Brüssel will offenbar gegen Rom vorgehen

Brüssel plant Verfahren gegen Rom

Brüssel plant offenbar die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Rom. Es geht um die Golden-Power-Regelung, die der Regierung de facto ein Veto gegen fast jedes Übernahmevorhaben einräumt.

Brüssel plant Verfahren gegen Rom

Rom und Brüssel im Clinch

EU will wegen Golden-Power-Regelung offenbar Vertragsverletzungsverfahren einleiten

bl Mailand

Der Konflikt zwischen der EU-Kommission und Italiens Regierung wegen der Golden-Power-Regelung verschärft sich. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters plant Brüssel die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Die EU-Kommission prüft bereits seit Monaten, ob Italien mit der Regelung, die es der Regierung erlaubt, unliebsame Übernahmen zu verhindern, gegen das EU-Fusionsrecht und gegen die Kapitalverkehrsfreiheit verstößt.

Konkret geht es um den Fall Unicredit-BPM. Rom hatte die geplante Übernahme der drittgrößten italienischen Bank durch die HVB-Mutter im Rahmen der Golden-Power-Regelung zwar genehmigt. Doch das grüne Licht wurde an so strenge Bedingungen geknüpft, dass Unicredit das Übernahmeangebot zurückzog.

Brüssel prüft nächste Schritte

Die EU hatte im Juli in einem Brief an Italiens Regierung um Klärung gebeten. Die Pressestelle der EU-Kommission bestätigte auf Anfrage der Börsen-Zeitung, in dem Schreiben die vorläufige Auffassung dargelegt zu haben, dass Italien im Zusammenhang mit der Übernahme der BPM durch Unicredit gegen Artikel 21 der EU-Fusionskontrollverordnung sowie gegen andere Bestimmungen des EU-Rechts verstoßen haben könnte. Man prüfe derzeit die Antwort Italiens und erwäge die nächsten Schritte. Darüber hinaus habe die Kommission im April einen EU-Pilot-Dialog mit Italien über die Golden-Power-Gesetzgebung, die es Italien erlaube, in Transaktionen im Finanzsektor einzugreifen, aufgenommen. Auch hier habe die Regierung geantwortet. Brüssel prüfe nun die nächsten Schritte.

Maria Albuquerque, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion, sorgte kürzlich für Aufsehen in Italien. Ohne Rom beim Namen zu nennen, hatte sie davon gesprochen, dass Entscheidungen, die die Schaffung eines gemeinsamen Marktes für Finanzdienstleistungen verhinderten, Anlass zur Sorge böten. Man werde alles tun, um die Schaffung eines gemeinsamen Marktes zu garantieren.

Rom weist Bedenken zurück

Italiens Regierung weist Brüsseler Bedenken zurück. Für Wirtschafts- und Finanzminister Giancarlo Giorgetti sind Fragen der ökonomischen Sicherheit „Aufgabe des Staates“. Rom legt dies recht weit aus. Im Fall der Einschränkung der Rechte des chinesischen Großaktionärs Sinochem beim Reifenhersteller Pirelli, mögen Bedenken gerechtfertigt sein. Bei Telecom Italia (TIM), wo eine ausländische Übernahme verhindert worden ist, oder im Fall des inneritalienischen Übernahmevorhabens Unicredit-BPM ist die Argumentation nicht nachvollziehbar. Bei einem Vertragsverletzungsverfahren könnte die EU verlangen, dass Rom zumindest Übernahmen aus der EU genehmigt.

Schadenersatz

Offen ist, wie Rom auf ein Vertragsverletzungsverfahren reagieren würde. Die Regierung könnte die Golden-Power-Regelung zurückziehen. Sie könnte auch vor den Europäischen Gerichtshof ziehen, um die Regelung für vereinbar mit europäischem Recht erklären zu lassen. Und schließlich könnte Rom das Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof anfechten. Unicredit könnte wegen des entstandenen Schadens gerichtlich versuchen, Schadenersatz zu erhalten.

Die Nicht-Umsetzung der Bolkestein-Dienstleistungsrichtlinie bei den Strandbad-Konzessionen zeigt, dass sich Vertragsverletzungsverfahren hinziehen können. Italien weigert sich seit 20 Jahren, die Konzessionen neu auszuschreiben.