Ulrich Reuter

„BayernLB auf vernünftigem Weg“

Der neue Präsident des Sparkassenverbands Bayern über strukturelle Änderungen bei den Öffentlich-Rechtlichen und seinen Ansatz für die Gruppe

„BayernLB auf vernünftigem Weg“

Michael Flämig.

Herr Dr. Reuter, ein Deutschbanker als Sparkassenpräsident – wie passt das zusammen?

Ich denke, das widerspricht sich nicht. Die berufliche Entscheidung am Anfang meiner Laufbahn, aus einer großen Wirtschaftskanzlei zur Deutschen Bank zu gehen, war ja kein Votum gegen die Sparkassen. Tatsächlich war ich auch während meiner Deutsche-Bank-Tätigkeit immer ein Kunde der Sparkassen.

Welche Eigenschaft schätzen Sie in Führungspositionen?

Offenheit ist für mich wichtig. In der heutigen Zeit sollte dies übrigens selbstverständlich sein. Es gilt, veränderte Techniken und Herausforderungen anzugehen. Wenn man zu sehr am Herkömmlichen hängt, dann ist man nicht offen für Neues, und es gehen viele Entwicklungen an einem vorbei.

Sie waren auch Fachhochschul-Professor und lange Jahre Landrat. Was treibt Sie an?

Ich bin neugierig, das lässt sich tatsächlich ein wenig an meinem Berufsweg ablesen. Ich kam über den zweiten Bildungsweg, und immer dann, wenn es interessant wurde, hat man zu Beginn meiner beruflichen Entwicklung gesagt: Ab hier macht das jetzt jemand anders. Als Angestellter in der Kommunalverwaltung hieß es, das ist Sache der Juristen. Als ich Jura studiert hatte, hieß es, diese interessante Sache macht nicht mehr der Rechtspfleger, sondern der Richter oder Staatsanwalt.

Wieder war jemand anders dran.

Ich habe mir dann gesagt: Das kann ich auch. Also habe ich mich in die Aufgaben eingearbeitet. So hat mich der Weg wieder von der Deutschen Bank weggeführt, ohne dass ich mich gegen dieses Institut entschieden hätte. Es war eine interessante Zeit bei der Bank, aber die ist längst vorbei. Ich trage schon jetzt deutlich länger Verantwortung in der Sparkassen-Finanzgruppe als dort.

Trotzdem: Was bringen Sie von der Deutschen Bank mit?

Als Leiter der Rechts- und Stabsabteilung einer Bauspar-Tochtergesellschaft habe ich in den neunziger Jahren die Gesamtsteuerung eines solchen Instituts kennengelernt. Das hat mir sehr geholfen, weil es ein anderer Blick war als in meiner vorherigen Tätigkeit als Wirtschaftsanwalt. In der damaligen DB24 habe ich anschließend Managementaufgaben übernommen.

Damit waren Sie inmitten des Privatkundensegments.

Schon damals hatte ich nicht verstanden, warum dieses Geschäft mit dem einfachen Bürger als fünftes Rad am Wagen der Deutschen Bank behandelt wurde. Schließlich hat man durchaus neidvoll auf die Sparkassen und Genossenschaftsbanken ge­blickt. Das Desinteresse hat damals viele Beschäftigte der Bank, aber auch viele Kunden massiv verstört.

Unterscheidet sich das private Bankwesen von den Sparkassen?

Die Unterschiede sind erheblich. Der öffentliche Auftrag der Sparkassen ist nicht nur im Gesetz festgeschrieben, sondern wir leben ihn auch. Dies spüre ich hier in nahezu jeder Besprechung.

Wie?

Zum Beispiel hatte ich vor diesem Interview einen Video-Call zum Thema IT. Eigentlich ist die EDV ein ganz neutrales Medium. Da geht es um das Werkzeug, mit dem man sein Ge­schäft betreibt. Aber diese Diskussion drehte sich auch um die Stärke vor Ort. Wir wollen eben nicht nur High-End-Angebote, sondern ein Digital Banking, das jeder bedienen kann.

Kundennähe predigen auch Privatbanken.

Wir Sparkassen aber sind wirklich in der Fläche präsent. Dabei unterscheiden wir uns erheblich von einem als Konzern organisierten Finanzdienstleister, weil die Entscheidungen vor Ort getroffen werden. Wer im Landkreis Dachau ein Darlehen haben will, der weiß bei uns, dass diese Entscheidung für Dachau auch in Dachau und nicht in München oder Frankfurt getroffen wird. Wir haben ein regionales Geschäftsmodell für den regionalen Wirtschaftskreislauf.

Die Kehrseite dieses Vor-Ort-Prinzips ist, dass Sie als Präsident des Sparkassenverbands Bayern we­nig zu sagen haben.

Das schadet aber nicht, weil ich ein Teamplayer bin. Es geht ja darum, insgesamt die Gruppe voranzubringen. Und da zählen alle 64 Sparkassen, deren Vorstände, die Verwaltungsräte und auch der Verband dazu. Nur gemeinsam ist Erfolg möglich.

Was trägt der Verband bei?

Wir halten den Sparkassen den Rücken frei. So entlasten wir sie etwa bei den Themen Regulation, Recht, Personal oder Steuerung. In der IT haben wir mittlerweile einen bundesweiten Dienstleister etabliert. Da ging nicht von Anfang an alles glatt, aber nun werden den Sparkassen viele IT-Aufgaben abgenommen.

Dies ist nachvollziehbar, aber ein bekannter Prozess. Welche Neuerungen bringen Sie ein?

Mein Ansatz ist, aktiv auf die Menschen zuzugehen. Klar, jeder Banker muss auch mit Zahlen steuern können. Aber mir geht’s um die Zusammenarbeit, um das Aktivieren von Agilität und Kreativität in den Sparkassen. Denn wir gewinnen gemeinsam nur dann, wenn wir die Stärken aus den einzelnen Sparkassen holen. Ich will die Ideen vor Ort mit nach München nehmen und erfolgversprechende Projekte für ganz Bayern voranbringen. Ich glaube an Dezentralität, auch wenn sie mühsam ist.

Das Geschäftsmodell ist unter Druck. Wie sehen Sie die Lage?

Sie haben mit Ihrer Diagnose völlig recht. Wir müssen einen Ausgleich finden für die wegbrechende Zinsmarge. Die Darlehensnachfrage ist aber sehr zufriedenstellend. Der Kreditbestand ist im vergangenen Jahr um 8 Mrd. Euro auf mehr als 150 Mrd. Euro gestiegen. Die Neuzusagen lagen bei 35 Mrd. Euro. Andererseits tragen uns die Kunden auch mangels Konsummöglichkeiten ihr Geld intensiv zu. Die Einlagen haben netto um 12 Mrd. Euro zugenommen auf 187 Mrd. Euro. Die Differenz zwischen Kreditbestand und Einlagenhöhe ist mächtig.

Dies drückt auf das Ergebnis.

Es bleibt immer weniger übrig. Der Zinsüberschuss ist erneut gesunken. Die Provisionen sind geschrumpft, weil das Geschäft im Coronajahr nicht so intensiv laufen konnte. Allerdings haben die Sparkassen auch den Verwaltungsaufwand reduzieren können. Dennoch ist das Betriebsergebnis vor Bewertung im Schnitt weiter rückläufig.

Ist die Schmerzgrenze erreicht?

Das tut weh. Keine Frage. Aber es muss gehen. Die Schmerzgrenze ist sicherlich erreicht. Ist die Überlebensgrenze erreicht? Das nicht, nein. Wir haben keine Sparkasse, die nicht in der Lage ist, sicher die Eigenkapitalanforderungen zu erfüllen.

Was ist nun zu tun?

Wir müssen natürlich intensiv im Vertrieb arbeiten. Der zweite Punkt ergibt sich aus der Tatsache, dass das Ergebnis der Unterschied zwischen Ertrag und Kosten ist. Es wird nicht ausbleiben, dass wir uns auf der Kostenseite immer wieder an die nächste Grenze heranwagen müssen.

Werden Sie Fusionen der Sparkassen fördern?

Entscheidungen werden vor Ort getroffen. Wo wir um Rat gefragt werden, geben wir ihn. Gerade bei kleineren Sparkassen ist der Druck der Bankenaufsicht enorm. Diesem Druck kann man ab einem gewissen Punkt nicht mehr einfach ausweichen. Wenn sich zwei kleinere Institute zusammentun, kann man im Laufe der Zeit die Effizienz erhöhen.

Gibt es eine Mindestgröße?

Es gibt erfolgreiche Große und erfolgreiche Kleine. Die Idealsparkasse kann man nicht definieren, auch dort hängt der Geschäftserfolg von den Menschen ab, die tätig sind. Aber die Wahrscheinlichkeit ist natürlich gering, dass es in fünf Jahren noch genauso viele Sparkassen geben wird wie jetzt.

Dies erscheint selbstverständlich. Aber geht es nun schneller?

Man kann nie sagen, ob Fusionsdebatten vor Ort auch zum Erfolg führen. Manchmal passt es betriebswirtschaftlich nicht, manchmal bremsen kommunalpolitische Erwägungen vor Ort, und manchmal lässt man die Dinge infolge öffentlichen Drucks ruhen. Aber der Trend zu Fusionen ist unverkennbar, da haben Sie völlig recht. Auch die Zahl der Filialen wird in absehbarer Zeit nicht steigen, sondern eher sinken.

Muss auch der Sparkassenverband Bayern sparen?

Wenn wir über Kosteneffizienz sprechen, dann betrifft dies die gesamte Gruppe samt ihren Tochtergesellschaften und ebenso die Verbände. Der Sparkassenverband Bayern hatte in den letzten zehn Jahren eine stabile Umlage, hat also nicht mehr Geld der Sparkassen gebraucht. Wir streben außerdem Kooperationen mit anderen Verbänden an und arbeiten bereits mit Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein zusammen.

Ist es denkbar, Verbände zu fusionieren?

Auch das halte ich nicht für völlig ausgeschlossen. Manche Verbände haben wie wir mehr als 60 Sparkassen, andere nur ein Dutzend. Also gibt auch da eine enorm große Spanne. Ein Hindernis für Zusammenschlüsse ist, dass jeder Verband einem eigenen Landesrecht unterliegt. Also stehen Zusammenschlüsse im Moment nicht im Vordergrund.

Bei welchen Teilen des Sparkassenverbunds in Bayern sehen Sie den größten Handlungsbedarf?

Handlungsbedarf gibt es sowohl bei allen Sparkassen wie bei allen verbundenen Unternehmen in gleicher Weise. Der Grund: Sie sind alle der gleichen Geldpolitik der EZB und einem Regulierungsdruck der Aufsicht ausgesetzt. An der Schärfung der Geschäftsmodelle arbeiten alle sehr intensiv und mit respektablem Erfolg. Wir haben keinen Brandherd in Bayern, der gelöscht werden müsste. Mein Vorgänger hat hier sehr gute Arbeit geleistet.

Gilt dies auch für die BayernLB?

Die Landesbank hat einen enormen Restrukturierungsprozess hinter sich und ist noch nicht ganz an dessen Ende angelangt. Sie hat sich in den letzten Jahren sehr gut stabilisiert. Sie strebt auch in diesem Jahr eine Ausschüttung an. Darüber sind wir froh. Ich sehe die Bank auf einem sehr vernünftigen Weg.

Muss nun die nächste Stufe gezündet werden?

Man wird nie aufhören können mit der Arbeit am Geschäftsmodell. Das gilt natürlich auch für die Landesbank. Im Laufe des Jahres wird das Management-Team wieder um zwei Personen ergänzt. Dann wird man erneut analysieren.

Die nächste Stufe könnten auch veränderte Strukturen sein.

Es gibt intensive Prüfungen, wie Landesbanken zusammenarbeiten können. Im letzten Jahr haben wir einen kleinen Erfolgsschritt getan, indem das Zins-, Währungs- und Rohstoffmanagement bei der LBBW gebündelt wurde. Wir hoffen, dass auch andere Landesbanken erkennen, dass das ein sinnvollerer Weg ist, als sich gegenseitig mehr Wettbewerb zu machen als nötig.

Ihr Vorgänger hat es sogar drastischer formuliert, um strukturelle Änderungen zu fordern: Die Landesbanken machten sich die Margen kaputt.

Dem schließe ich mich an. Strukturelle Änderungen wären sicherlich wünschenswert. Allerdings: Wünsche formulieren bringt noch kein Ergebnis. Mir ist es lieber, man geht in kleinen, aber sinnvollen Schritten vorwärts, als sich in Wunsch-Definitionen zu verausgaben. Klar stehen wir zum Zielbild unseres DSGV-Präsidenten, das ein Zentralinstitut für die deutschen Sparkassen enthält. Da sollten die Landesbanken ein Teil des Nukleus sein. Allerdings auch da gilt: nicht alle Teile.

Wie meinen Sie dies?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Freistaat Bayern seinen 75-%-Anteil an der BayernLB eintauscht gegen 20% an einer Zentral-Landesbank. Das würde mir nicht einleuchten. Und trotzdem müssen wir an dem Thema arbeiten. Also: Es wird sicherlich nicht einfach.

Wie kann man daran arbeiten?

Manchmal passt ein Thema, aber die Zeit gerade nicht. Da muss man eben gucken, dass man eine Zeit erwischt, wo manche Themen umsetzbar sind. Win-win-Situationen wie die Zusammenlegung des Währungsgeschäfts von BayernLB und LBBW müssen wir immer wieder erkennen und auch herbeiführen.

Eine große Lösung halten Sie also für unrealistisch.

Kurzfristig ist dies in den nächsten zwei Jahren nicht umsetzbar.

Wie beurteilen Sie die Lage der Versicherungskammer Bayern?

Sie steht im Kreis unserer Verbundunternehmen sicherlich am stabilsten da. Wir werden auch dort immer stärker unter Anlagedruck geraten, aber die Versicherungskammer als der größte öffentlich-rechtliche Versicherer ist sehr gut unterwegs.

Fördern Sie Fusionen mit anderen Versicherern?

Die Kammer hat in den letzten Jahren gute Erfahrungen gemacht mit der Ausweitung ihres Geschäftsgebiets. Sie hat also Know-how bei diesem Thema. Insofern ist das sicherlich etwas, wofür die Kammer bereit ist und auch bereitsteht. Auch im Bereich der Versicherer kann man aber durch Kooperationen viel Effizienz heben, ohne dass man zwingend fusioniert. Aber es gibt natürlich durchaus wünschenswerte Verbindungen, das will ich nicht verhehlen. Sie sind jedoch nicht kurzfristig machbar. Und es ist auch nicht nötig.

Man hat schon länger den Eindruck, die Versicherungskammer sei bereit – das Streichen von „Bayern“ aus dem Markennamen macht dies augenfällig.

Man sieht, Sie passen genau auf.

Warum passiert trotz dieser Bereitschaft nichts?

Dies mag die öffentliche Wahrnehmung sein. Tatsächlich führen wir immer wieder Gespräche. Solche Verbindungen brauchen aber Anbahnung und damit ihre Zeit. Zudem ist jetzt niemand so in der Not, dass er zwingend fusionieren müsste. Dies gilt für uns ebenso wie für die Sparkassen-Versicherung und die Provinzial, die gerade erst erfolgreich gebündelt hat.

Wie verdaut die LBS Bayern den jüngsten Zinsrutsch?

Unsere Sparkassen hatten in den letzten Jahren einige Wertberichtigungen verarbeiten müssen. Nun hat die Landesbausparkasse die Restrukturierung im Wesentlichen hinter sich. Im Moment ist sie sehr stabil. Wenn die Zinslandschaft einigermaßen berechenbar bleibt, dann sind wir da ebenfalls sehr zuversichtlich, dass wir in besseres Fahrwasser kommen.

Im Jahr 2020 schien die LBS Bayern einer Fusion am nächsten zu sein.

Ja, bei der LBS Bayern ist es deutlich naheliegender. Sie migrierte als letzte der großen Landesbausparkassen auf die gemeinsame IT-Plattform. Das ist schon mal eine ganz wichtige Voraussetzung, um ohne zusätzlichen großen Aufwand Unternehmen zusammenführen zu können. Dann sind noch Fragen der Bewertung, der Beteiligung und der Arbeitsplätze sowie des Sitzes zu verhandeln. Das sind aber alles Dinge, die lösbar erscheinen, wenn es notwendig wird.

Bringen Sie sich persönlich ein?

Jeder Regionalpräsident der Sparkassengruppe hat immer wieder zu sondieren, ob es Möglichkeiten gibt, die Vielzahl unserer Gesellschaften zu reduzieren. Angesichts der mehr als 600 Tochtergesellschaften auf Bundesebene liegt es auf der Hand, dass es Redundanzen geben muss. Diese Ineffizienzen zu heben, ist eine hehre Aufgabe, aber es ist auch unser Auftrag.

In welche Verbundunternehmen werden Sie besonders viel Ihrer Arbeitszeit investieren?

Auf jeden Fall werde ich mich intensiv um die beiden Unternehmen kümmern, die uns zum großen Teil gehören. Dies sind die Versicherungskammer und die LBS Bayern. Bei der einen Gesellschaft darf wegen des Unternehmenswerts, der mächtig ist, nichts passieren. Bei der anderen sind die Veränderungspotenziale nicht gering.

Welche Risiken kommen durch die Pandemie auf die Sparkassen zu?

Ich teile die Meinung unseres DSGV-Präsidenten Helmut Schleweis, der sagte, wir sind positiv und optimistisch unterwegs. Ich würde es nur etwas einschränken: sofern sich in absehbarer Zeit das Thema Pandemie wahrnehmbar normalisiert. Erstaunlicherweise schlagen die wirtschaftlichen Entwicklungen bisher nicht auf die Bilanzen der Sparkassen durch. Soweit wir hören, wird es weder in Bayern noch bundesweit negative Überraschungen aus dem Jahr 2020 geben. Aber jeder hat beim Blick auf die Ratings ein bisschen Bauchkribbeln, weil man es kaum glauben kann.

Steckt in den Krediten eine Zeitbombe, weil irgendwann die Risikovorsorge wieder zuschlägt?

In der Tat ist es so: Nach allen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte wird es irgendwann Korrekturen geben. Allerdings sind wir nicht nur durch die Aufsicht, sondern auch durch eigene Vorsicht gehalten, bei Kreditvergaben sehr kritisch hinzusehen. Die Sparkassen kennen ihre mittelständischen Kunden, und Fälle wie Adler Modemärkte oder Galeria Karstadt Kaufhof gehen ja an den Sparkassen in aller Regel vorbei, weil börsennotierte Gesellschaften sich gar nicht bei Sparkassen finanzieren.

Auf der Einlagenseite entledigen die Sparkassen sich der hochverzinslichen Prämiensparverträge.

Jeder Sparkasse tut es weh, wenn sie Verträge auflöst.

Das tut dem Kunden in diesem Fall auch weh.

Ja, natürlich.

Werden Sie sich vor Gericht durchsetzen?

Ob man sich vor Gericht durchsetzt, ist immer so eine Frage. Die Rechtslage, so ist jedenfalls unsere Haltung, spricht für uns. Auch der DSGV sagt uns, dass die Chancen, dass der Bundesgerichtshof unserer Haltung zustimmt, durchaus gut sind. Das wird man abwarten müssen.

Die Finanzaufsicht BaFin hat die Sparkassen vor Weihnachten und in der vorletzten Woche unter Druck gesetzt, auf die Kunden zuzugehen.

Wir können während eines laufenden Verfahrens der Gerichtsentscheidung nicht vorgreifen, indem wir den Sparkassen empfehlen, sich auf kostspielige Vergleiche einzulassen.

Auf Kulanzbasis kann man alles machen.

Natürlich. Aber wenn in einem Jahr der BGH sagt, Ihr hattet Recht, dann hat der Vorstand eigentlich pflichtwidrig gehandelt. Da muss man schon vorsichtig sein und seriös bleiben. Die Geschäftsgrundlage für diese Art von Verträgen ist einfach in Zeiten negativer Zinsen weggefallen. Im Prinzip sitzen Sparkassen und Kunden im gleichen Boot. Wir sollten uns gleichermaßen kritisch an die Geldpolitik wenden.

Der Verein Finanzwende kritisiert die Selbstverpflichtung deutscher Sparkassen auf mehr Nachhaltigkeit als substanzarm. Müssen die Sparkassen mehr tun?

Eine solche Selbstverpflichtung ist ein Anfang, der gut und mutig ist. Denn wenn man ansetzt mit so einem Thema, dann muss man erst einmal Erfahrung sammeln. Inzwischen hat über die Hälfte der bayerischen Sparkassen diese Selbstverpflichtung unterzeichnet. Daraus werden Projekte und Maßnahmen abgeleitet, und die Zahl wird noch zunehmen.

Was erwarten Sie für das Jahr 2021?

Wir werden ab Jahresmitte eine Belebung der Wirtschaft sehen und als Sparkassen insgesamt gut unterwegs sein. Der Zinsüberschuss wird weiter sinken, an den Kosten arbeiten wir intensiv. Meine Prognose ist: Die Sparkassen in Bayern werden im angelaufenen Jahr ihre Ergebnisse stabilisieren. Der Rückgang des Betriebsergebnisses wird sich meiner Überzeugung nach verlangsamen, weil viele Maßnahmen greifen.

Wie wird sich das Einlagensicherungssystem entwickeln?

Die dortige EZB-Detailprüfung be­trifft die Landesbank ebenso wie die Sparkassen. Sie wird uns das ganze Jahr 2021 beschäftigen und sicherlich auch noch 2022. Vor sechs Monaten hätte niemand gedacht, dass dies in dieser Intensität auf uns zukommt.

2020 sollte eigentlich auf DSGV-Ebene das Jahr der Strukturänderungen werden. Wird dies nachgeholt?

Solange die Corona-Pandemie uns so bindet wie aktuell, können wir da keine großen strategischen Entwicklungen erwarten. Daher wird es eher das Jahr 2022 werden. Wir klopfen aber schon heute Entscheidungen etwa in der IT ab, ob sie künftige Strukturveränderungen eher be­günstigen. Die Botschaft, dass wir auf Dauer so nicht weitermachen können, ist verinnerlicht.

Das Interview führte

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