Im GesprächYves Choueifaty, Tobam

„Autokratie funktioniert wirtschaftlich nicht“

Der französische Assetmanager Tobam hat sich auf die Minimierung von Regime-Risiken spezialisiert. Diese stellten eine Belastung für die Performance dar, sagt Gründer Yves Choueifaty.

„Autokratie funktioniert wirtschaftlich nicht“

Im Gespräch: Yves Choueifaty

"Autokratie funktioniert wirtschaftlich nicht“

Der französische Assetmanager Tobam hat sich auf Regimerisiken von Investments spezialisiert – Autokratie-Filter soll Performance erhöhen

Regimerisiken gewinnen unter ESG-Aspekten an Bedeutung. Besonders Unternehmen mit Verbindungen zu China könnten Probleme entstehen, sagt Yves Choueifaty, Gründer der Quant-Boutique Tobam. Deren Autokratie-Filter biete deutliche Performancevorteile für das Portfolio.

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Als zentrale Bestandteile von ESG werden Autokratie und Regimerisiken im Assetmanagement selten gesehen. Eine Ausnahme macht Yves Choueifaty, der die französische Investmentfirma Tobam gegründet hat. Das Unternehmen hat einen Autokratie-Filter entwickelt, der deutliche Performancevorteile bringen soll.

„Das Besondere ist, wie wir diese Erkenntnisse im Assetmanagement umsetzen. Kein anderer Assetmanager schaut sich Themen wie Autokratie, Regimerisiken und Menschenrechte so intensiv an wie wir", sagt Choueifaty im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Um das Risiko-Ertrag-Profil zu erhöhen, baue die Investmentboutique Portfolios auf, die innerhalb einer bestimmten Bandbreite des langfristigen Tracking Error am wenigsten von Autokratie betroffen seien.

Wichtige Faktoren für Assetmanager sind geopolitische Ereignisse wie Kriege, aber auch Handelssanktionen. Daran, wie Portfolios auf solche Ereignisse reagieren, lässt sich direkt messen, wie gut der Ansatz mit Blick auf Risikominderung funktioniert. Die quantitativ ausgerichtete Fondsboutique Tobam hat in ihr Geschäftsmodell vor Jahren schon die Faktoren Autokratie und Regimerisiken eingebaut.

Anlegern ist im vergangenen Jahr ein Verlust von 240 Mrd. Dollar entstanden, weil Unternehmen in autokratischen Staaten investiert waren.

Yves Choueifaty, Tobam

CEO Yves Choueifaty, der die Firma vor rund 20 Jahren gegründet hat, ist von diesem Ansatz zutiefst überzeugt. Als Beleg führt er den Überfall von Russland auf die Ukraine an, der im MSCI Emerging Markets Index zu einem Kursverlust von 8% führte, während das von Tobam erstellte „LBRTY Indexportfolio“ um 5% zulegte.

„Anders ausgedrückt: Anlegern ist im vergangenen Jahr ein Verlust von 240 Mrd. Dollar entstanden, weil Unternehmen in autokratischen Staaten investiert waren“, sagt Choueifaty. Zumindest gilt das für den betrachteten Zeitraum.

"Think out of the box"

Der Firmenname des Assetmanagers lehnt sich an das Konzept „think out of the box“ an, was den unkonventionellen Ansatz unterstreichen soll. In verschiedenen Strategien verwaltet Tobam nach eigenen Angaben mehr als 6 Mrd. Dollar. Die meisten Kunden hat das Unternehmen in Nordamerika, etwa 5% in Deutschland.

Enorme Datenmenge

„Wir nutzen Daten von sieben verschiedenen Quellen, wie beispielsweise V-Dem, die buchstäblich seit Jahrhunderten dazu Daten veröffentlichen“, erläutert der Firmengründer.  Dabei gehe es etwa um Pluralismus oder Rechtsordnung – insgesamt eine enorme Menge von Daten, die in Risiko-Return-Faktoren transformiert würden.

Choueifaty sieht sich durch die Wissenschaft bestätigt: „Zahlreiche akademische Forschungsartikel weisen auf die hohen Kosten hin, die Autokratie und Regimerisiken für die Wirtschaft verursachen.“ Auch Untersuchungen des Analysehauses Morningstar nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine bestätigten die Zusammenhänge.

Volkswirtschaftliche Grundlage

Wenn ein Staat sich von einer Autokratie in Richtung Demokratie bewege, erhöhe sich automatisch das Pro-Kopf-Einkommen. „An diesem und vergleichbaren Kriterien haben wir uns bei der Entwicklung des Ansatzes orientiert“, sagt Choueifaty.

Wir sind fest davon überzeugt, dass Demokratie, Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Pluralismus und Vielfalt langfristig wirtschaftlich funktionieren.

Yves Choueifaty, Tobam

Es gehe nicht darum, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Man müsse vielmehr differenzieren zwischen dem, was funktioniert, und dem, was nicht funktioniert: „Wir sind fest davon überzeugt, dass Demokratie, Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Pluralismus und Vielfalt langfristig wirtschaftlich funktionieren. Genauso fest sind wir überzeugt, dass Autokratie wirtschaftlich nicht funktioniert.“

Tobam ermittelt dann für jeden Staat einen Score. Unter 5,5 werde das Land ausgeschlossen, über 6,5 sei es investierbar. In der Grauzone dazwischen treffe ein Komitee Einzelfallentscheidungen. In dieser Zone liegen Indien, Indonesien und die Philippinen, die auf die schwarze Liste kamen, und Hongkong, Mexiko, Thailand als noch investierbare Staaten.

„Die meisten Länder auf der Blacklist sind eher klein, bis auf China und Russland. Insbesondere Verbindungen zu China haben aber einen enormen Einfluss bei dem Ansatz, Investments in Autokratien und damit Regimerisiken zu vermeiden“, sagt Choueifaty.

Wenn man nur die direkten Bestände an Aktien autokratischer Länder ausschließt, reduziert man den Autokratie-Anteil im Portfolio um 30%.

Yves Choueifaty, Tobam

„Wenn man nur die direkten Bestände an Aktien autokratischer Länder ausschließt, reduziert man den Autokratie-Anteil im Portfolio um 30%.“ Der Rest entfalle auf westliche Unternehmen, die mit autokratischen Staaten Geschäfte machen. Tobam ermittelt für jedes Unternehmen aus einem demokratischen Land das Exposure gegenüber Autokratien. „Bei deutschen Automobilkonzernen ist das gerade über die Tätigkeit in China sehr stark“, sagt er.

Einflussnahme auf Emittenten

Der Autokratie-Regimerisiko-Ansatz basiere jedoch nicht nur auf dem Ausschlussprinzip: „Wir minimieren nicht nur das Exposure, sondern sind auch als Aktionäre aktiv.“ So habe der Assetmanager schon Kontakt zu Unternehmen aufgenommen: „Beispielsweise zu Renault, mit denen wir über das enorme Risiko diskutiert haben, dem ihre Aktionäre durch autokratische Regime ausgesetzt sind.“

Yves Choueifaty gründete 2002 die französischen Quant-Boutique Tobam. Zuvor war er viele Jahre bei Credit Lyonnais Asset Management tätig, zuletzt als CEO. Die von ihm gegründete Firma quantifiziert das Thema Autokatie und Regimerisiken als Teil von ESG und macht es so investiertbar. Choueifaty ist libanesischer Herkunft und kennt das Leben unter autoritären Regimes auch aus eigener Anschauung.

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