"Billionen-Mann" übernimmt Ruder bei Vanguard
Von Jan Schrader, FrankfurtDie Liste bekannter Führungspersonen mit auffälligen Spitznamen ist um ein Beispiel reicher. Der “Billionen-Mann” Tim Buckley (48), Investmentchef des US-Fondsriesen Vanguard, steigt zunächst zum Präsidenten und Direktor der Gesellschaft auf, ehe er per Anfang 2018 den bisherigen Chief Executive Officer Bill McNabb (60) beerbt, wie Vanguard mitteilt. Seinen Spitznamen erhielt Buckley von der Nachrichtenagentur Bloomberg: Denn Vanguard ist mit einem verwalteten Vermögen von 4,4 Bill. Dollar im Juni der zweitgrößte Vermögensverwalter der Welt, übertroffen lediglich von dem per Ende März 5,4 Bill. Dollar schweren Konkurrenten BlackRock. Als Investmentchef rückt Greg Davis (46) nach, globaler Leiter des Anleihesegments. McNabb bleibt als Chairman an Bord.”Billionen-Mann” – das suggeriert Größe und Macht. Ähnlich wurde bereits der ehemalige US-Präsident Barack Obama genannt, weil sich der Schuldenstand der USA in seiner Amtszeit von etwa 10 auf 20 Bill. Dollar verdoppelt hat. Auch sein Nachfolger Donald Trump, dessen Wahl zunächst eine Börsenrally in Gang gesetzt hatte, fuhr diesen Titel ein, kamen die Kursgewinne doch rechnerisch einem Billionenzuwachs gleich. Und auch die Investmentbranche kennt schillernde Namen: Als “Bondkönig” ist der ehemalige Pimco-Investmentchef Bill Gross bekannt. Der Mischfondsmanager Michael Schoenhaut wird von seinem Arbeitgeber J.P. Morgan Asset Management liebevoll als “Mr. Income” bezeichnet, während die Hamburger Privatbank Berenberg ihren Anlagechef und ehemaligen DWS-Fondsmanager Henning Gebhardt als “Mr. Aktie” anpreist. Der Fondsmanager und Buchautor Dirk Müller ging als “Mr. Dax” durch die Medien. Gegen den Rest der WeltSpitznamen erhöhen Personen, aber sie können sie auch überhöhen. Buckley hat es weit gebracht: Der Harvard-Absolvent heuerte 1991 als Assistent des Firmengründers und damaligen Chairman John Bogle an, rückte 2001 ins Führungsteam auf und fing 2013 als Investmentchef an. Auch Vanguard ist hoch gestiegen, denn im Dreiklang mit BlackRock und dem weiteren Konkurrenten State Street hat die Gesellschaft, benannt nach einem Schiff aus dem 18. Jahrhundert, das Geschäft mit börsengehandelten Fonds (ETF) und anderen Indexprodukten geprägt. Investoren setzen zunehmend auf diese “passiven” Produkte. Während Anleger 2016 in den USA netto mehr als 300 Mrd. Dollar aus aktiv verwalteten Aktienfonds abzogen, flossen den passiven Pendants Mittel in gleicher Größenordnung zu, schätzt die Analysegesellschaft Morningstar. Vanguard sammelte demnach 2016 mit Fondsprodukten rund 317 Mrd. Dollar ein und im laufenden Turnus bis Ende Mai 193 Mrd. Dollar, deutlich mehr als jedes andere Haus. In einer Absatzstatistik vergleichen die Analysten Vanguard nicht mit anderen Fondsriesen, sondern mit der gesamten US-Branche.Doch die 1975 gegründete Gesellschaft wird absehbar an Grenzen stoßen: Mit einem Anteil von 14 % am US-Publikumsfondsmarkt stehen ETF in Amerika einer Marktsättigung näher als in Europa, wo sie auf knapp 5 % kommen, wie der europäische Fondsverband Efama für Ende März berichtet. Die stetig gesunkenen Gebühren – im Durchschnitt berechnet Vanguard laut Bloomberg 12 Basispunkte pro Jahr – lassen wenig Raum für Margen. Und auch die Diskussion über aktiv verwaltete und passive Fonds hat sich gedreht. Die altbekannte Kritik an herkömmlichen Fonds, die nach Abzug der Kosten bekanntlich im Durchschnitt den Markt nicht schlagen können, ist in den zurückliegenden Jahren um kritische Stimmen bereichert worden. So geht die Frage um, ob ETF in Stressphasen ausreichend liquide sind, ob das passive Investieren zur schwindenden Berücksichtigung von Informationen in den Börsenpreisen führt, ob die großen ETF-Anbieter als Aktionäre bereits zu mächtig sind und so den Wettbewerb in verschiedenen Branchen behindern. Wer Macht hat, hat auch Kritiker. Stärke ist BürdeDas Ende des Wachstums hat Vanguard, die über die Fonds ihren eigenen Anlegern gehört, bisher nicht erreicht: Noch immer überwiegen die Volumen aktiv verwalteter Fonds, denen Vanguard und andere das Wasser abgraben können. Neue Geschäftsfelder, etwa die automatische Vermögensverwaltung, bieten Chancen. Aber das rasante Wachstum der Vorjahre dürfte sich irgendwann abschwächen. Buckley, der künftig als vierter Chef in der Firmengeschichte antritt, wird die Position Vanguards verteidigen müssen. Er trägt eine Billionen-Bürde.