpflichtende Quote von 40% Frauen im Aufsichtsrat.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.