DER FALL WIRECARD

Ausschuss nimmt Kontakte zu Politik ins Visier

Beweisaufnahme startet mit öffentlicher Vernehmung von Ex-Wirecard-Chef - Prüfer von EY und KPMG dürfen ohne Auflagen aussagen

Ausschuss nimmt Kontakte zu Politik ins Visier

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum milliardenschweren Bilanzskandal bei Wirecard startet in die heiße Phase. Mit der öffentlichen Vernehmung des Firmengründers und langjährigen CEO Markus Braun beginnt die Beweisaufnahme. Die Kontakte von Braun in die Politik dürften dabei im Fokus stehen.sp Berlin – Mit einem Paukenschlag startet heute Mittag die Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses des Bundestages zum milliardenschweren Bilanzskandal beim insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard. Als erster Zeuge wird in einer öffentlichen Anhörung der Firmengründer und Ex-CEO Markus Braun vernommen. Mit auf der Liste der Zeugen stehen auch der ehemalige Chef der Rechnungslegung von Wirecard, Stephan von Erffa, sowie Oliver Bellenheim, der zuletzt für die Wirecard-Tochter Cars Systems Middle East in Dubai verantwortlich war und für die Staatsanwaltschaft München als Kronzeuge fungiert. Vor dem Ausschuss aussagen wird am Donnerstag auch Tina Kleingarn, bis Ende 2017 Mitglied im Aufsichtsrat von Wirecard (siehe Kasten).Im Mittelpunkt des Interesses steht die Aussage von Braun, der in den vergangenen Tagen vergeblich versucht hatte, eine Befragung über Video ohne Anwesenheit in Berlin durchzusetzen. Eine entsprechende Beschwerde wurde vom Bundesgerichtshof am Dienstag abgewiesen (vgl. BZ vom 18. November). “Mit einem Untersuchungsausschuss spielt man nicht”, kommentierte der Linken-Abgeordnete Fabio de Masi, der auch im Untersuchungsausschuss sitzt. “Es gibt genug zu besprechen – auch über Kontakte in die Politik”, deutete de Masi eine mögliche Richtung seiner Fragen an den Ex-Wirecard-Chef an, die auch die anderen Ausschussmitglieder einschlagen dürften.Der Anwalt von Braun hat bereits angekündigt, dass sich sein Mandant zu Kontakten in die Politik äußern werde, wie FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar, der ebenfalls im Untersuchungsausschuss sitzt, am Mittwoch erklärte. “Dazu ist er auch verpflichtet, meines Erachtens hat er da keine Wahl”, sagte Toncar zu den Grenzen des Aussageverweigerungsrechts, das Braun zusteht, sofern er sich mit einer Antwort selbst belasten würde. Zu den Vorwürfen der Münchner Staatsanwaltschaft – darunter bandenmäßiger Betrug – werde Braun sich deshalb wohl nicht äußern. Die Behörde sieht Braun als zentrale Figur. “Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen fungierte Dr. Braun innerhalb der Bande als Kontroll- und Steuerungsinstanz”, heißt es laut der Nachrichtenagentur Reuters in einer E-Mail von Oberstaatsanwältin Hildegard Bäumler-Hösl an den Ausschuss.Das Parlamentsgremium konzentriert sich auf die Versäumnisse der Regierung und ihrer Behörden im Umgang mit Wirecard. Die Kommunikation des Konzerns und seiner Führungskräfte mit der Politik und der Finanzaufsicht ist deshalb von besonderem Interesse. Notfalls werde der Ausschuss Zwangsmittel einsetzen, um Aussagen Brauns zu diesen Bereichen zu bekommen, sagte Toncar. Der Ausschuss hat bereits angekündigt, zu einem späteren Zeitpunkt auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu Wirecard befragen zu wollen.Hilfe bei der Aufklärung erhofft sich der Ausschuss auch von den Wirtschaftsprüfern der Gesellschaften EY und KPMG, die Abschlüsse von Wirecard teils über Jahre testiert haben. Sie dürfen wohl ohne Auflagen vor dem Gremium aussagen: Der Insolvenzverwalter von Wirecard, Michael Jaffe, entband fünf namentlich genannte Vertreter der Beratungsunternehmen von ihrer Verschwiegenheitspflicht, wie aus einem Reuters vorliegenden Schreiben hervorgeht. “Insbesondere EY muss darlegen, warum sie 1,9 Mrd. Euro nicht existierenden Cash bestätigt haben”, kommentierte die SPD-Abgeordnete Cansel Kiziltepe, die dem neunköpfigen Untersuchungsausschuss angehört. Das Verhalten der Prüfungsgesellschaften steht im Dezember auf der Tagesordnung der Beweisaufnahme im Ausschuss.Anders als Braun dürfen sich die ebenfalls inhaftierten Ex-Wirecard-Führungskräfte von Erffa und Bellenheim den Fragen des Untersuchungsausschusses heute jeweils in einem Videocall stellen. Damit will man zum einen sicherstellen, dass es insbesondere zu keinem Zusammentreffen des Kronzeugen Bellenheim mit Braun kommt. Zum anderen hätten die Anwälte des ehemaligen Head of Accounting und des früheren Geschäftsführers der Tochtergesellschaft aus Dubai angekündigt, vor Abschluss der Befragung durch die Staatsanwaltschaft vor dem Ausschuss von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen zu wollen, gleichzeitig aber Bereitschaft signalisiert, zu einem späteren Zeitpunkt auch persönlich vor dem Ausschuss auszusagen, sagte Toncar. Ex-Aufsichtsräte zieren sichDer Einladung vor den Ausschuss nicht gefolgt ist das ehemalige Wirecard-Aufsichtsratsmitglied Susana Quintana-Plaza, die als portugiesische Staatsbürgerin dazu berechtigt ist, heißt es aus dem Ausschuss. Wulf Matthias, der langjährige Aufsichtsratschef und Vertraute von Braun, hat sich ebenso wie sein Nachfolger an der Aufsichtsratsspitze Thomas Eichelmann mit ärztlichem Attest vorerst einer Vernehmung entzogen.