Banker diskutieren über die Grenzen von KI
Banker diskutieren über die Grenzen von KI
Banker diskutieren über Grenzen von KI
Zur Eröffnung der Euro Finance Week warnt EZB-Vize de Guindos vor Kursverlusten durch KI-Ernüchterung
lee Frankfurt
Nachdem künstliche Intelligenz (KI) in nahezu jeder Bank zumindest getestet wird, stellt sich zunehmend die Frage nach den Grenzen der neuen Technologie. Auf der Eröffnung der Euro Finance Week am Montag in Frankfurt warnte der Vizepräsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Luis de Guindos, vor „plötzlichen Stimmungsumschwüngen“ – mit erheblichem Rückschlagpotenzial für die Börsen.
Hohes Konzentrationsrisiko
Die aufgekommene optimistische Stimmung seit der Erholung der globalen Aktienmärkte von ihren Tiefstständen im April habe die hohen Bewertungen an den Finanzmärkten noch steigen lassen. „Gleichzeitig hat die Marktkonzentration und die Vernetzung zwischen einer Handvoll großer US-amerikanischer Technologieunternehmen weiter zugenommen, wodurch die Märkte Risiken ausgesetzt sind, die sich aus potenziellen Schocks für ihre KI-bezogenen Geschäftsmodelle ergeben“, warnte de Guindos. Es gebe Raum für „plötzliche Stimmungsumschwünge“.
Schneller und besser bei KYC
Im operativen Geschäft der Banken bewährt sich der Einsatz von KI jedoch vielerorts, wie Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp herausstellte. Insbesondere die für die Verhinderung von Geldwäsche und Terrorfinanzierung immer wichtiger werdenden KYC-Prozesse zur Identifizierung von Kunden würden durch KI nicht bloß schneller, sondern auch treffsicherer.
Zoo von Chatbots
Bei der DZ Bank komme die KI-Anwendungslandschaft seit gut zwei Jahren zum Einsatz, sagte Vorstandschef Cornelius Riese. Nun sei es Zeit für ein Zwischenfazit. Sehr gut bewährt habe sich die Technologie bei der Automatisierung von Massenprozessen, um den Anteil der Dunkelverarbeitung weiterhin zu erhöhen. Doch auch bei komplexeren Prozessen, etwa bei der dezentralen und schnellen Entwicklung neuer Anwendungen im Firmenkunden- oder Kapitalmarktbereich setzt sich die DZ Bank intensiv mit dem Thema auseinander.
„Von knapp 200 Use Cases sind bereits 60 live gegangen", stellte Riese heraus. Zugleich ließ er Zweifel daran erkennen, dass sich dies in der Zukunft so weiterschreiben lässt. Denn: „Am Ende steht man mit einem Zoo von Chatbots da und muss entscheiden, wo einem das in der Organisation wirklich weiterhilft.“ Auch wenn jeder einzelne in der Lage sei, ein paar Minuten Zeit einzusparen, sei der Nutzen für die Organisation schwierig zu messen.
Systematischer Einsatz
Wie so häufig scheine die alte Regel zu gelten, dass man die Auswirkung neuer Technologien in den ersten ein bis zwei Jahren oftmals überschätze, ergänzte Riese. Dazu gehöre allerdings auch die Erkenntnis, dass man sie mittel- bis langfristig oftmals unterschätze. Daher sei es umso wichtiger, nun zum nächsten Schritt zu kommen: dem systematischen Einsatz mehrerer Agenten in komplexen Prozessen des Bankgeschäfts. Dieser auch als „Agentic AI“ bezeichnete Entwicklung werde einen echten Sprung in der Prozessautomatisierung ermöglichen, prognostiziert er.
Auffindbarkeit sicherstellen
Womöglich noch bedeutsamer sei die Kundenschnittstelle. Konkreter die Frage, wie Menschen künftig mit der Technik kommunizieren und welche Rolle digitale Agenten bei der Kaufentscheidung spielen. Die Umwälzungen durch die neue Technologie sei aber auch von vitaler Bedeutung für den Vertrieb. Denn je mehr sich die Kunden von Large Language Modellen beraten ließen, desto drängender stelle sich die Frage, wie Banken in Zukunft auffindbar bleiben.
„Es war ein kostspieliger Lernprozess, zu verstehen, wie das in der Google-Welt funktioniert“, sagte Riese. Nun gelte es zu verstehen, wie es in der KI-Welt funktioniert. Schließlich geben ChatGPT und Perplexity etwa ihre Quellen oftmals gar nicht an – und wenn sie es tun, klicken die Anwender diese meistens gar nicht an. „Auf diesem Feld müssen wir arbeiten, damit unsere Branche auf der Seekarte verbleibt und nicht vom Nebel verschluckt wird“, sagte Riese.
Deutsche Bank baut auf KI
Auf dem Eröffnungspodium nicht vertreten war in diesem Jahr ausnahmsweise die Deutsche Bank, deren Management in London die neue Strategie bis 2028 vorstellte. Das Institut strebt nach eigenen Angaben an, die Rendite auf das materielle Eigenkapital auf 13% zu steigern. Wie in den Präsentationen deutlich wurde, soll dies maßgeblich auf dem Einsatz der neuen Technologie basieren. Wohl auch vor diesem Hintergrund hat das Institut keine Zielgröße für die Zahl der Mitarbeiter festgelegt.
Large Language Modelle sind auch in der Finanzbranche längst angekommen. Nachdem fast alle Banken damit zumindest experimentieren, stellt sich die Frage nach den Grenzen der Technologie. Die damit einhergehende Ernüchterung könnte zu Kursverlusten an den Börsen führen, fürchtet der EZB-Vize Luis de Guindos.
