Auf dem steinigen Weg der Besserung
Auf dem steinigen Weg der Besserung
Von Eduard Steiner, Moskau
Die Geschichte der russischen GeldwĂ€sche wĂ€re auch ohne Bezug zu DĂ€nemark und Deutschland unÂrĂŒhmÂlich genug gewesen. Aber das AusmaĂ des Skandals rund um die estnische Tochter der Danske Bank, als deren Korrespondenzbank auch die Deutsche Bank in verdĂ€chtige Zahlungen verwickelt war, stellte alles bisher Bekannte in den Schatten. Zwischen 2007 und 2015 flossen ĂŒber diese und andere Banken 230 Mrd. Dollar groĂteils illegal aus Russland in den Westen. Der Skandal war ein Kulminationspunkt einer unÂrĂŒhmlichen Geschichte in einer geÂbeutelten Transitionsökonomie. Er wurde zusammen mit anderen Entwicklungen aber auch zu einem Wendepunkt in einer bis dahin verbreiteten Praxis. Beobachter in Russland jedenfalls sehen den auffĂ€llig starken RĂŒckzug der westlichen Banken aus dem Land nicht nur in den diversen Wirtschaftskrisen des abgelaufenen Jahrzehnts begrĂŒndet, sondern genauso sehr im LĂ€nder- und Reputationsrisiko, das so manche Bank nicht mehr einzugehen bereit war.
Zeitliche Koinzidenz
Zumindest der zeitliche Zusammenhang ist offensichtlich. Mindestens so bedeutsam ist freilich, dass â schon vor Auffliegen des Danske-Skandals â die russische Zentralbank den wild gewachsenen Bankensektor radikal zu durchforsten begann. Mit der Ăbernahme der Zentralbankleitung durch Elvira Nabiullina 2013 gewann der Prozess richtig an Fahrt. Von den einst etwa 1000 einheimischen Geldinstituten ist heute nur noch weniger als die HĂ€lfte ĂŒbrig. Vor allem jene Institute, die sich nur als verlĂ€ngerter hauseigener Finanzarm eines Unternehmenskonglomerats oder einer kriminellen Gruppe verstanden hatten und prĂ€destiniert fĂŒr GeldwĂ€sche waren, wurden vom Markt genommen. âNabiullina brachte Ordnung in den Bankensektorâ, sagt denn auch Ilia Schumanow, Vizechef der Moskauer Niederlassung von Transparency International, im GesprĂ€ch mit der Börsen-Zeitung.
Bei Russlands forciertem Kampf gegen illegale Transaktionen geht es nicht nur um die klassische WĂ€sche illegaler Gelder, sondern mindestens ebenso wichtig auch um die organisierte Umwandlung nicht unbedingt illegaler Buchgelder in Bargeld zum Zwecke der Steuerhinterziehung sowie um die Bezahlung von Schwarzarbeitern, Bestechung oder Kickback. Der Kampf gegen Schwarzgeld jeglicher Art ist daher in Russland auch vorrangig ein Kampf gegen die traditionell groĂe Schattenwirtschaft. Die staatliche Behörde fĂŒr Finanzmonitoring bezifferte ihren Anteil an der Gesamtwirtschaft vor zwei Jahren trotz aller Fortschritte noch mit einem FĂŒnftel.
Neben der ZenÂtralbank kam im vergangenen Jahrzehnt der Steuerbehörde, die bis Anfang 2020 vom aktuell amtierenden Premierminister Michail Mischustin geleitet wurde, eine SchlĂŒsselrolle zu. Mit zunehmender Digitalisierung des Steuerwesens wurde etwa der flĂ€chendeckende Mehrwertsteuerbetrug zuÂrĂŒckgedrĂ€ngt.
Zu viele Eintagsfirmen
Noch vor zehn Jahren hatte als Faustregel gegolten, dass zwei Drittel der jĂ€hrlich gegrĂŒndeten Unternehmen Eintagsfirmen waren. Ihre Zahl schrumpfte von 1,8 Millionen (2011) auf ein Sechstel bzw. 7,3% aller Firmen, wie das Wirtschaftsmedium The Bell in einer umfassenden Analyse schreibt. Der Druck der Behörden verteuerte die Dienstleistung: Hatte eine Eintagsfirma frĂŒher 2 bis 3% Kommission fĂŒr eine Schattentransaktion genommen, so waren es spĂ€ter 15 bis 20%. Jewgeni Winogradow, Chef des auf die Aufdeckung von Schattentransaktionen spezialisierten Unternehmens âCrime Financeâ, wirft im GesprĂ€ch mit The Bell ein, dass das Volumen der verborgenen Transaktionen zwar zurĂŒckging, aber nicht um ein Vielfaches, sondern um 10 bis 15%.
Die klassische GeldwĂ€sche wird inzwischen vermehrt ĂŒber KryptowĂ€hrungen abgewickelt, wie jĂŒngst die Verurteilung des Russen Alexander Vinnik, dessen soll, zu fĂŒnf Jahren Haft in Paris zeigt. Seine illegale Krypto-Börse BTC-e soll 4 Mrd. Dollar gewaschen haben. International werden Russlands BemĂŒhungen im Kampf gegen die GeldwĂ€sche jedenfalls anerkannt.
âAnstrengungen verstĂ€rkenâ
Bei ihrer letzten PrĂŒfung im DeÂzember 2019 hat die FATF (Financial Action Task Force zur BekĂ€mpfung von GeldwĂ€sche, Terrorismus- und Proliferationsfinanzierung) Russland bescheinigt, recht effiziente MaĂnahmen ergriffen zu haben. Russland habe zwar ein tiefgreifendes VerstĂ€ndnis fĂŒr die Risiken aus der GeldwĂ€sche und der Terrorismusfinanzierung entwickelt, heiĂt es in dem Bericht. Das Land verfĂŒge ĂŒber Gesetze und habe MaĂnahmen ergriffen, um diese Risiken zu bewĂ€ltigen. Doch sollte Russland seine Ăberwachungsanstrengungen verstĂ€rken und sich auf die Verfolgung insbesondere auslĂ€ndischer komplexer GeldwĂ€schefĂ€lle konzentrieren, empfiehlt die FATF. 2000 wurde das Land noch auf der schwarzen Liste der FATF gefĂŒhrt, 2003 wurde Russland dann Mitglied der Organisation.
Bei der jĂŒngsten FATF-PrĂŒfung erzielte Russland mit 5,51 Punkten die bislang beste Bewertung im einschlĂ€gigen AML-Index (Risiko fĂŒr GeldwĂ€sche und Terrorismusfinanzierung) der Schweizer NGO âBasel Institute on Governanceâ. Unter den 141 untersuchten LĂ€ndern, die von Estland mit 2,36 Punkten angefĂŒhrt sind, bleibt Russland freilich in der Gruppe mit mittlerem Risiko.
In Russland sind die Gesetze zwar tadellos, ihre Umsetzung ist aber mangelhaft, wie Schumanow erklĂ€rt. Das mĂŒsse sich gar nicht in mangelnder AktivitĂ€t ausdrĂŒcken, sondern könne auch als HyperaktivitĂ€t daherkommen. Seit die Banken 2012 verpflichtet wurden, verdĂ€chtige Finanzoperationen an das Amt fĂŒr Finanzmonitoring zu melden, wird es von Mitteilungen ĂŒberflutet. Laut russischen Medien fĂŒhrte die Zentralbank deshalb im Herbst 2019 an die 750000 juristische und physische Personen auf ihrer schwarzen Liste. Das hat zwei Effekte. Erstens sind diejenigen, die zu Unrecht oder aufgrund einer Lappalie auf der Liste gelandet waren, wirtschaftlich blockiert und kommen nur schwer von der Liste herunter. Deshalb hat sogar ZentralbankprĂ€sidentin Nabiullina zwischendurch eingestanden, zu hart vorgegangen zu sein.
Zweitens fĂŒhrt die hohe Zahl an EintrĂ€gen auf der schwarzen Liste dazu, dass die problematischen FĂ€lle, zumal wenn sie in höhere Kreise hineinragen, nicht genug verfolgt werden, weil der Regulator ĂŒberlastet ist, wie Schumanow von Transparency International sagt.
Zuletzt erschienen:
SchĂ€rfere Standards fĂŒr Kunstindustrie (15. Januar)
Wenn die Vorgaben kollidieren (13. Januar)