Brüssel will Aufsicht über Handelsplätze und Nachhandel zentralisieren
Brüssel will Aufsicht über Handelsplätze und Nachhandel zentralisieren
Brüssel will Aufsicht über Handelsplätze und Nachhandel zentralisieren
Gesetzespaket sieht auch Harmonisierung der Regeln für Assetmanager vor
Mit Dutzenden von Einzelvorschlägen für die Infrastruktur des Kapitalmarkts – vom Handel über die Verrechnung bis zur Abwicklung von Wertpapiergeschäften – versucht die EU-Kommission, die Fragmentierung der europäischen Kapitalmärkte zu reduzieren.
cru/fed Frankfurt/Brüssel
Legislativer Paukenschlag für das Wertpapiergeschäft: Die EU-Kommission schlägt eine ganze Fülle von Änderungen der Regeln für Handelsplätze, Clearinghäuser, Zentralverwahrer, Vermögensverwalter und Kryptodienstleister vor. Ziel des Gesetzespakets zur Marktinfrastruktur ist es, Hindernisse zu beseitigen, die anlagesuchenden Investoren und kapitalsuchenden Unternehmen in Europa nach Ansicht der Brüsseler Behörde bislang das Leben erschweren. EU-Kommissarin Maria Albuquerque wird das umfangreiche legislative Paket am Donnerstag vorstellen. Auf Basis einer aktuellen, unveröffentlichen Präsentation der EU-Kommission, die der Börsen-Zeitung vorliegt, sind wesentliche Linien des Gesetzesentwurfs bereits erkennbar.
So ist ein zentrales Element des Gesetzespakets die Aufwertung der EU-Marktaufsichtsbehörde ESMA. Das in Paris beheimatete Amt soll in Zukunft die direkte Aufsicht über bedeutende Zentrale Gegenparteien (Central Counter Parties) wie beispielsweise Eurex Clearing, über große Zentralverwahrer (Central Securities Depositories) wie zum Beispiel Euroclear oder Clearstream und über Handelsplätze (Trading Venues) übernehmen. Daneben soll die ESMA auch bestehende und künftige Krypto-Dienstleister unter ihre aufsichtlichen Fittiche nehmen.
Deutlich mehr Geld für ESMA
Zugleich schlägt die EU-Kommission in ihrem Marktinfrastruktur-Gesetzespaket vor, die Governance der EU-Marktaufsichtsbehörde anzupassen und zu straffen. Ein Exekutivausschuss soll eingerichtet werden, der Entscheidungen über die direkte Aufsicht trifft. Der Verwaltungsrat in dem die nationalen Aufseher wie die BaFin versammelt sind, soll ein Veto im Falle besonders folgenschwerer Entscheidungen haben. Um die Tätigkeiten der nationalen Aufsichtsbehörden in der EU besser abzustimmen, sollen neue Instrumente wie etwa Kooperationsplattformen eingesetzt werden. Und weil das alles Geld kostet, soll die ESMA deutlich mehr Mittel erhalten, 90% davon finanziert durch Gebühren von Marktteilnehmern.
„Paneuropäische Marktbetreiber“
Neben den erheblichen Veränderungen in Sachen Beaufsichtigung sieht der Gesetzesentwurf, der in den nächsten Monaten in EU-Parlament und Rat parallel verhandelt werden wird, zahlreiche Anpassungen im Regelwerk der Handelsplätze vor. Nationale Anforderungen sollen beseitigt und die Möglichkeiten, grenzüberschreitend tätig zu sein, erweitert werden – etwa wenn Handelsplätze über Zweigniederlassungen mit Investoren und Emittenten in anderen EU-Staaten in Kontakt treten. Etabliert werden soll der Status eines paneuropäischen Marktbetreibers, der es erlaubt, mehrere Handelsplätze mit einer Lizenz in Betrieb zu haben. Die EU-Kommission erhofft sich dadurch eine gewisse Bündelung von Liquidität, denn sie setzt darauf, dass die Zentralisierung des Betriebs ein erster Schritt ist, damit die Infrastrukturanbieter Lösungen für die Zusammenführung von Liquidität über die von ihnen betriebenen Handelsplätze hinweg entwickeln.
Vernetzung der Verwahrer
Was den Nachhandel, also Verrechnung (Clearing) und Abwicklung (Settlement) angeht, so sollen auch hier grenzüberschreitende Transaktionen leichter werden, indem Dienstleistungen über EU-Binnengrenzen hinweg erlaubt und Abwicklungsvorgänge standardisiert werden. Zudem strebt Brüssel eine engere Vernetzung der Zentralverwahrer an, das Verfahren zur Einrichtung von Verbindungen zwischen Euroclear, Clearstream & Co. soll gestrafft werden. Dabei soll Technologieneutralität als Prinzip der Regulierung gelten, was angesichts der Blockchain-basierten Modelle an Bedeutung gewinnen dürfte. Zur Rechtssicherheit soll die Harmonisierung der Garantien für die Endgültigkeit der Abrechnung dienen.
EU-Depotbank-Pass
Umfangreich fallen auch die Anpassungen für das Asset Management aus. Harmonisierte EU-Vorschriften sollen nationale Hindernisse bei der Zulassung und den Meldepflichten beseitigen. Ein EU-Depotbank-„Pass“ soll es Anbietern alternativer Investments (AIF) und von Kleinanlegerfonds (Ucits) ermöglichen, eine Depotbank mit Sitz innerhalb der EU zu benennen und es Depotbanken erlauben, ihre Dienstleistungen grenzüberschreitend anzubieten. Die EU-Kommission reagiert auch auf die Forderung der Alternativen-Investment-Branche, die Berichtsanforderungen rund um die frühzeitige Kommunikation von Anbietern und Investoren über neue Produkte (Pre-Marketing) abzuschaffen: Im Präsentationspapier der EU-Kommission ist von der „Aufhebung der Vorabmeldung von Marketingkommunikation“ die Rede. Schließlich setzt sich die EU-Kommission das Ziel, unterschiedliche nationale Anforderungen für Assetmanager zu beseitigen, so dass die EU für Vermögensverwalter zu einem leichter zu navigierenden Umfeld wird.
Erleichterungen für DLT
Unter dem Stichwort „Innovation“ versucht die EU-Kommission daneben, DLT-Anbietern das Leben zu erleichtern. So soll beispielsweise der Anwendungsbereich von Pilotprogrammen über Aktien, Anleihen und Ucits-Fonds hinaus ausgeweitet werden. Schwellenwerte sollen nach dem Willen der EU-Behörde deutlich angehoben, der Betrieb von DLT-Infrastrukturen erheblich erleichtert werden.
Brüssel orientiere sich am Machbaren, lautet eine erste Einschätzung des Marktinfrastruktur-Pakets von Wiebke Merbeth, Partnerin der Strategieberatung Deloitte. Zu begrüßen seien im Paket die einfachere Erprobung neuer Software, die Stärkung der Corporate Governance bei der ESMA und die Tatsache, dass der nachgelagerte Handel adressiert werde. Das Aufsichtspaket gehe in die richtige Richtung, Veränderungen in Gang zu setzen, die Effizienzen heben und Kosteneinsparungen zum Ziel haben.
