Andrew Bailey zeigt sich besorgt
Andrew Bailey zeigt sich besorgt
Andrew Bailey
zeigt sich besorgt
Britischer Notenbankchef sieht Gefahren durch First Brands
dz Zürich
Der britische Notenbankchef Andrew Bailey ist besorgt über den Zustand des Finanzsystems. Dem parlamentarischen Ausschuss des Oberhauses für Finanzmarktregulierung sagte er diese Woche: Es sei möglich, dass die Pleite von First Brands und des wenige Tage davor eingetretenen Milliardenbankrotts des texanischen Autokreditfinanzierers Tricolor die berühmten Kanarienvögel im Kohlebergwerk waren.
Bailey spielt damit auf eine weit größere Krise an, die sich mit den Konkursen angekündigt haben könnte. Die kleinen Kanarienvögel dienen den Minenarbeitern als Warnung vor giftigen Gasen. Fällt das Gefieder von der Stange, müssen die Mineure schnellstens an die frische Luft.
Schwierige Evakuierung
Noch schwieriger als die rasche Evakuation von Bergwerken ist die Stabilisierung eines Finanzsystems, in dem sich alle Akteure möglichst rasch in Sicherheit zu bringen versuchen. Die Bank of England nehme dieses Risiko „sehr ernst“, versicherte ihr Gouverneur den Abgeordneten im House of Lords.
Gewiss, warnen ist eine Kernaufgabe der Notenbanken. Schließlich gehört die Sicherung der Finanzstabilität zu ihrem Mandat. Gleiches lässt sich auch vom Internationalen Währungsfonds sagen, deren Chefin Kristalina Georgieva dieser Tage am IWF-Treffen in Washington einräumte, die wachsenden Risiken im Schattenbankensektor hielten sie nachts wach.
Die 4,5 Bill. Dollar, die traditionelle Banken gemäß IWF bei Hedge-Fonds, Privatmarktinvestoren und anderen Akteuren aus dem Schattenbankenbereich im Feuer haben, sind zwar viel. Und Pleiten wie First Brands und Tricolor machen die Zahl sogar furchterregend groß, zumal namhafte Banken involviert sind.
Aber noch sind die Verluste auf Ebene der einzelnen Institute nicht groß genug, als dass sich die Märkte dauerhaft davon beeindrucken lassen würden. UBS zittert bei First Brands um 515 Mill. Dollar, J.P. Morgan hat bei Tricolor 170 Mill. Dollar und Barclays 110 Mill. Pfund in den Sand gesetzt.
Die Branche gibt sich vordergründig selbstsicher. Am Mittwoch, als Barclays den Tricolor-Verlust im Rahmen der Quartalsberichterstattung offenlegen musste, räumte deren Chef CS Venkatakrishnan gegenüber britischen Medien ein: Man sei durch den mutmaßlichen Betrug bei Tricolor überrascht worden. Aber Kreditrisiken nehme man so ernst, dass man First Brands trotz mehrerer Anfragen habe auflaufen lassen. Die Kreditanfragen seien nicht ausreichend mit Daten unterlegt gewesen. Venkatakrishnans Aussage würde bedeuten, dass die Adressen, die First Brands Geld geliehen haben, nicht richtig hingeschaut haben.
Peinlichkeiten umgedeutet
Nicht glaubwürdiger wird die Kreditwirtschaft mit J.P.-Morgan-Chef Jamie Dimon, der sinngemäß sagte, Tricolor sei eine gruslige, für seine Bank aber ungefährliche, Küchenschabe gewesen. Doch der langjährige Bankchef weiß offensichtlich, wie sich eine Peinlichkeit umdeuten lässt: Gebe es eine Küchenschabe, müsse es noch andere geben, warnte er. So macht sich Dimon explizit zum vorsichtigen Banker und J.P. Morgan wird implizit eine vorsichtige Bank, der ein kleines Missgeschick passiert ist.
Tatsächlich weiß niemand so genau, wo und in welchem Umfang im obskuren Privatkreditmarkt die Risiken verborgen sind. Ein aktueller Marktbericht des Schweizer Privatkreditvermittlers Partners Group legt den Finger auf die große Zahl von Privatkrediten in den USA, die in den kommenden ein bis drei Jahren zur Rückzahlung fällig werden. Fällig werdende Privatkredite im Umfang von 325 Mrd. Dollar würden mit Bonitätsnoten von „B-“ und tiefer bewertet, was ein hohe bis sehr hohes Ausfallrisiko impliziert. Wird es diesen Schuldnern ebenso leicht wie in der Vergangenheit gelingen, durch Anpassungen der Kreditbedingungen die Laufzeiten zu verlängern?
Es wird ernst
Vorkommnisse wie First Brands und Tricolor sind, gelinde gesagt, wenig geeignet, das Vertrauen der Geldgeber zu stärken und die Verhandlungsposition der Schuldner zu verbessern. Offensichtlich haben sich die Parteien bislang aber immer gefunden. Kreditrückzahlungen wurden vertagt, die Geschäfte des hochverschuldeten Kreditnehmers weitergeführt und so der Schaden einer Pleite hinausgezögert. Wenn dieses Karussell zum Stillstand kommen sollte, weil doch zu viele Küchenschaben zum Vorschein kommen und das Vertrauen weiter erodiert, wird man mehr und konkreteres über die Risiken erfahren, die sich traditionelle Banken im Schattenbankenmarkt angelacht haben.
