Commerzbank

Annuscheits schweres Erbe

Die Einstellung des Projekts zur Auslagerung der Wertpapierabwicklung an HSBC kommt die Commerzbank teuer zu stehen. Jetzt prüft sie die Frage nach der Haftung.

Annuscheits schweres Erbe

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Auch wenn die Untersuchung sich nicht gezielt auf die Rolle einzelner Personen bezieht, dürfte die von Jörg Hessenmüller verantwortete IT-Abteilung im Zentrum stehen. Dieser hat das Auslagerungsprojekt jedoch von seinem Vorgänger Frank Annuscheit geerbt. In der Bank erzählt man sich, dass es schon von Anfang an Zweifel an der Umsetzbarkeit des Vorhabens gegeben habe, mit dem Annuscheit im Jahr 2017 dem damaligen Vorstandschef Martin Zielke helfen wollte, Kosten einzusparen.

Für die HSBC, die sich am Mittwoch ebenso wie die Commerzbank auf Nachfrage nicht zu der gescheiterten Auslagerung äußern wollte, war es ein Riesen-Deal. Zu den rund 60 Millionen Wertpapiertransaktionen, die das Institut damals jährlich abwickelte, sollten bis 2020 weitere 40 Millionen von den Kunden der Commerzbank kommen.

Dank Wertpapierboom und dem Zuschlag des Neobrokers Trade Republic wickeln die Düsseldorfer inzwischen zwar ein Vielfaches dieser Volumina ab – im ersten Halbjahr waren es 166 Millionen Transaktionen. In einem Geschäft mit gnadenlosem Margendruck hätte die Vereinbarung mit der Commerzbank jedoch die Marktführerschaft der HSBC-Plattform in jedem Falle zementiert.

Veraltete IT-Systeme

Doch daraus sollte nichts werden. Zwar übernahm die HSBC Anfang des Jahres erfolgreich die Berechnung der Abgeltungssteuer für die Wertpapiertransaktionen der Commerzbank-Kunden. Doch bald darauf zeichnete sich immer deutlicher ab, dass es viel zu teuer werden würde, den zum Teil veralteten IT-Systemen der Commerzbank Schnittstellen zu verpassen, die es HSBC erlauben würden, auch die restlichen Prozesse der Wertpapierabwicklung zu übernehmen.

Da klingen die Worte von Heiko Beck, Chef des Wettbewerbers DWP, der als Wertpapierabwickler für Kreditgenossen, Sparkassen und private Banken tätig ist, fast schon ein bisschen prophetisch. Mit Blick auf die in der Branche für Furore sorgende Auslagerungsvereinbarung hatte der Manager der Börsen-Zeitung 2018 gesagt: „Wir haben bereits eine funktionierende Fabrik, die anderen müssen sie erst noch bauen.“ Die Entscheidung der Commerzbank, die Bauarbeiten wegen „technischen Umsetzungsrisiken und veränderten Marktbedingungen“ endgültig einzustellen, ist offenbar vor allem wegen der dadurch erforderlichen Rückbaukosten so teuer. So müssen die bereits an HSBC übergebenen Daten für die Steuerberechnung wieder zurückgeholt und in die eigenen Prozesse reintegriert werden, was erheblichen Programmieraufwand bedeutet.

Hessenmüller fiel bei Teilen des Aufsichtsrats vor allem deshalb in Ungnade, weil sich die Frage stellt, ob er dies hätte verhindern können. Anstatt rechtzeitig die Notbremse zu ziehen, habe er damit gezögert, die massiven Probleme des Großprojekts publik zu machen, wird ihm vorgeworfen. Aus dem Sack gelassen habe er die Katze erst, als die Verlängerung seines Vertrags um weitere vier Jahre unter Dach und Fach war.

Nachdem sich zunächst vor allem die Vertreter der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat gegen seine Ab­berufung gestemmt hatten, war es laut Pressemitteilung Hessenmüller selbst, der dem Aufsichtsrat seinen Rückzug angeboten hat.

Zuvor soll er dem Aufsichtsrat am Mittwoch wortreich seine Sicht auf die Dinge geschildert haben. Gemessen an den Vorwürfen, die man gegen ihn erhebt, fällt er jedoch weich. Wenn er das Institut spätestens zum Jahresende verlässt, soll er dem Vernehmen nach eine Abfindung in Höhe von zwei Jahresgehältern erhalten.

Für HSBC, die keinen Einblick in die IT-Systeme des Kooperationspartners hatte, kam die Nachricht von dem geplatzten Großprojekt dem Vernehmen nach völlig überraschend. Wie zu hören ist, prüft man nun auch in Düsseldorf, ob man die Commerzbank für das einseitig gestoppte Großprojekt zur Kasse bitten kann.

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